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Reporter ohne Grenzen: "Blogs in Bulgarien garantieren die Pressefreiheit"

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Default profile picture Frauke S.

Gesellschaft

Reporter ohne Grenzen hat sein Ranking zur Pressefreiheit für 2008 veröffentlicht. Den ersten Platz teilen sich Luxemburg, Island und Norwegen, europäisches Schlusslicht ist Bulgarien.

Am 22. Oktober haben Reporter ohne Grenzen ihr weltweites Ranking zum Thema Pressefreiheit für 2008 veröffentlicht. Die schlechteste Platzierung (59.) unter den EU-Ländern erreichte Bulgarien, wo es zu mehreren Fällen von Verfolgung und Gewalt gegenüber Journalisten gekommen ist. Aber auch die anderen europäischen Staaten haben keinesfalls weiße Westen. Frankreich (35.) verliert vier Plätze wegen polizeilicher und gerichtlicher Eingriffe im Zusammenhang mit der Geheimhaltung journalistischer Quellen. Italien (44.) und Spanien (36.) büßen ebenfalls einige Plätze ein: Grund dafür sind die Drohungen der Mafia in Italien und der Terror der ETA in Spanien.

In Kroatien (45.), EU-Beitrittskandidat, verbessert sich die Situation nur schleppend. Nur einen Tag nach der Präsentation der Studie wurden zwei Journalisten in einem Autobombenattentat im Zentrum von Zagreb getötet. Es handelt sich um Ivo Pukanic, Direktor der Wochenzeitung Nacional, und um einen zweiten Redakteur, der ihn begleitete. Elsa Vidal und Olivier Basille, die Verantwortlichen von Reporter ohne Grenzen in Paris und Brüssel, zu Verletzungen der Pressefreiheit und Internetzensur in Europa.

Welche sind die schärfsten Angriffe auf die Pressefreiheit in Bulgarien?

Olivier Basille: Vor kurzem hat es mehrere Fälle von Angriffen auf Journalisten gegeben. Der wohl repräsentativste Fall ist der des Chefredakteurs von Frog News, Onyan Stefanov, auf den mehrere Mordversuche verübt worden sind, nachdem er Nachforschungen zu Korruption und mafiösen Machenschaften angestellt hatte. Die Situation in Bulgarien macht uns umso mehr Sorgen, als dass Bulgarien auf wiederholtes Drängen der Europäischen Union, sich in dieser Sache zu bemühen, die so genannte DANS-Agentur gegründet hat, und es genau

diese ist, die hinter dem Druck auf Frog News zu stecken scheint. Dieser Fall ist kein gutes Signal mitten in Europa.

Welche Veränderungen sollte die Türkei vorantreiben, um den Journalisten die freie Ausübung ihrer Tätigkeit garantieren zu können?

Elsa Vidal: Die Reformen, die die Türkei umsetzen muss, haben mit der Gesetzgebung zu tun. Der Artikel 301 [Beleidigung der türkischen Nation, des Staates der türkischen Republik und der Institutionen und Organe des Staates, A.d.R.] ist im Laufe dieses Jahres abgeändert worden. Dies ist ein erster Schritt. Aber die Änderungen garantieren auf keinen Fall die Pressefreiheit in der Türkei. Jahrzehntelang sind Journalisten unter dem Vorwand verfolgt worden, die türkische Nation zu beleidigen - unter Anwendung dieses Artikels. Es gibt noch weitere Texte, die reformiert werden müssen. Zum Beispiel der Artikel 216 des Türkischen Strafgesetzbuches vom 25. Juli 1951 gegen Attentate in Erinnerung Atatürks [der erste Präsident und Gründer der türkischen Republik, A.d.R.], oder der Artikel 318, der den Versuch der Militärdienstverweigerung bestraft. Des Weiteren gibt es Probleme in der Praxis in Verbindung mit dem Rechtssystem und den politischen Führungspersönlichkeiten. Auch das Militär hat einen großen Einfluss auf die türkische Gesellschaft. Die Konfliktsituation mit den Kurden hat die Regierung beispielsweise dazu veranlasst, den Medien die Berichterstattung bestimmter Ereignisse zu verbieten. Das ist äußerst schwerwiegend.

Kann man in Europa von Internetzensur sprechen?

Olivier Basille: Die Internetzensur in der Europäischen Union ist nicht sehr effizient. Ganz im Gegenteil. In Bulgarien sind Blogs die Plattformen, auf denen man sich vollkommen frei ausdrücken kann. Die bulgarische Frog News-Affäre steht in direktem Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Geheimdokuments auf der Webseite Opasnite [die zur gleichen Pressegruppe gehört]. Internet ist in Europa und auf dem Balkan eines der offensten Kommunikationsmittel. Kein einziges europäisches Land kontrolliert den Informationsfluss im Netz. Es gibt punktuelle Probleme, die jedoch nicht mit der Situation in China, Burma, im Vietnam oder in Saudi Arabien vergleichbar sind. Unter dem Vorwand der terroristischen Bedrohung fangen die EU-Regierungen allerdings damit an, ein ganzes Arsenal um elektronische Medien aufzubauen. Diese Tendenz beschäftigt uns sehr. Denn sie könnte sich rapide in eine permanente Kontrolle der Medien verwandeln. Zurzeit sind die Journalisten gezwungen, der Polizei jede Nachforschung zu melden, die mit Terrorismus in Zusammenhang steht. Das beschränkt jedes Mal mehr den Recherchespielraum der Presse."

Index der Pressefreiheit in der EU

1. Island, Luxemburg, Norwegen

4. Estland, Finnland und Irland

7. Belgien, Slowakei, Schweiz, Lettland und Schweden

14. Österreich und Dänemark

16. Litauen, Niederlande, Portugal und Tschechien

20. Deutschland

23. Ungarn und Großbritannien

30. Slowenien

31. Zypern und Griechenland

35. Frankreich

36. Spanien

42. Mazedonien*

44. Italien

45. Kroatien*

47. Polen und Rumänien

59. Bulgarien

87. Ukraine*

102. Türkei*

(*) Mögliche EU-Beitrittskandidaten

Translated from Reporteros Sin Fronteras: “Bulgaria nos preocupa”