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Niemals das ‚S’ Wort erwähnen

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Islam in Europa

Der designierte bayerische Integrationsbeauftragte Georg Barfuß hat den Fehler gemacht, laut über eine teilweise Übernahme der sharia nachzudenken. So harmlos das im Kern gemeint war, hat der liberale Politiker damit einen Sturm der Empörung provoziert – und musste nun zurücktreten. Freitag, 7.

November 2008

Georg Barfuß hätte wissen können, dass die Verbindung der beiden Worte ‚sharia’ und ‚Einführung’ in der Öffentlichkeit zu heftigen Reaktionen, um nicht zu sagen Reflexen, führen würde. Schließlich hatte der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, erst Anfang des Jahres eine Welle des Protests ausgelöst, als er die teilweise Übernahme des islamischen Rechtssystems vorschlug. Dass der FDP-Politiker Barfuß dennoch Ende Oktober überlegte, in Bayern die Anwendung der mit der Verfassung zu vereinbarenden Vorschriften der sharia anzuerkennen, war inhaltlich fragwürdig. Und taktisch reichlich unklug.

Einmal abgesehen davon, dass Barfuß viele verärgert hat, indem er sich äußerte, noch bevor er offiziell als Integrationsbeauftragter bestätigt worden war, war seine Wortwahl ungeschickt. Es hätte ihm klar sein müssen, dass sharia hierzulande in erster Linie für Steinigung von Ehebrechern und Handabschneiden von Dieben steht. Man kann diese Reduzierung des islamischen Rechtssystems auf die Körperstrafen bedauern, denn die sharia ist mehr als die brutalen hudud-Vorschriften, ändern kann man sie aber nicht.

Für Konservative ein rotes Tuch

Das Wort sharia daher im Zusammenhang mit der Forderung nach der Anerkennung gewisser islamischer Religionspraktiken in den Mund zu nehmen, ist kontraproduktiv. Seinen Gegnern, die Barfuß ohnehin für zu liberal halten, da er einst als Bürgermeister von Lauingen die erste Moschee im Freistaat mit Kuppel und Minarett erlaubte, hat er mit seiner sharia-Äußerung den willkommenen Vorwand geliefert, seine Ernennung zu verhindern. Am Donnerstag nun hat er den Rückzug seiner Kandidatur bekannt geben müssen.

Eigentlich war Barfuß eine gute Wahl für den in Bayern erstmals eingeführten Posten des Integrationsbeauftragten. In seinem Amt als Bürgermeister (1986-2004) hatte er sich für Integration eingesetzt, als dies in Bayern noch ein Fremdwort war. Seine Promotion mit dem Titel „Migration und Integration als kommunalpolitische Herausforderung“ konnte als programmatisch für seine Politik gelten. In der CSU hat er sich mit dem Bau der Moschee und anderen liberalen Positionen so unbeliebt gemacht, dass er 2004 zur FDP wechseln musste.

Nun ist wohl auch dort die Karriere des mittlerweile 64-Jährigen beendet. Als Lehre bleibt, dass wer Erleichterungen für Muslime erreichen will, d.h. eine Anpassung der Gesetze, um etwa Beerdigungen und Schlachtungen gemäß dem islamischen Ritus zu erlauben, dies am besten direkt anspricht – und die Erwähnung des Worts sharia tunlichst vermeidet.