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Sicherheit in Europa: Gemeinsam statt einsam

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Nach den Anschlägen in Brüssel beraten die EU-Innenminister bei einem Sondertreffen über den Umgang mit der terroristischen Bedrohung. Der Informationsaustausch zwischen den europäischen Ländern muss endlich verbessert werden, fordern einige Kommentatoren. Andere fürchten jedoch, dass dann Daten in falsche Hände gelangen.

Le Figaro: Europäische Zusammenarbeit zwingend nötig; Frankreich

Bürokratische Hindernisse machen Europa verwundbar, kritisiert die konservative Tageszeitung Le Figaro: „Der Verwaltungsdschungel der EU - 28 Hauptstädte mit gegensätzlichen Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden - ist auch nicht besser gewappnet, als das Königreich Belgien mit seinen vier Regierungen. Allein in Brüssel existieren sechs verschiedene Polizeikorps. Auf einem Kontinent ohne Grenzen hat jede Sicherheitslücke eines Landes Konsequenzen. Das hat Europa, das nach sieben Jahren Wirtschaftsflaute mit der Migrationskrise ins Wanken gerät, gerade noch gefehlt. […] Die Briten, die mit dem Ausstieg flirten, die Franzosen und die Deutschen, die sich von der extremen und anti-europäischen Rechten verführen lassen, haben eine klare Botschaft: Im Gegensatz zum offiziellen Credo ist die EU nicht die Lösung, sondern das Problem, behaupten sie. Um diese Tendenz nach den Attentaten umzukehren, braucht es sicher mehr als eine Dringlichkeitssitzung des Ministerrats.“ (Artikel vom 24. März 2016)

La Vanguardia: Staaten müssen Informationen teilen; Spanien

Nur eine internationale Kooperation der Polizei und Geheimdienste kann effektiv gegen den globalen Terrorismus kämpfen, meint die konservative Tageszeitung La Vanguardia: „Europa kann den Dschihadismus nicht effizient bekämpfen, wenn die verschiedenen Einheiten zur Bekämpfung kaum miteinander kommunizieren. Ganz zu schweigen vom mangelnden Informationsaustausch zwischen den Einheiten innerhalb eines Staats (die Stadt Brüssel hat zum Beispiel sechs verschiedene Orts- und eine Nationalpolizei). Das Organigramm der Sicherheit ist für einen nationalen Rahmen ausgelegt und nicht zur Bekämpfung des globalen Terrorismus. Nicht nur wegen der Zuständigkeiten, sondern auch wegen der Art und Mentalität dieser Einheiten, die dazu neigen, Informationen und Quellen für sich zu behalten. Man darf daran erinnern, dass die Attentate vom 11. September die Konkurrenz und das Misstrauen zwischen CIA und FBI ans Licht brachten.“ (Artikel vom 24. März 2016)

Süddeutsche Zeitung: Heikle Daten könnten in falsche Hände geraten; Deutschland

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat erneut einen besseren Datenaustausch in Europa gefordert. Sicherheit sei nun wichtiger als der Schutz der Daten. Diese könnten aber in die falschen Hände geraten, fürchtet die linksliberale Süddeutsche Zeitung. „Die EU-Staaten, die gut funktionierende Sicherheitsbehörden haben, sind nicht bereit, ihre heiklen und werthaltigen Daten in einen 28er-Topf zu werfen, wenn und solange sie befürchten müssen, dass mit diesen Informationen da oder dort Schindluder getrieben wird. Beim gegenwärtigen Zustand der Sicherheitsbürokratie in diversen EU-Staaten kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass heikelste Daten bei der organisierten Kriminalität landen. Solange das so ist, ist ein gemeinsames Terrorabwehrzentrum aller 28 EU-Staaten Illusion. [...] Wenn man sehr schnell etwas Sinnvolles tun will, könnten willige und fähige Staaten Kerneuropas ein gemeinsames kleines, effektives Terrorabwehrzentrum mit intensivem Datenaustausch gründen.“ (Artikel vom 24. März 2016)

De Standaard: Haben Belgiens Behörden versagt?; Belgien

Nach Angaben des türkischen Präsidenten Erdoğan wurde einer der Attentäter in der Türkei wegen Verbindungen zur Islamistenszene im Juli 2015 nach Belgien ausgewiesen. Dass der in Europa frei kam, gibt der liberalen Tageszeitung De Standaard zu denken: „Nach den Anschlägen von Paris gerieten die beiden Brüder El Bakraoui bereits ins Blickfeld. Wurde damals nicht bereits deutlich, dass der eine, Ibrahim, einige Monate zuvor der belgischen Justiz auf dem Präsentierteller angeboten worden war? Hat da niemand kombiniert oder blieb jemand auf der Information sitzen? Man darf diese Fragen nicht ignorieren. [...] Mehr als 30 Menschen sind umgekommen, mehr als 200 wurden verletzt. Das Ausland schaut mit Unverständnis und wachsendem Ärger zu. Wie sollen wir erklären, dass unser System funktioniert hat, wenn es so viele Anzeichen gibt, die etwas anderes zeigen? Was ist, wenn nicht mehr zu leugnen ist, dass Belgien als Staat versagt hat? Wer übernimmt dann dafür die Verantwortung?“ (Artikel vom 24. März 2016)

Kauppalehti: Sicherheitsmaßnahmen allein nicht ausreichend; Finnland

Dauerhafte Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus garantieren nur langfristig ausgerichtete Maßnahmen und Strategien, konstatiert die Wirtschaftszeitung Kauppalehti: „Es ist eindeutig, dass der Terrorismus in Europa nicht allein durch gemeinsame Sicherheitsmaßnahmen beseitigt werden kann. Man muss die eigentlichen Gründe des Terrorismus beseitigen, von denen der Syrien-Krieg der derzeit akuteste ist. Dann muss man sich um die Integration der nach Europa gekommenen Einwanderer in die Gesellschaft kümmern, denn in den armen Vierteln der Großstädte keimt der Samen für eine Radikalisierung der Einwanderer. Sicherheitsmaßnahmen sind ein erster Schritt. Doch der Terrorismus muss an der Wurzel angegangen werden, damit er nicht dauerhaft die europäische Lebensweise und europäische Werte und die offene Gesellschaft erschüttert.“ (Artikel vom 24. März 2016)

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