Participate Translate Blank profile picture
Image for Post-Bush-Syndrom in Europa

Post-Bush-Syndrom in Europa

Published on

Translation by:

Default profile picture Hartmut Greiser

Kultur

Europa sieht mit angehaltenem Atem zu, wie Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten am 20. Januar in sein Amt eingeführt wird. Ist Europas Vertrauen in die Vereinigten Staaten nach acht Jahren stetiger Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen nachhaltig erschüttert?

Nach einem tristen 2008 scheinen sich die New Yorker, die mit ihren Last-Minute Vorbereitungen über ©DKden Union Square eilen, auf mehr als ein lustiges Silvester zu freuen; sie hoffen dringend auf ein neues Jahr mit besseren Aussichten. Auf den Bürgersteigen steht Tisch an Tisch mit Barack Obama Souvenirs, T-Shirts, Baseball-Kappen bis hin zu Kaffeebechern in Übergröße. „ Das Geschäft läuft gut“ sagt ein Verkäufer. „Die Leute sind wirklich aufgeregt.“ Das gilt auch für die andere Seite des Atlantiks. Nach einer PIPA-Umfrage vom September 2008 (Program on International Policy Attitudes) wird Obama gegenüber dem republikanischen Kandidaten John McCain mit einer Quote von vier zu eins allgemein der Vorzug gegeben. Wollen Europäer immer noch so enge Beziehungen wie sie einmal waren?

Außenpolitik, Wirtschaftsstrukturen und umweltbezogene Aktionen: In einer Welt mit einer einzigen Supermacht, wie sie sich zu Beginn des neuen Millenniums zeigt, hatte Europa ohne Zugeständnisse aus Amerika zwar keinerlei Einfluss, behielt am Ende aber doch recht. Aber ein selbstgefälliges „Ich habe es ja gesagt“ ist nur ein schwacher Trost, wenn der Schaden bereits angerichtet ist.

2003: Krieg und Frieden

©Jaume d'Urgell/flickrNehmen Sie die Außenpolitik. Auf denkwürdige Weise durch den vorigen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als „das alte Europa“ abgetan, weigerten sich Deutschland und Frankreich 2003, die Irak-Invasion zu unterstützen und warnten vor ihren potenziell fatalen Folgen. Das Vereinigte Königreich beteiligte sich an der Invasion, aber der Krieg war bei den Briten zutiefst unpopulär. Der ehemalige Premierminister Tony Blair handelte sich durch die Teilnahme den Spitznamen „Bushs Pudel“ ein. Für viele hatte er keine andere Wahl, als der - von den USA geplanten - Invasion wegen der sogenannten „besonderen Beziehungen“ (manche nennen es auch „das 51. Staatsabkommen“) zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich zuzustimmen.

Europa hat sich mit kleinen Armee-Kontingenten am Irakkrieg beteiligt. Für viele war dies die Wahrheit hinter der Allianz zwischen EU und den Vereinigten Staaten: anstatt gleichberechtigte Partner zu sein, bestimmen die Vereinigten Staaten, wo es langgeht, und von Europa wurde Gehorsam erwartet. Schließlich wurde „das alte Europa“ rehabilitiert, weil keine Massenvernichtungswaffen - der Grund für den Angriff - gefunden wurden und weil das befürchtete Chaos tatsächlich ausbrach.

Untätigkeit bei Umweltthemen

Als Bush 2001 sein Amt antrat sprach er von der Erderwärmung nicht als wissenschaftlicher Tatsache, er war der Meinung, dass es sich eher um eine Theorie handele. Seine Regierung verweigerte die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls. Entwicklungsländer nannten diesen Vorfall als Begründung dafür, weshalb sie die Umweltvereinbarung der UN auch nicht unterschreiben könnten. Die Europäer machten sich immer größere Sorgen wegen der Klimaveränderung, mussten aber einsehen, dass sie ohne die Hilfe der USA wenig ausrichten konnten. 

