Participate Translate Blank profile picture
Image for Österreichs Jugend: Lieber Ziegelstein als HC Strache und Rosenkranz

Österreichs Jugend: Lieber Ziegelstein als HC Strache und Rosenkranz

Published on

Politik

Zu den Präsidentschaftswahlen am 25. April in Österreich konnte die umstrittene Kandidatin Barbara Rosenkranz der rechtspopulistischen Partei FPÖ gerade einmal 15,6% der Wählerstimmen einfahren. Im Netz bilden sich Protestgruppen, wie beispielsweise "Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als H.C. Strache?" Wenden sich junge Menschen langsam vom Rechtspopulismus ab?

In Österreich schockieren Rechtspopulisten schon längst nicht mehr. Früher Teil der Regierung, bleibt Rechtsaußen bis heute einer der Favoriten unter den Wahlberechtigten - insbesondere unter jungen Österreichern. Anlässlich der vorgezogenen Parlamentswahlen 2008 konnten die rechtspopulistischen Parteien FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) und BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) insgesamt 30% der Stimmen auf sich verbuchen und ihre Wählerstimmen damit fast verdoppeln. Ein Ergebnis, das sie hofften auch im Rahmen der Präsidentschaftswahlen im April 2010 untermauern zu können. 

Qual der Wahl

Eine Demonstration gegen die FPÖ-Kandidatin fand am 9. April 2010 statt. Die Präsidentschaftswahl vom 25. April 2010 fiel jedoch unerwartet aus. Nur drei Kandidaten hatten sich zur Wahl gestellt. Hinzu kam eine rekordverdächtige Enthaltungsquote: Gerade einmal 53,6% der Stimmberechtigten Österreichs hatten sich vor wenigen Wochen an die Urnen bewegt. 79,3% von ihnen gaben ihre Stimme dem „altbewährten“ Präsidenten Heinz Fischer, dem Kandidaten der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs). Die dritte (neben FPÖ und SPÖ), durch Rudolph Gehring repräsentierte Partei, Die Christen, erhielt 5,4% der Stimmen. Die ÖVP (Österreichische Volkspartei), neben der SPÖ die zweite große Volkspartei Österreichs, hatte keinen Kandidaten zur Wahl gestellt.

Die Tatsache, dass eine der großen Parteien sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, einen Kandidaten aufzustellen - entweder weil das Amt des österreichischen Präsidenten nicht wirklich repräsentativ ist oder weil das Resultat vorhersehbar war - könnte ein Grund für die passive Haltung des Stimmvolks sein. Politikanalyst Thomas Hofer schätzt das passive Veralten der österreichischen Wähler aber als Folge der zur Auswahl gestellten Kandidaten ein. Die gewöhnliche Wählerschaft der ÖVP habe die Qual der Wahl zwischen dem „Sozialisten“ Fischer, der „Extremistin“ Rosenkranz und dem „Fundamentalisten“ Gehring gehabt - da enthielten sie sich lieber ihrer Stimme. 

Barbara Rosenkranz, zu weit rechtsaußen für die FPÖ

Der Vorsitzende der FPÖ flirtet mit jungen WählernPolitikexperte Hofer zweifelt nicht daran, dass der Fehlschlag der FPÖ zu den Präsidentschaftswahlen mit der Wahl ihrer Kandidatin Barbara Rosenkranz zusammenhing. Zu nah stehe sie der populistischen Linie des Bundesparteiobmanns der FPÖ, Heinz-Christian Strache, der sich gern selbst als HC Strache bezeichnet. Zu radikal, lautet das Urteil! Die 51-jährige Barbara Rosenkranz kritisierte in ihrer Kampagne beispielsweise das so genannte Verbotsgesetz, das die Holocaust-Leugnung beziehungsweise die Gründung einer Neo-Nazi-Organisation unter Strafe stellt. In einem Interview mit dem ORF, in dem Rosenkranz zur Existenz von Gaskammern im Dritten Reich befragt wurde, drückte sie sich um eine Antwort und erwiderte, dass sie nur das Wissen eines Österreichers habe, der zwischen 1964 und 1976 hier zur SChule gegangen sei. Rosenkranz' Einstellung, die selbst für die Rechtspopulisten zu radikal war, hat sie ihre wichtigste mediale Unterstützung gekostet, die der in Österreich meistgelesenen Boulevard-Zeitung, Die Krone.

