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Na warte, Türkei!

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Während sich der Wahlkampf in Deutschland aufheizt zittert die Türkei: Mit Angela Merkel als Kanzlerin würde die „privilegierte Partnerschaft“ – statt einer EU-Vollmitgliedschaft - brandaktuell. Das Ende des türkischen Traums von Europa?

Als „Unerhörte Diskriminierung“ und „große Unverschämtheit“ bezeichnet Hakki Keskin, Hamburger Politikprofessor und Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland das Konzept einer „privilegierten Partnerschaft“ zwischen der EU und der Türkei – und spricht damit wohl der Mehrheit der 2,3 Millionen Türken in Deutschland aus dem Herzen. Um die ca. 600000 Deutschtürken, die im Gegensatz zu den nicht eingebürgerten „Gastarbeitern“ und ihren Familien am 18. September wählen dürfen, macht sich Angela Merkel wohl wenig Gedanken – die Einwanderer sympathisieren ohnehin mehrheitlich mit der SPD, und bei konservativen Wählerkreisen gibt’s mit der Türkenangst viel zu gewinnen. Doch was hat es konkret mit dem Konzept der „privilegierten Partnerschaft“ auf sich? Die CDU will die Zollunion mit der Türkei zur einer umfassenden Freihandelszone erweitern, das Projekt einer Euro-Mediterranen Freihandelszone vorantreiben und die Türkei in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik einbinden. Somit soll die Türkei an die EU gebunden werden, ohne die Gemeinschaft durch eine Vollmitgliedschaft „zu überdehnen“.

Mit Sarko und Schüssel gegen Erdogan?

Nach anfänglicher Skepsis stößt die „privilegierte Partnerschaft“ in der EU zunehmend auf Widerhall. Der französische Innenminister mit Präsidentschaftsambitionen Nicolas Sarkozy sprach sich gegen den Türkeibeitritt aus, Österreich forderte die Benennung einer „Partnerschaft“ als mögliches Ergebnis der Beitrittsverhandlungen. Angela Merkel wandte sich Ende August erneut an konservative europäische Regierungschefs mit der Bitte, in den Beitrittsgesprächen auch ihre Idee der privilegierten Partnerschaft zu debattieren. In Deutschland wollen CDU und CSU mit der Angst der Deutschen vor der Türkei Wählerstimmen fangen. 60% der Deutschen sind nach einer Umfrage der Zeitung „Die Welt“ gegen den Türkeibeitritt. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch drängte folgerichtig die Unionsspitze, den Wahlkampf um Themen wie den Türkeibeitritt stärker zu „emotionalisieren“.

Angst für dem Unbekannten

Angst - das ist der Hauptgrund für die Ablehnung einer Mitgliedschaft der Türkei. Angst vor dem zweitbevölkerungsreichsten Land der Gemeinschaft, vor allzu großem türkischem Einfluss im Europäischem Parlament und im Europäischen Rat, Angst vor dem Unbekannten, Angst davor, die unreformierten Institutionen der EU könnten nicht genügend vorbereitet sein, Angst vor den Reaktionen der Einwohner der derzeitigen Mitgliedsländer. Und nicht zuletzt Angst vor dem Islam.

Der Annäherungsprozess zwischen EU und Türkei läuft schon über 40 Jahren. Es ist nötig, ihn als komplizierten Stabilisierungsprozess zu begreifen. Die privilegierte Partnerschaft wäre eine Zwischenlösung zwischen völligem Bruch und der Vollmitgliedschaft, die die EU überfordern würde - ein langfristig tragfähiger Weg, argumentieren die Konservativen in Deutschland. „Die privilegierte Partnerschaft lässt sich schnell realisieren. Sie nützt der Türkei mehr als der Glaube an eine Vollmitgliedschaft, die von vielen abgelehnt wird“, sagt der CSU-Politiker und bayrische Europa-Minister Eberhard Sinner,

Das sieht die Türkei anders. Ali Babacan, türkischer Unterhändler in den EU-Beitrittsverhandlungen, lehnte wiederholt alles andere als eine Vollmitgliedschaft eindeutig ab. Auch Außenminister Abdullah Gül bezeichnete das Unions-Konzept als "illegitim und unmoralisch". Und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn? Der findet das Konzept schlichtweg unverständlich: „Was auch immer [die privilegierte Partnerschaft] bedeuten könnte, ich habe noch keine überzeugenden Antworten gehört”. Die wird vielleicht Angela Merkel nach dem 18. September geben. Denn dann steht der 3. Oktober vor der Tür: Deutscher Nationalfeiertag – und offizieller Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.