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Rechte Parteien auf dem Vormarsch: Europa hat gewählt

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Von Donnerstag bis Sonntag haben die Bürger in den 27 EU-Mitgliedsstaaten ein neues Europaparlament gewählt. Die Wahlbeteiligung war relativ gering, aber die Trends sind deutlich. In vielen Ländern gewannen rechte Parteien an Stimmen, nationale Regierungen wurden abgestraft.

„Rücktritt der Regierung? Nein. Es waren europäische Wahlen!“: NRC Handelsblad, Niederlande

In den Niederlanden zog Geert Wilders' rechte Partei für die Freiheit (PVV) mit vier Mandaten erstmals ins Europa-Parlament ein. Verlierer waren die Parteien der großen Koalition, allen voran die Sozialdemokraten. Dazu schreibt das liberale NRC Handelsblad: "Das deutet darauf hin, dass es für die Ideen der PVV - gegen Europa, gegen den Islam und an die Fremdenfeindlichkeit der Bürger appellierend - eine deutliche Wählermacht gibt. Das ist eine Tatsache, mit der die anderen Parteien leben müssen. Für sie wird es schwer werden, diese Wähler zurück zu gewinnen, ohne die eigenen liberalen oder sozialen Prinzipien zu verleugnen. Zum Teil, weil der Sieg der PVV sehr groß ist, aber auch wegen der simplen Tatsache, dass die übergroße Mehrheit der niederländischen Bevölkerung, 83 Prozent, sich entschied, diese Partei nicht zu wählen. [...] Führt das Wahlergebnis nun zu dem Schluss, dass die Balkenende-Regierung abtreten muss, wozu die Parteiführer der PVV und der rechts-liberalen VVD bereits aufgerufen haben? Die Antwort ist: Nein. Es waren europäische Wahlen."

(Artikel vom 08.06.2009)

„Man kann das Volk auch ohne Euro-Herren begeistern“ - Turun Sanomat, Finnland

Die rechten Grundfinnen legten bei den Europawahlen um mehr als neun Prozent gegenüber 2004 zu. Ihr Vorsitzender Timo Soini bekam mehr als 130.000 Stimmen. Das sei nicht überraschend, schreibt die Tageszeitung Turun Sanomat: "Die Grundfinnen haben bei den finnischen Europawahlen den erwarteten Sieg davongetragen. Wie die Meinungsforscher vorausgesagt haben, öffnen sich die Türen des Europaparlaments für den europakritischen Vorsitzenden Timo Soini. Auch wenn das eine historische Leistung darstellt, ist ihre praktische Bedeutung eine Kuriosität. Soini, der die besten Traditionen des Vennamo-Populismus [nach dem populistischen Politiker Veikko Vennamo] fortsetzt, zeigte mit seiner Kampagne, dass man das vergessene Volk begeistern kann, auch wenn man keine Euro-Herren stellt, sondern nur Rhetorik betreibt. Die Stimmenlawine für Soini wurde nicht einmal dadurch verhindert, dass er vorhatte, sich nur mal kurz im Europarlament zu drehen und bei den nächsten Parlamentswahlen zur heimatlichen Politik zurückzukehren."

(Artikel vom 08.06.2009)

„Es reicht in diesem Land, das Vertrauen von [dem Herausgeber der Kronen Zeitung] Hans Dichand zu genießen“ - Der Standard, Österreich

Zu den Gewinnen der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und dem Erfolg des unabhängigen EU-Gegners Hans-Peter Martin schreibt Der Standard: "Mehr als ein Drittel votierten bei der EU-Wahl in Österreich für populistische Parteien und Spitzenkandidaten. Die FPÖ hat ihren Stimmenanteil zwar verdoppelt, aber die Umfrageergebnisse nicht erreicht. Martin schaffte es dank vielseitiger Unterstützung der Kronen Zeitung locker, den dritten Platz zu verteidigen. Wofür er steht, was sein politisches Programm ist, wer Listenzweiter ist, werden viele nicht wissen, die ihm die Stimme gegeben haben. Es reicht offenkundig in diesem Land, das Vertrauen von [dem Herausgeber der Kronen Zeitung] Hans Dichand zu genießen, gegen die EU zu wettern und mit der Glühbirne in der Hand auf Stimmenfang zu gehen. […] Die Wahlbeteiligung ist nicht wie prognostiziert abgestürzt. Das lag nicht zuletzt an den wahlberechtigten EU-Ausländern und eingebürgerten Österreichern, die die Stimmabgabe als ein Recht verstanden haben, das nicht selbstverständlich ist."