Währenddessen setzt die FPÖ besonders auf die Unterstützung junger Menschen - eine einflussreiche Gruppe unter ihren Anhängern. Die größte Wählergruppe der FPÖ ist zwischen 16 und 25 Jahren alt. Seit 2008 kann man in Österreich bereits mit 16 an die Urne gehen. FPÖ-Frontmann Strache ist in der Lage sich mit der Jugend zu identifizieren, indem er sich zu ihnen gesellt, ihre Sprache und ihr Aussehen übernimmt. Rosenkranz jedoch ist Galaxien von der Welt junger Österreicher entfernt.

Strache lenkte die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Tatsache, dass seine Rechtspopulisten 2008 genau dann 30% der Stimmen erlangten, als zum ersten Mal auch junge Wähler ab 16 Jahren abstimmen konnten. Reinhold Gärtner, Doktor für Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck, betrachtet Strache, der den Erfolg seiner Partei auf die Jungen zurückführt, diesbezüglich als Lügner. Denn „1999 war es den Jungen unter 18 Jahren noch nicht erlaubt zu wählen, und die FPÖ erreichte schon damals 26,9% der Stimmen.“

« Niemals auf die Seite der FPÖ »

Gerade die jungen Österreicher waren es, die am 30. April 2010 auf die Straße gingen, um gegen Strache, die FPÖ und den österreichischen Rechtspopulismus im Allgemeinen zu demonstrieren. Sie haben sich versammelt, um auf ihre Anträge aufmerksam zu machen und um das vermeintliche Engagement der Jungen für die Rechtsextreme zu dementieren. Diese jungen Demonstranten sind durch die Wiener Straßen gezogen, um lauthals zu schreien: „Niemals auf der Seite der FPÖ!“ Viele unter ihnen waren überzeugt davon, dass die erreichten 15% von Rosenkranz 15% zu viel waren.

Tobias Boos, Politologiestudent an der Universität Wien, hat die Strategie der FPÖ genau erfasst. Laut ihm profitiert die Partei von der Perspektivlosigkeit einiger frustrierter Jugendlicher, die trotz Studium in eine prekäre Zukunft blicken: „Die FPÖ profitiert zudem vom versagen der Großen, SPÖ und ÖVP, auf diese Probleme eine klare Antwort zu liefern.“ Einige Soziologen analysieren das Phänomen auch, indem sie behaupten, dass viele junge Österreicher ihr Land nicht als ihre wahre Heimat ansehen und dass sie glauben diesen Mangel als Anhänger extremistischer Parteien rückgängig machen könnten: „Die Jungen fühlen sich in den rechtsextremen Parteien akzeptiert, integriert und haben das Gefühl, alle ein und derselben Bewegung anzugehören“, bekundet der Innsbrucker Politologe Reinhold Gärtner.

Keine linke Alternative

Vor der Universität in WienHinzu komme, so Gärtner, die Theorie derer, die glauben, dass Österreich „das erste Opfer Hitlers“ gewesen sei - ohne dabei die aktive und erwiesene Rolle Österreichs im Völkermord zu berücksichtigen: „Lange Zeit berief man sich in Österreich nur auf den ersten Teil der Moskauer Deklaration von 1943, in der die Nation als Opfer dargestellt wird. Der zweite Teil, in dem die Kollaboration erwähnt wird, wird oft außer Acht gelassen“, präzisiert Professor Gärtner. Österreich habe seine Probleme mit der Aufarbeitung der Geschichte.

„Wie konnte es soweit kommen, dass eine rechtsradikale Kandidatin wie Barbara Rosenkranz mit dem amtierenden Präsidenten rivalisieren konnte? In Deutschland wären ihre Kandidatur und selbst die 15% der erreichten Stimmen absolut undenkbar“, meint Georg Spitaler, Professor in Politikwissenschaften an der Universität Wien. Tobias Boos sieht auch im geringen Parteienspektrum seines Landes ein Problem: „In Österreich gibt es keine linke Alternative außer der SPÖ. In Deutschland findet man beispielsweise Die Linke, die trotz der Kritik an ihrer 'sozialistischen' Vergangenheit neben der SPD eine Alternative im linken Lager bietet.“

Fotos: Rosenkranz-Sticker: ©sugarmelon.com/flickr; Strache: ©gerhard.loub/flickr; Demonstration: ©daniel-weber/flickr

Translated from La extrema derecha en Austria, ¿una respuesta a la falta de alternativas?