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Pegida: Warum gerade Dresden? (Teil 3)

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Gesellschaft

Pegida hält  nicht nur die Stadt in Sachsen in Atem: Beobachtungen zu Staat, Zivilgesellschaft und politischer Kultur in Dresden.

Wie geht es weiter?

Der Mehltau, der über Jahre, Jahrzehnte über Sachsen, und vor allem Dresden lag, beginnt sich allmählich zu lüften. Es macht Hoffnung, dass es PEGIDA kaum gelingt, unter den ganz jungen Leuten Zulauf zu finden, was sonst typisch ist für „erfolgreiche“ soziale Bewegungen. Umgekehrt wird gerade das Netzwerk „Dresden für Alle“ überwiegend von sehr jungen und engagierten Menschen getragen. Die öffentliche Zuspitzung erinnert nicht zuletzt junge Leute daran, dass liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, religiöse Toleranz, Geltung von Grundrechten, freie Presse und offene Grenzen keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern erkämpft, erstritten werden müssen und dass Anfechtungen des Totalitären aktiv abgewehrt werden müssen.

An vielen Orten Sachsens haben sich Kristallisationspunkte neuer Zivilgesellschaft herausgebildet, die sich zwar oftmals in der Abwehr von Neonazis oder Schulschließungen bildeten, aber längst kreativ und konstruktiv das Leben ihrer Gemeinden begleiten und damit auch in Klein- und Mittelstädten eine Perspektive fortentwickeln. 

Es kann und wird also nicht weiter bei der Staatsfixierung bleiben. Die Zivilgesellschaft in Städten und Gemeinden hat an Selbstbewusstsein gewonnen. Die regionale Öffentlichkeit durchmischt sich immer mehr mit den nationalen und internationalen Öffentlichkeiten: Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft sind Sphären in Dresden, die längst das Provinzielle überwunden haben, die aber in einer Weise immer noch unter einer Art Käseglocke lebten und jetzt erst ihr Selbstbewusstsein erkennen müssen.

Die sächsische Staatspartei CDU steht nun vor dem Dilemma, entweder an einer Staatsfixierung festzuhalten, die sowohl von der nach der Wende importierten konservativen Verwaltungsführung als auch von den nach wie vor dominierenden „Blockflöten“ geprägt wurde. Das sind Politiker wie Ministerpräsident Tillich und Fraktionschef Kupfer, die bereits zu DDR-Zeiten der Block-CDU angehörten und dort kleine, eher unbedeutende Ämter im Partei- oder Staatsapparat innehatten. Diese Staatsfixierung hat es der CDU in den vergangenen Jahrzehnten ermöglicht, in einer Art Klientelsystem Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Sport, Kommunen halbwegs unauffällig in Abhängigkeit von sich zu halten – damit konnte die Staatsregierung für eine gewisse Zeit Stabilität und die unsichtbare Kontrolle über weite Gesellschaftsbereiche behalten. 

Im Stile der DDR

Diese Art der Staatsfixierung hat sich auch in den Umständen der Großdemonstration am 10. Januar gezeigt, mit der ein Zeichen für Weltoffenheit gesetzt werden sollte: Die Zivilgesellschaft wurde in die Organisation der Veranstaltung gar nicht, als Redner nur sehr widerstrebend eingebunden. Im Stile der DDR wurden Verbände („Massenorganisationen“) und gesellschaftliche Institutionen kurzfristig zur Mitwirkung verpflichtet. Dass die allermeisten Gruppen längst weiter waren, besonders Hochschulen, Kulturschaffende und Kirchen bereits Wochen zuvor längst demonstrierten, schien den Staatslenkern noch nicht aufgefallen zu sein.  Mit „Initiativen“ gerade in der Flüchtlingshilfe oder „Netzwerken“ und „Bündnissen“ (vor allem das beim Widerstand gegen die alljährlichen Neonazidemonstrationen am 13. Februar sehr erfolgreiche Bündnis „Dresden Nazifrei“) tat und tut sich die sächsische Staats- und Parteiführung (man verzeihe diese Wortwahl – sie ist aber in gewisser Hinsicht treffend) besonders schwer.

Einladungen zu zivilgesellschaftlichen Netzwerk- oder Bündnistreffen folgt eine Staatspartei aus Prinzip nicht. Die andere – und wie ich meine einzig erfolgversprechende – Alternative ist eine Fortentwicklung der Union weg von der Staats- zu einer Bürgerpartei. Dies erfordert von den Politikern einiges an Umdenken, Kreativität und Aufwand, könnte die Partei aber vor einem Absturz nach einem irgendwann bevorstehenden Wechsel in die Opposition schützen. Umgekehrt ist aber auch ein Umdenken bei den anderen Akteuren in Sachsen notwendig.

War es notwendig, auf eine Initiative der Staatsregierung zu warten, um eine wirkliche Großdemonstration auf die Beine zu stellen? Gab es nicht – und dies sage ich auch selbstkritisch – genügend selbstbewusste und erfahrene Akteure in der Stadt, um eine solche Veranstaltung auch ohne (keineswegs gegen) die Staatsregierung auf den Weg zu bringen? Das ist genau die Bräsigkeit, die man nach einer schon vor Jahren von einer Bürgerinitiative mit Unterstützung von SPD, Grünen, PDS und FDP gegen die Staatspartei gewonnenen Oberbürgermeister-Wahl und vor allem nach bürgerschaftlich bewältigter Fluthilfe eigentlich überwunden glaubte. Dazu gehören nun die Übernahme von Verantwortung in Städten und Gemeinden, und die gewaltige Herausforderung, sich auch auf Landesebene als glaubwürdige Alternative zu präsentieren.

Dieser Artikel wurde dank einer Creative-Commons-Lizenz von Dietrich Herrmann / Heinrich-Böll-Stiftung übernommen.

Hier Teil 1 und Teil 2 der Serie PEGIDA - Warum gerade Dresden? lesen.