(Artikel vom 08.06.2009)

„Leute wählen diejenigen, die auffallen“ - Gazeta Wyborcza, Polen

Die so genannten traditionellen Parteien [der Mitte] finden es zunehmend schwierig, die Bürger zu erreichen und entfernen sich von den Menschen.

Die liberale Gazeta Wyborcza hält den Einzug von Euroskeptikern und Extremisten ins EU-Parlament noch nicht für allzu bedrohlich: "Im neuen europäischen Parlament werden extremistische Gruppen und Politiker vertreten sein, die während der Wahlkampagne populistische und oft anti-europäische Losungen verwendet haben. Die so genannten traditionellen Parteien [der Mitte] finden es zunehmend schwierig, die Bürger zu erreichen und entfernen sich von den Menschen. Zudem ähneln sich die Programme der europäischen Sozialisten und Christdemokraten, so dass einfache Leute nicht imstande sind, ihre Unterschiede zu erkennen. Deswegen wählen immer mehr Leute diejenigen, die auffallen. Denn sie haben klare Aussagen, verwenden eine populistische Sprache und erreichen mit ihren Botschaften die Massen. [...] Die extremistischen Parteien sind keine Neuheit im Europäischen Parlament - es gab sie dort auch schon in den vorherigen Legislaturperioden. [...] Eine richtige Bedrohung entsteht aber erst dann, wenn die traditionellen Parteien anfangen, ihre Programme den anti-europäischen Trends anzupassen."

(Artikel im 08.06.2009)

„Ohrfeige, die Ungarn von Hunderttausenden Wählern verpasst wurde, ist riesig“ - Népszava, Ungarn

Die linke Tageszeitung Népszava kommentiert das überraschende Wahlergebnis der rechtsradikalen ungarischen Partei Jobbik, die drei Mandate im Europaparlament gewann: "Der dramatische Vorstoß der radikalen Rechten müsste jeden Demokraten in Ungarn ins Mark treffen. Die knapp 15 Prozent Wählerstimmen, die Jobbik bei den Europawahlen auf sich vereinen konnte [bei einer Wahlbeteiligung um 36 Prozent], sind ein Menetekel für all jene, die sich ein Ungarn wünschen, in dem Demokratie und Menschenrechte das Fundament bilden. [...] Die der Demokratie verpflichteten Menschen müssen nun dringend darüber nachdenken, was in Ungarn in den vergangenen Jahren so schrecklich falsch gelaufen ist. [...] Die Ohrfeige, die Ungarn von Hunderttausenden Wählern verpasst wurde, ist riesig. Wir können nur hoffen, dass sie diejenigen, die sich als Demokraten begreifen, aufrüttelt. Wenn nicht, dann haben wir ein riesengroßes Problem: einen sich rasant ausbreitenden Rassismus, Selbstjustiz und die Tendenz hin zu einem Polizeistaat."

(Artikel vom 08.06.2009)

„Rassistischen Delirien verbinden sich mit einer tiefen Feindseligkeit gegenüber dem europäischen Projekt“ - La Repubblica, Italien

Die linksliberale Tageszeitung La Repubblica kommentiert die Verwandlung des politischen Panoramas in Europa: "Der gemäßigten Rechten gelingt es paradoxerweise an zwei Fronten zu gewinnen: dort wo sie an der Regierung ist, wie in Frankreich, Italien und Deutschland, siegt die Botschaft der ruhigen Kraft, die in der Lage ist, die Ängste der Wähler aufzufangen. Dort, wo sie in der Opposition ist, wie in Spanien oder in Großbritannien, fing sie die Proteststimmen derer, die den Regierungskräften die Wirtschaftskrise anlasten. […] Der Erfolg der Rechtsextremisten und Europagegner in Holland, Großbritannien [und] Österreich [...] ist die andere Seite. Hier verwandelt sich die Angst vor sozialen Umwälzungen [...] in Wut, Feindseligkeit und verzweifelte Forderung nach einer moralischen und ethnischen 'Ordnung'. Und es sollte zum Nachdenken anregen wie sich diese Art von ausländerfeindlichen und rassistischen Delirien regelmäßig mit einer tiefen Feindseligkeit gegenüber dem europäischen Projekt verbinden, das in vielen Fällen der einzig wirkungsvolle Schutz gegen das ultra-nationalistische und antidemokratische Abdriften ist."

(Artikel vom 08.06.2009)

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