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Nicht an einem Tag erbaut

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KulturGesellschaft

Findet Rom, die „Ewige Stadt“, einen Weg zwischen Erhalten und Gestalten?

Kaiser August hat einmal den berühmten Ausspruch gemacht, er habe in Rom eine Stadt aus Ziegeln vorgefunden und eine Stadt aus Marmor zurückgelassen. Heute noch ist leicht zu sehen, was Augustus meinte: Mit klassischen Bauten von Kolosseum und Pantheon bis zu neo-klassischen Meisterwerken wie der Piazza del Campidoglio oder dem Trevi-Brunnen, ist Rom bis heute Heimat für ungezählte architektonische Juwelen.

Da überrascht es wenig, dass das gesamte historische Zentrum ein UNESCO-Weltkulturerbe ist. Historische Sehenswürdigkeiten gibt es unzählige. Darunter findet sich jedoch kein einziges neues Gebäude: Seit der faschistischen Ära wurde in Roms Innenstadt nicht ein neues öffentliches Bauwerk errichtet.

Architektonischer Aufschrei

Richard Meier musste seinen Auftrag von Anfang an mit äußerster Vorsicht angehen: Nicht nur sollte Meier ein modernes Museum für den tausende Jahre alten Altar „Ara Pacis“ entwerfen, der auf Augustus' Sieg in Gallien und Spanien im Jahr 15 vor Christus zurückgeht. Der amerikanische Stararchitekt wurde auch den einheimischen Kandidaten vorgezogen.

Vor allen Dingen aber würde Meiers Projekt das erste moderne Gebäude in Roms centro storico seit über sechzig Jahren sein. Würde es einem zeitgenössischen Architekten gelingen, das Design des 21. Jahrhunderts mit den historischen Sehenswürdigkeiten und Erbstücken der Ewigen Stadt in Einklang zu bringen – in direkter Nachbarschaft zum Mausoleum des Imperators Augustus?

Europa hat bereits ähnliche architektonische Aufschreie erlebt; etwa die Enthüllung der Glaspyramide von I.M. Pei vor dem Louvre in Paris. Aber Rom ist mehr als nur die Hauptstadt Italiens. Seine Fülle an Kult-Bauwerken hat praktisch den Kurs der westlichen Architekturgeschichte bestimmt. Nicht umsonst wird Rom als „caput mundi“, Hauptstadt der Welt, bezeichnet.

Kein Platz für gewagte Architektur

Meier schien sich mit dem Projekt von Beginn an einen Becher mit Gift gegriffen zu haben. Und doch erstaunte das Ausmaß an Missfallen seit der Eröffnung des Museums im April viele, nicht zuletzt vermutlich Meier selbst. Sogar die New York Times nannte das neue Museum einen „Flop“, und schloss, dass architektonisch Konservativen, die darauf beharren, dass in der italienischen Hauptstadt kein Raum für gewagte neue Architektur sei, neue Munition geliefert werde.

Viele Einheimischen sehen das ähnlich. „Schrecklich“, sagt der Zeitungsverkäufer Sabatino über das neue Museum. Sein Stand befindet sich direkt gegenüber. Die meisten seiner Kunden würden dasselbe denken, fügt er schnell hinzu.

Auch die in Rom ansässige Architektin Benedetta Alberti ist nicht gerade versöhnlich gestimmt. Meiers Design sei „gefühllos“, sagt die 31jährige: Das Gebäude leiste zwar ganze Arbeit, den Ara Pacis zur Schau zu stellen. Doch mit selber Konsequenz zerstöre es die Aussicht auf die dahinter gelegene San Rocco Kirche aus dem 17. Jahrhundert.

Starre Mauern

Die Reaktion auf Meiers Museum ist bezeichnend für das Problem, das jeden zeitgenössischen Architekten in der italienischen Hauptstadt erwartet. Das Land selbst mag zwar eine internationale Metropole für Mode und Design sein. Bei Roms architektonischem Erbe aber stoßen Zeitgenossen und Moderne auf starre Mauern.

Die aus Finnland eingewanderte Heidi Olli wohnt in einem „neuen“ Mietshaus im Bezirk Monti – zumindest beschrieb ihr Vermieter das Gebäude so. Tatsächlich stammt das Haus aus dem Jahr 1890. Aber in einer Nachbarschaft von 700jährigen Bauten ist auch ein 117 Jahre altes Haus eben relativ neu.

In der Innenstadt sind historisch bedeutende Bauten so allgegenwärtig, dass zeitgenössische Architekten mit ihren Konzepten auf den Stadtrand ausweichen. Unter Mussolini entstand in den 30er Jahren für die Weltaustellung im Süden der Stadt das E.U.R.-Viertel. 2002 wurde Renzo Pianos Konzerthalle Parco della Musica in der Nähe der Piazza del Popolo vollendet, und derzeit wird im Bezirk Flaminia Zaha Hadids Museum für Moderne Kunst „MAXXI“ gebaut.

Die Zukunft bauen

Die meisten Einheimischen sind der Meinung, dass es so und nicht anders sein sollte. Die 32jährige Anwältin Daniela Fioretti lebt seit ihrer Geburt in Rom und fordert, dass mehr getan werden müsse. Die farblosen, schlecht erhaltenen Vororte der Nachkriegszeit schrien geradezu nach Investitionen und Entwicklungen, die neue Architekturprojekte mit sich brächten.

Derzeit „saugt das Zentrum die Vororte aus“, sagt Fioretti. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien überlastet, die Straßen verstopft. Rom können schlicht nicht mit anderen Städten wie Brüssel, Paris oder Mailand mithalten. Oberste Priorität der Stadt scheine zu sein, Besucher und Einwohner gleichermaßen aus der Innenstadt abzuziehen. Selbst die dringend nötige dritte U-Bahn-Linie wurde verschoben – wegen unerwünschter Funde neuer archäologischer Kostbarkeiten.

Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Städten ist Rom hin und her gerissen zwischen der Aufgabe, seine Vergangenheit zu bewahren und der ebenso dringenden Notwendigkeit, die Zukunft zu bauen. Die Einwohner sind vielleicht zu charakterstark und zu dynamisch, um ihre Stadt jemals zu einem historischen Themenpark werden zu lassen, in dem die Moderne gefürchtet und die Zukunft vernachlässigt wird. Aber es gibt nur wenige andere Städte, wo es unter wie über der Erde derart schwer ist, sich für die Zukunft zu rüsten. Die Ewige Stadt, so scheint es, wird noch bis in die Ewigkeit versuchen, ihrem Namen gerecht zu werden.

Photo Colloseum: Judit Járadi

Photo Ara Pacis Museum: Alexhung/Flickr

Photo Parco della Musica: Scribacchina/Flickr

Photo MAXXI: Vin15369/Flickr

Photo Metro Roma: Manofsea/Flickr

Translated from Rome wasn’t built in a day