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Schengen: Feiger Abgang von Dänemark

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Politik

Vor dem Treffen der EU-Innenminister am heutigen Donnerstag ist ein Streit entbrannt um Grenzkontrollen im Schengen-Raum. Dänemark hat am Mittwoch neue Kontrollen beschlossen aus Angst vor illegalen Einwanderern aus Osteuropa. Frankreich und Italien fürchten Migranten aus Nordafrika. Die Presse verteidigt die Freizügigkeit und warnt vor kurzsichtiger Kleinstaaterei.

Süddeutsche Zeitung: Problem ist, dass EU-Freunde zu feige sind; Deutschland

Trotz des Schengen-Abkommens führt Dänemark an den Grenzen zu Deutschland und Schweden wieder Kontrollen ein. Dabei gibt es in Dänemark genug Anhänger der europäischen Idee, meint die linksliberale Süddeutsche Zeitung, sie sind nur zu feige: "Die Volkspartei hat demonstriert, wie leicht man europäische Werte wie die Freizügigkeit für innenpolitisches Geschacher missbrauchen kann. Nur zu bereitwillig hat die liberalkonservative Regierung den Populisten ihren PR-Erfolg auf Kosten Europas zugestanden - um sie milde zu stimmen, für eine Rentenreform. Auch die Opposition widersetzte sich den Kontrollen nicht - wohl um eine unbequeme Debatte zu vermeiden. Dabei sind die meisten Parteien Dänemarks pro-europäisch und würden nie auf die Idee kommen, die Freizügigkeit grundsätzlich in Frage zu stellen. Aber verteidigen wollen sie diese Errungenschaften eben auch nicht. Das Problem der EU sind nicht Gegner wie die Volkspartei. Das Problem ist, dass ihre Freunde so feige sind." (Artikel vom 12.05.2011)

Postimees: Sehnsucht nach der Vergangenheit und nach alter Kleinräumigkeit; Estland

Die Tageszeitung Postimees kritisiert die neuen Grenzkontrollen in Europa und den Hang zur Kleinstaaterei: "Dass sich immer mehr Europäer abschotten, ist mehr als nur eine simple Reaktion auf kulturell bedingte Konflikte oder wachsende Fremdenfeindlichkeit. Die Gegner des Schengen-Raums scheren sich nicht um kulturelle oder politische Eigenheiten, sie wollen einfach die sich öffnende Welt wieder enger, verschlossener und vermeintlich sicherer machen. [...] In Finnland werden die Wahren Finnen als radikale Erneuerer in dem Sinne gesehen, dass sie mit ihrer neu gewonnenen Stärke die bisherige Konsenspolitik durcheinander wirbeln. Aber ihre Politik bringt in Wirklichkeit nichts Neues oder Radikales mit sich, im Gegenteil: Es geht dabei um die Sehnsucht nach der Vergangenheit und nach alter Kleinräumigkeit, die nicht nur vor Europa und der globalisierten Wirtschaft schützen soll, sondern auch vor dekadenter Kunst, babylonischer Sprachverwirrung und komplizierten Wörtern." (Artikel vom 12.05.2011)

Libération: Dieses Recht wahrnehmen und es bewahren; Frankreich

Frankreich führt bereits an der Grenze zu Italien Kontrollen durch, um weniger Flüchtlinge aus Nordafrika aufzunehmen. Das muss eine genau geregelte Ausnahme im Schengen-Raum bleiben, fordert die EU-Justizkommissarin Viviane Reding in der linksliberalen Tageszeitung Libération: "Es muss vermieden werden, dass die Regierungen selbst über die Bedingungen einer Wiedereinführung der Grenzkontrollen bestimmen. Eine solche Entscheidung beträfe uns alle und bedarf daher unbedingt der Zustimmung der europäischen Institutionen. Tatsächlich geht es darum, die Regeln der europäischen Union zu respektieren und die Rechte zu bewahren, für die wir hart gekämpft haben. Die europäische Kommission hat vor kurzem vorgeschlagen, das gesamte Schengen-Abkommen zu stärken und die größte Errungenschaft der EU, die Personenfreizügigkeit, zu schützen. Nach zwei verheerenden Weltkriegen dauerte es Jahrzehnte, bis man die Grenzen zugunsten eines vertrauensvollen Klimas abgeschafft hat. Heute führt die Freizügigkeit innerhalb der EU zu Annäherung und sie ist ein Faktor der Einheit. Wir müssen dieses Recht wahrnehmen und es bewahren." (Artikel vom 12.05.2011)

Sme: Dass Italien das nicht meistert, hat nichts mit einer nahenden Apokalypse zu tun, sondern mit einem weiteren Versagen dieses Landes; Slowakei

Die Forderungen unter anderem von Italien und Frankreich nach einer Einschränkung der Freizügigkeit wegen der Flüchtlinge aus Nordafrika sind nach Meinung der liberalen Tageszeitung Sme fehl am Platz: "Gäbe es eines Tages die Situation, dass sich Italien und Frankreich einer wirklichen Welle von Flüchtlingen gegenüber sähen, dann müssten die übrigen Europäer helfen. Doch diese Situation ist bislang nicht eingetreten. Zwar kommen mehr Flüchtlinge nach Italien als früher, aber es handelt sich lediglich um ein paar Zehntausend. Dass Italien das nicht meistert, hat nichts mit einer nahenden Apokalypse zu tun, sondern eher mit einem weiteren Versagen dieses Landes, seiner Politiker und Behörden. [...] Die Lösung liegt ganz sicher nicht darin, die Freizügigkeit in der Union in Frage zu stellen und damit einen der grundlegenden Vorteile der Integration aufzugeben. [...] Das heißt nicht, dass die Union nicht einzelnen Ländern wie Italien oder Malta helfen sollte. Die Union muss aber gleichzeitig gemeinsam etwas für die Länder tun, aus denen die Flüchtlinge kommen, damit sie zu Hause bleiben." (Artikel vom 12.05.2011)

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Foto: (cc)josemanuelerre/flickr

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