Die EU-Institutionen waren noch nicht soweit, eine einheitliche Umweltpolitik innerhalb Europas auch nur koordinieren zu können. Schließlich waren die US-Republikaner im Großen und Ganzen bereit, zuzugeben, dass es so etwas wie eine Erderwärmung tatsächlich gibt. Die Klimaveränderung wurde während der Präsidentenkampagne 2008 zum großen Thema, als beide Seiten ihre Existenz anerkannten. Aber nach acht Jahren der Untätigkeit läuft die Zeit davon. Europa war schon vor acht Jahren bereit, etwas zu tun, konnte es aber ohne die Vereinigten Staaten nicht.

Der Misserfolg „Freier Markt“

©freemarketmyass/flickrDie Vereinigten Staaten bevorzugen einen kompromisslosen freien Markt, während das kontinentale Europa seine Märkte lieber reguliert. Das Vereinigte Königreich neigt eher zu Lösungen, die zwischen beiden Extremen liegen. Jahrzehntelang existierten diese zwei sehr verschiedenen Systeme friedlich nebeneinander. In der globalisierten Welt von heute haben sie sich jedoch auf verwirrende Weise ineinander verwoben, wie die aktuelle Wirtschaftskrise gezeigt hat. Die Krise ist größtenteils eine Folge der stetigen Deregulierung der US-Finanzmärkte im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte. Besonders unter Bush wurden die Zuständigkeiten von Aufsichtsbehörden beschnitten und unwirksam. Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse. Die Kapitalanleger wurden gierig, und es gab niemanden, der sie aufhielt.

Leider breiteten sich die wirtschaftlichen Probleme in Amerika - in einem Wirtschaftssystem mit den Vereinigten Staaten an zentraler Stelle - schnell über den gesamten Globus aus, auch wenn die Finanzmärkte in Europa geschützt wurden. Angesichts der Tatsache, dass Europa jetzt unter einem Problem leidet, dessen Ursprung fast völlig in den Vereinigten Staaten liegt, feiern viele Europäer die Entwicklungen des letzten Jahres als den Tod des angelsächsischen Kapitalismus des freien Markts.

Während Frankreichs EU-Präsidentschaft 2008 äußerte sich Präsident Nicolas Sarkozy zu diesem Punkt ganz unverblümt. In einer Rede in Toulon in Frankreichs Süden startete er im September 2008 eine verbale Attacke auf das US-geführte System und meinte, dass die extreme Deregulierung des freien Marktes „ein Unfug war, dessen Preis heute bezahlt wird“. Um seine Zukunft zu schützen, müsse Europa die Initiative bei der Neuordnung internationaler Bankregeln für ein unreguliertes System übernehmen, das „am Ende“ sei.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew drückte es deutlicher aus, als er anmerkte, dass der Mythos der amerikanischen wirtschaftlichen Überlegenheit in Scherben liege und dass das Zeitalter seiner Führungsrolle in der Weltwirtschaft beendet sei. Letzten Endes hat Europa wieder Recht bekommen. „Ich habe es ja gesagt“ - klingt mitten in einer Rezession allerdings merkwürdig.

Es wäre naiv, anzunehmen, die Beziehungen zwischen Europa und Amerika könnten wieder auf den Stand von 2000 zurückgeführt werden. Die Europäer mögen Obama, die Bush-Präsidentschaft hat sie allerdings auf eine harte Probe gestellt. Immerhin haben die Amerikaner Bush zweimal gewählt. Wer weiß, ob sie in vier Jahren nicht wieder einen wie ihn wählen? Vielleicht hat Bush die Europäer nur wachgerüttelt und sie erkennen lassen, dass Europa unter einer US-Hegemonie nicht mehr produktiv sein kann und den Launen amerikanischer Wähler auf der anderen Seite des Ozean unterworfen ist. Wie der scheidende Präsident sagen würde - „Halten Sie mich einmal zum Narren, dann sollte ich mich schämen, machen Sie es ein zweites Mal…“ also - das werden wir nicht zulassen.

Translated from Post-Bush syndrome in Europe