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Rumänien und Bulgarien fortschrittlich? "Wir wollen uns nicht ändern. Wir tun nur so"

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Politik

Mehr Einsatz im Kampf gegen Korruption fordert die EU von Rumänien und Bulgarien. Der am Dienstag vorgelegte Fortschrittsbericht kritisiert vor allem das rumänische Justizwesen. Die Presse lobt zum Teil das konstruktive Vorgehen der EU und bemängelt die Reaktionen der beiden jungen EU-Mitglieder.

Der Standard: „Besser wäre es, Rumäniens Schengen-Beitritt in Frage zu stellen“; Österreich

Die Kritik im Fortschrittsbericht der EU-Kommission gibt den reformorientierten Kräften in Rumänien und Bulgarien Rückenwind, glaubt die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Der Überprüfungsmechanismus, den Brüssel anlässlich des Beitritts von Rumänien und Bulgarien eingeführt hat, hat sich als sinnvoll und effektiv erwiesen. Diesmal hat die Kommission als Sanktion keine EU-Gelder gesperrt. Das wäre in der Wirtschaftskrise, in der viele Rumänen wirklich in Not geraten sind, auch nicht gut - zumal Bukarest noch immer nicht in der Lage ist, alle Gelder aus den EU-Fonds zu absorbieren. Besser wäre es da schon, den Schengen-Beitritt infrage zu stellen, um den fehlenden politischen Willen in Bukarest anzukurbeln. Die Reformgeister in den beiden neuen EU-Staaten freuen sich ohnehin heimlich über die Kritik aus Brüssel. Denn sie hat in der Vergangenheit in dem klientelistischen System bereits kleine Revolutionen bewirkt." (Artikel vom 21.07.2010)

Blog Voxpublica: „Wir bringen uns durch einen Gegenschlag ein - schlechte Idee!“; Rumänien

Link zum Weiterlesen: Blogger in Rumänien: Gepriesen von Terminator-Präsident Basescu

Der rumänische Staatschef Traian Băsescu findet den Fortschrittsbericht der EU-Kommission zwar "hart, aber fair", kritisiert ihn jedoch auch als "unausgewogen". Die Bukarester Regierung werde deshalb einen eigenen Bericht erarbeiten, auf dass die EU-Kommission ihren Fortschrittsbericht nach Möglichkeit revidiere. Eine gefährliche Idee, heißt es im Blog Voxpublica: "Stellen Sie sich vor, die EU-Staaten nähmen den Gegenbericht ernst und nicht den der Kommission. Das wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, der die EU-Kommission unglaubwürdig machen würde. Traian Băsescu hat versucht deutlich zu machen, dass der Gegenbericht in Zusammenhang mit dem Wunsch Rumäniens steht, [ab dem kommenden Jahr] zum Schengen-Raum zu gehören. Verstehen Sie? Wir bringen uns durch einen Gegenschlag ein! Das ist eine schlechte Idee, denn wir beschuldigen die Kommission und damit die Union versteckter Absichten. [...] Hoffentlich wird sich Traian Băsescu bewusst, dass mit der Verwirklichung seiner Idee Rumänien den Ruf erhalten könnte, ein Land zu sein, das versucht die Arbeit der Union zu diskreditieren."

(Artikel vom 21.07.2010)

Standart: „Wir wollen uns nicht ändern. Wir tun nur so.“; Bulgarien

Aufgrund der Beschwerden von bulgarischer Seite (das Land wurde als Stehtoilette repräsentiert), wurde der bulgarische Teil des Kunstwerks verhülltDer EU-Fortschrittsbericht über Bulgarien stellt vollkommen korrekte Forderungen, meint die bulgarische Tageszeitung Standart, doch das Land wird die Wünsche der Brüsseler nicht erfüllen können: "Sie fordern bessere Gerichtsbarkeit bei Korruption in den oberen Etagen der Macht, also harte Strafen für korrupte Politiker statt Händereinwaschen und Imagepolitur. Sie fordern ein Organ, das Interessenkonflikte aufdeckt und verhindert. [...] Sie fordern ein Ende der Korruption bei öffentlichen Ausschreibungen und den sparsamen Umgang mit EU-Mitteln. Sie fordern nichts Ungewöhnliches, sondern einen Staat, der auf Logik und öffentlichem Interesse beruht. [...] Zwischen den Zeilen steht: Diejenigen, über die niemand ein schlechtes Wort verliert, treten den Sinn von Bulgariens EU-Beitritt mit Füßen. Wir aber haben nicht den Mut, sie zu benennen, geschweige denn sie vor Gericht zu stellen. Zu allem Überfluss sind wir träge. Wir legen einen starken Willen an den Tag, doch der zeitigt kaum Ergebnisse. Denn wir wollen uns nicht ändern. Wir tun nur so."

(Artikel vom 20.07.2010)

Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Verantwortungsloser Umgang der EU-Staaten mit dem Euro-Stabilitätspakt“; Deutschland

Die EU hat Bulgarien und Rumänien wegen erheblicher Mängel beim Kampf gegen die Korruption gerügt. Doch für rechtliche Sanktionen ist es zu spät, kritisiert die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Die Frist dazu ist Ende vergangenen Jahres abgelaufen, ohne dass die beiden Länder sich den sonst auf dem Kontinent üblichen Standards in der Rechtspflege ernsthaft angenähert hätten. Die EU-Kommission, die alle Verfehlungen Jahr für Jahr fein säuberlich dokumentiert hat, gibt nun bekannt, dass sie auch sonst keine weiteren Sanktionen verhängen will. Das alles ist kein geringerer Skandal als der verantwortungslose Umgang der EU-Staaten mit dem Euro-Stabilitätspakt, scheint aber im Gegensatz zur Währungskrise keine Folgen zu haben. Gegenüber Bulgarien und Rumänien zeigt die EU eine Geduld, als gehe es um die Agrarreform irgendwo in Afrika und nicht darum, dass die Bürger in den 25 anderen Mitgliedstaaten weiterhin ihr Rechtssystem mit zwei Ländern teilen müssen, die nachweislich einen korrupten und ineffizienten Staat haben."

(Artikel vom 21.07.2010)

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Fotos: Entropa Rumänien ©Mikey loves Barcelona/flickr; Entropa Bulgarien ©centralasian/flickr

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