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Öl-Poker am Kaspischen Meer

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Default profile picture carsten beller

Im Kaukasus liegen enorme Erdölvorkommen. Die USA wollen das schwarze Gold nun heben. Bald könnte sich die Region zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer grundlegend verändern.

Schon bald könnten Bohrtürme wie Pilze aus dem kaukasischen Boden schießen und den Bau von Pipelines bis zum Mittelmeer nach sich ziehen. Allein die Vorkommen in Usbekistan, Turkmenistan, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan decken 30% des weltweiten Erdöl- und Erdgasbedarfs. Ein immenser Reichtum, der nur einen Schönheitsfehler hat: seine grosse Entfernung zu den Weltmärkten. Vor dem Hintergrund der aktuellen „Ölkrise“ gewinnt das Kaukasusöl jedoch an Einfluss auf die Dynamik des Weltmarktes – und bringt die Weltpolitik, wie sie sich in den letzten 30 Jahren etabliert hat, gehörig durcheinander.

Der lange Arm der USA

Klar ist: Wem es gelingt, sich Förderung und Transport der fossilen Brennstoffe aus den asiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu sichern, wird enorm an politischem Einfluss gewinnen. Nur ein kluger und weitsichtiger Umgang mit alternativen Energien könnte daran etwas ändern.

Seit dem 11. September ist die Partie eröffnet, und die Amerikaner führen klar. Direkt nach dem Hurrikan „Katrina“ wurden die Beziehungen zwischen den USA und dem Nahen Osten intensiviert. Und nun sind die USA im internationalen Poker um die Sicherung des Erdöls im Kaukasus angelangt. Ihr Projekt dort ist nur eines von vielen. Aber für Europa ist es gerade in strategischer Hinsicht heikel, aber auch entscheidend. Das Projekt heißt AMBO. Hinter diesen Buchstaben verbirgt sich Albanisches, Mazedonisches und Bulgarisches Öl und eine 890 km lange Pipeline. Sie soll in Burgas beginnen, durch Bulgarien und Mazedonien führen, wo die die NATO mit etwa 450 Einheiten vertreten ist. In Vlore in Albanien soll sie ihr Ziel erreichen. Das Öl wird auf US-amerikanische Tanker verladen. Diese bringen es über Rotterdam nach New York und New Jersey.

750 000 Barrel täglich

Das Projekt ist ehrgeizig, teuer und hat mit der schwierigen politischen Situation auf dem Balkan und im Kaukasus zu kämpfen. Infolge der jüngsten Naturkatastrophen in den USA und dem schwachen Dollar wird es dennoch forciert. Das AMBO-Konsortium hat seinen Sitz in den USA und ist über den Halliburton-Konzern und dessen ehemaligen Vorstandschef, den amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney, indirekt mit dem politisch-militärischen Machtzentrum in Washington verbunden. Halliburton hat als Auftragnehmer über seine Tochtergesellschaft Brown & Root die US-Militärbasis Camp Bondsteel im Kosovo gebaut. Heute ist Halliburton Hauptauftragnehmer im Irak.

Auch die mächtigen amerikanischen Ölkonzerne BP-Amoco-ARCO, Chevron und Texaco zeigen großes Interesse an der Mega-Pipeline. AMBO hat bereits 900 Mio. Dollar an Investitionen von der amerikanischen Entwicklungsagentur Overseas Private Investment Corporation (OPIC), der Eximbank und der Credit Suisse First Boston erhalten. Nach Fertigstellung soll die Pipeline 750 000 Barrel Rohöl täglich liefern.

Die wohl größten Erdölreserven der Welt

In diesem „Risiko“-Spiel kommt den EU-Beitrittskandidaten für 2007, Bulgarien und Rumänien, aber auch Albanien und Mazedonien besondere geostrategische Bedeutung zu. Diese Länder liegen auf dem Transportweg des Erdöls vom Kaukasus nach Europa. Deshalb ist ihre geografische Lage am Schwarzen Meer strategisch wichtig. Dies gilt umso mehr, seit die Regierung Bush beschlossen hat, die Abhängigkeit der USA vom Öl der OPEC Staaten zu verringern und die Mindermengen unter anderem durch russisches Erdöl und die Vorkommen am Kaspischen und Schwarzen Meer zu ersetzten. Hier könnte sich die Zukunft der US-Energiepolitik entscheiden.

Im Kaspischen Becken liegen, nach Saudi-Arabien, Sibirien und vielleicht dem Iran, die wohl größten Erdölreserven der Welt. Einer Studie der kalifornischen Unocal zufolge könnten sich die Reserven am Kaspischen Meer auf über 60 Mrd. Barrel Rohöl belaufen. Einige Schätzungen gehen sogar von 200 Mrd. Barrel aus. 1995 wurden in der Region 870 000 Barrel täglich gefördert. Bis zum Jahr 2010 könnten die westlichen Konzerne die Tagesproduktion bis auf 4,5 Mio. Barrel erhöhen: eine Verfünffachung in 15 Jahren. Verglichen mit der uneingeschränkten Erdölsupermacht Saudi-Arabien handelt es sich um eine geringere Menge. Diese verfügt über etwa 260 Mrd. Barrel und damit doppelt so viel wie der Iran mit 133 Mrd (1). Bei Chevron, dem zweitgrößten amerikanischen Ölkonzern, weiß man, dass die „Zeit der einfachen Ölgewinnung vorbei“ ist. Die amerikanischen Ölkonzerne gehen unterdessen informelle Absprachen mit Universitäten auf dem Balkan ein, um die Forschung nach neuen Förder- und Transporttechnologien in diesen Regionen zu unterstützen.

(1) Peter Maas, „The Beginning of the End of Oil“, New York Times Sunday Magazine, August 2005

Translated from L’oro nero del Caspio ridisegna le geopolitiche