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Nicht noch ein RAF-Film: Andres Veiels "Wer wenn nicht wir"

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Katha Kloss

Berlin

Neben der Zeit des Nationalsozialismus zählt die RAF, sowohl ihre Wurzeln als auch ihre Folgen, zu den beliebtesten historischen Themen im deutschen Kino.

Schon mehrere Filme haben sich des Themas angenommen und je nach Regisseur - zu den bekanntesten zählen Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Christian Petzold und Uli Edel - einen unterschiedlichen Schwerpunkt und eine spezifische filmische Umsetzung gefunden. Andres Veiel stellte mit Wer wenn nicht wir als einen der letzten Beiträge des Berlinale-Wettbewerbs nun seinen RAF-Film Wer wenn nicht wir vor.

Bisher war Veiel als Regisseur von Dokumentarfilmen – allen voran seine ebenfalls der RAF gewidmete Dokumentation Black Box BRD (2001) – sowie der filmischen Adaption seines eigenen Theaterstücks Der Kick (2006) in Erscheinung getreten. Wer wenn nicht wir ist sein erster richtiger Spielfilm und interessiert sich mehr für das Privatleben der späteren Terroristen als für den politischen Hintergrund. Basierend auf Gerd Koenens Buch Vesper, Ensslin, Baader erzählt der Film die unstete Liebesgeschichte zwischen dem Schriftsteller und Verleger Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. Dabei wird selbst in den Nebenerzählsträngen das Private mit einbezogen. Bernward kämpft etwa gegen seinen Über-Vater, der zudem noch Ex-Nazi ist, und Gudrun leidet unter ihrem psychisch kranken Bruder.

Die Beziehung zwischen den beiden ist explosiv, besteht aus einem ständigen Streiten und Wiederversöhnen. Veiel weigert sich jedoch – von wenigen Momenten abgesehen – seine Geschichte als Melodram zu erzählen, auch wenn sich das bei dieser Geschichte am ehesten angeboten hätte. Die Folge ist die blutarme Darstellung einer leidenschaftslosen Beziehung, die auch zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort hätte spielen können.

Man kann dem Film anrechnen, dass er hinter seiner gewöhnlichen Love-Story zumindest im Kleinen einige interessante Ansätze verfolgt. Veiel weigert sich etwa, die Terroristen zu Ikonen zu stilisieren. Nicht selten wird in den ersten Auftritt einer historischen Persönlichkeit – egal ob nun positiv oder negativ behaftet – ihre gesamte Bedeutung aus heutiger Perspektive hineinprojiziert. Man erkennt also sofort, wer wichtig ist und wer nicht. 

In Wer wenn nicht wir werden Gudrun Ensslin und Andreas Baader in ihren ersten Szenen nicht einmal mit Namen vorgestellt – um wen es sich handelt, so viel traut der Film seinem Publikum dann doch zu, merkt man auch so. Darüber hinaus versucht Veiel den zu Klischees gewordenen Personen neue, aber trotzdem belegte Facetten abzugewinnen. Zuvor gehörte es etwa noch nicht zum Allgemeinwissen, dass Ensslin mal eine Buchrezension für eine nationalistische Zeitung verfasst hat und Andreas Baader in der Schwulenszene verkehrte.

Letztlich nützt das dem Film aber auch nicht viel. Das gewohnte Schema, jüngere Geschichte im Kino zu erzählen, wird auch hier angewandt. Untermalt mit den immergleichen Rocksongs der 1960er und 70er Jahre werden zwischen die Spielszenen immer wider Archivaufnahmen von Vietnamkrieg und Studentenunruhen eingefügt und selbst das qualvoll überstrapazierte „Ich bin ein Berliner“-Zitat von Kennedy wird nicht ausgelassen.

["Wer wenn nicht wir" läuft ab 10. März in deutschen Kinos]

Rezension von Michael Kienzl

In Zusammenarbeit mit Berlinale im Dialog, dem deutschen-französischen Blog des DFJW.

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