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Saubere Energie, dreckiges Geschäft: Die Mafia entdeckt die Green Economy

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Default profile picture Ingmar Zielke

Politik

Noch vor wenigen Jahren waren verbotene Giftmüllentsorgungen und rücksichtslose Umweltverschmutzung die einzigen ökologischen Verbrechen. Mittlerweile sind illegale Machenschaften jedoch bis in den Bereich der Green Economy vorgedrungen.

Seit langem schon investiert die internationale Mafia in gewinnbringende Umweltgeschäfte, während die altgediegene Mafia der Corleone Godfathers, deren Reichtum sich ausschließlich aus Prostitution, Glücksspiel und Drogenhandel aquirierte, größtenteils nur noch in Filmen eine Rolle spielt. Am 14. Dezember 2009 beschlagnahmte die Anti-Mafia Einheit der italienischen Polizei 1.5 Milliarden Euro inmitten von Windkraftanlagen und Luxushäusern des sizilianischen Green-Energy Unternehmers Vito Nicastri, auch bekannt als „König des Windes“. Das Geschäftsmodell Nicastris‘, dessen Verbindungen laut DIA (Direzione Investigativa Antimafia) bis zu dem berüchtigten und allseits gesuchten Mafioso Matteo Messina Denaro reichen, konzentriert sich dabei vordergründig auf den Bau von Windanlagen mit Hilfe von beträchtlichen EU-Subventionen, während hinter der Fassade grüner Energie umfangreiche Geldwäsche betrieben wird. Das illegale Geschäft mit Windenergieparks und Solarenergie betrifft allerdings nicht ausschließlich den Süden Italiens: Ähnliche Ermittlungen wurden in jüngerer Vergangenheit auch auf den Kanaren, Korsika, Rumänien und Bulgarien durchgeführt.

Gute Nachrichten für die organisierte Kriminalität?

Europäische Subventionen von Solarenergie

Im April 2010 berichtete die spanische Tageszeitung El Mundo von polizeilichen Untersuchungen zahlreicher Solaranlagen in Andalusien und Kastilien-La Mancha. Während die Besitzer behaupteten, ihre Solaranlagen seien auch nachts fähig Elektrizität zu produzieren, beförderten die Untersuchungen der Polizei eine grundverschiedene Realität zu Tage. Demnach produzieren einzig umweltfeindliche Diesel-Generatoren Energie in den betreffenden Solaranlagen. Auf die großzügigen EU-Subventionen der übernatürlich anmutenden Nacht-Solaranlagen hatten die Erkentnisse der spanischen Polizei jedoch keine Auswirkungen.

Unterdessen ist Europol den kriminellen Geschäften mit sauberer Energie auf die Spur gekommen und betont in einem Bericht vom 10. August die Dringlichkeit einer generellen Untersuchung des Energiesektors; insbesondere im Bereich der alternativen Energiegewinnung. Der Europol-Report fokussiert sich dabei auf Szenarien krimineller Unterwanderungen des Energiesektors. In einem der möglichen Szenarien heißt es beispielsweise, dass „organisierte Kriminalbanden Energie als lohnenswertes Langzeitinvestment betrachten.“ Das Fundament der krimiellen Penetration des alternativen Energiesektors ist dabei mit Bestimmtheit der 20/20/20-Plan der Europäischen Union.

Die zentralen Punkte des Planes sind die 20-prozentige Reduktion von CO2-Emissionen, der 20-prozentige Anstieg von Energieeffizienz und die 20-prozentige Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen jedes einzelnen Mitgliedsstaates bis 2020. Brüssel hat diese Bemühungen in den vergangenen Jahren mit 5 Milliarden Euro bezuschusst. Diese Zuwendungen haben es Besitzern von Wind- und Solaranlagen ermöglicht, erheblich von Subventionen auf Basis von produzierten Kilowatt zu profitieren.

20/20/20

Die Geschäfte der Mafia betreffen nicht nur Italien, sondern ganz EuropaIn dem Europol-Bericht heißt es dazu, dass es dem ambitionierten 20/20/20-Plan offensichtlich an geeigneten Gesetzgebungsverfahren mangelt und dies der Unterwanderung organisierter Kriminalität durch illegales Kapital erheblichen Vorschub leistet. „Das weltweite charakteristische Merkmal von Gesetzgebungsverfahren ist die Abstinenz effektiver Regulation im Energie- und Finanzsektor, die eine andauernde Selbstregulierung verstärkt durch mangelnde legislative Vollstreckungskenntnisse in beiden Bereichen zur Folge hat“ heißt es im Originalwortlaut des Berichts. „Während geopolitische und ökonomische Faktoren fruchtbaren Boden für organisierte Kriminalität bieten, dient die Selbstregulierung im Energiesektor der Verschleierung krimineller Aktivitäten.“

Nicht nur Europol hat die Schwachstellen der europäischen Legislative angeprangert. Der frühere Ökologieprofessor der Universität von Wales und Autor des Buches The Wind Farm Scam (2009), John Etherignton, betont, dass das Fehlen europäischer Regulationen in der Windindustrie zu mangelnder Transparenz und Korruption geführt hat. „Die komplizierte und undurchsichtige Finanzierung von Windenergie wurde dabei durch regulative Schwachstellen in der Windkraftindustrie selbst hervorgerufen“, betont Etherington in einem Interview mit dem Telegraph. Für Sebastiano Venneri, Vizepräsident des wichtigsten ökologischen Vereins Italiens Legambiente, ist die Beschlagnahme von Vito Necastris’ Vermögen ein erster wichtiger Schritt im Kampf gegen illegale Geschäfte mit alternativen Energien. Da „der gesamte Sektor der erneuerbaren Energien nicht nur in Italien, sondern auch im Rest Europas’, insbesondere auf der iberischen Halbinsel, gefährdet sei“ sind „strenge und zeitnahe juristische Lösungen unabdingbar.“

Michele Curto, Präsident von FLARE Network, glaubt, dass die weitreichende kriminelle Durchdringung in einem der zukünftig wichtigsten strategischen Sektoren ein globales Risiko darstellt. „Die Vorkommnisse beweisen einmal mehr, dass die Mafia vor keinem Bereich zurückschreckt und keine geographischen Grenzen kennt. Die Operationen der Mafia sind in diesem Fall allerdings kein rein italienisches Problem, sondern betreffen alle EU-Staaten. Die Entwicklung der Windenergie bleibt jedoch ein Vorzeigeobjekt der Europäischen Union. Die Festnahme von Vito Nicastri ist ein durchschlagender Erfolg im Kampf gegen die Mafia. Die eigentliche Auseinandersetzung basiert aber auf einem kulturellen Kampf, der im Kern von allen Bürgern der EU gekämpft werden muss.“

Foto: (cc)Eddi 07/flickr; (cc)Mr Boz/flickr; (cc)ShinyaFlickr/flickr

Translated from Energie pulite e affari sporchi: le mafie scoprono la green economy