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Polen im Focus: Wenig Europa, noch weniger Wähler

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Politik

Im polnischen Wahlkampf geht es kaum um europäische Themen. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur in Polen, sondern auch in ganz Europa beobachten. Untypisch ist jedoch, dass zwischen den beiden wichtigsten Parteien auch hinsichtlich der Landespolitik keine echte politische Debatte stattfindet.

Die Regierungspartei PO (Platforma Obywatelska - Bürgerplattform) und die wichtigste Oppositionspartei PiS (Prawo i Sprawiedliwość - Recht und Gerechtigkeit) konzentrieren ihren Wahlkampf ausschließlich auf diejenigen Politiker, die ihrer Meinung nach den höchsten Wahlgewinn sichern können.

Interessanterweise ist es ausgerechnet die rechtsextreme Partei LPR (Liga Polskich Rodzin - Liga Polnischer Familien), die ihren Wahlkampfschwerpunkt auf europäische Themen legt. Sie unterstützt die von Declan Ganley gegründete europäische Partei Libertas und lehnt den Vertrag von Lissabon ab. Obwohl es Ganley nicht wie in Irland gelang, ein Nein zum Vertrag von Lissabon zu erreichen, könnte er in Polen erfolgreicher sein als in jedem anderen Mitgliedsstaat. Diese „Europäisierung“ der europaskeptischen Kräfte in Polen ist jedoch hauptsächlich ein Resultat des geringen Rückhalts im Land; viele Wähler sind zur PiS abgewandert. Außerdem hat das außerordentlich schwache Wahlergebnis bei den letzten Parlamentswahlen zu einer beachtlichen Verminderung der Parteifinanzierungsmittel geführt. Ähnlich wie im Jahr 2004 sollen die Europawahlen nun dazu dienen, die Rechtsextremen wieder zu politischem Leben zu erwecken.

Der PiS kann das nur schaden. Der Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński hatte gehofft, die Stimmen konservativer und europaskeptischer Wähler für sich gewinnen zu können. Die PiS sollte als einzige Alternative zur liberalen und pro-europäischen PO dargestellt werden, der Kaczyński vorwirft, unrealistisch und naiv zu sein und einen entfesselten Liberalismus zu vertreten. Durch die von Ganley finanzierte Libertas wird Kaczyńskis Albtraum von einem Konkurrent aus dem rechtsextremen Flügel wahr. Die PO kann von einer geschwächten PiS nur profitieren, sie hofft auf 40-50 Prozent der Stimmen. Ein Wahlsieg würde die polnische Delegation in der EVP-ED (Fraktion der Europäischen Volkspartei und europäischer Demokraten) vergrößern, die wahrscheinlich auch innerhalb der nächsten Wahlperiode die stärkste politische Gruppe im Europaparlament bilden wird. Auf diese wichtigste Fraktion im Europäischen Parlament könnte auch mehr Einfluss ausgeübt werden, wenn die Zahl der Abgeordneten der polnischen Konservativen steigt.

2004 lag die Wahlbeteiligung in Polen bei nur 20,8 Prozent - die zweitniedrigste in den damals 25 EU-Mitgliedsstaaten.

Das Problem scheint jedoch nicht so sehr die Stimmverteilung zu sein als vielmehr die geringe Wahlbeteiligung. Sie lag bereits 2004 bei nur 20,8 Prozent und war damit die zweitniedrigste Wahlbeteiligung in den damals 25 EU-Mitgliedsstaaten. Im März und im April dieses Jahres ergaben Umfragen, dass 30 Prozent der Polen vorhaben, ihre Stimme abzugeben. Im Jahr 2004 waren es eine Woche vor den Wahlen noch 45 Prozent. Wenn eine ähnliche Entwicklung wie damals stattfindet, werden in diesem Jahr also weniger als 15 Prozent der polnischen Stimmberechtigten zur Wahl gehen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass die Polen laut Meinungsumfragen zu den stärksten Befürwortern der europäischen Integration gehören. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären? Wie so oft findet sich der Grund nicht in der Europapolitik, sondern in der Landespolitik. Die Polen wissen genau, welche parteipolitischen Spiele gespielt werden, und lehnen es ab, dabei mitzumachen. Vielleicht liegt ihnen auch zu viel an der Europäischen Union und sie wollen keine inkompetenten Politiker entsenden, denen sie nicht vertrauen. Eine gute Neuigkeit gibt es jedoch: Diejenigen, die ihre Stimme abgeben wollen, unterstützen die europäische Integration. 50 Prozent der pro-europäischen und nur 25 Prozent der europaskeptischen Wahlberechtigten haben vor, an der Wahl teilzunehmen.

©l'Europe en DébatDer Blog "L’Europe en débat" ("Europa debattiert"), Resultat einer Partnerschaft zwischen ARTE und dem College of Europe, debattiert europäische Themen in den Sprachen Französisch und Englisch. Das Team, das sich aus den Studenten, Assistenten und Professoren des College zusammensetzt, beschäftigt sich in seinen Analysen bevorzugt mit Vergleichen, multinationalen Perspektiven und dem dafür nötigen Abstand. Die Blogger möchten Sie dazu einladen, mit persönlichen Kommentaren an dieser kollektiven Arbeit teilzunehmen. Damit versucht das Team in einer Debatte rund um die gemeinsamen Interessen der EU-Bürger die vornehmlich nationalen Interessen hinter sich zu lassen und zur Bildung einer europäischen Meinung beizutragen.

Translated from The Europe-shaped hole in the Polish campaign for June elections