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Mussavi neuer Hoffnungsträger?

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Islam in Europa

Im Iran wird am 12. Juni ein neuer Präsident gewählt. Auch wenn der Regierungschef nach dem Revolutionsführer nur der zweite Mann im Staat ist, kommt der Wahl erhebliche Bedeutung für die Zukunft des Landes zu, das mit den Folgen von Isolation, Inflation und Wirtschaftskrise zu kämpfen hat. Doch auf welchen der vier Kandidaten soll man setzen? Mittwoch, 3.

Juni 2009

Mir Hossein Mussavi heißt der Mann, auf dem derzeit die Hoffnung vieler iranischer und westlicher Beobachter liegen, den derzeitigen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad abzulösen, nachdem der frühere Amtsinhaber Mohammad Khatami seine nach langem Zögern verkündete Kandidatur im April auf Druck des Revolutionsführers Ali Khamenei wieder zurückgezogen hat. Doch wer ist der Mann, der nicht nur der westlichen, sondern auch der iranischen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist?

Zwar hat Mussavi nach der Revolution sieben Jahre lang als Premierminister eine zentrale Rolle in der Politik der Islamischen Republik gespielt, doch liegt seine Regierungszeit inzwischen zwanzig Jahre zurück – eine lange Zeit in einem Land, in dem ein großer Teil der Bevölkerung unter dreißig Jahre alt ist. Seitdem Mussavi 1989 vom Amt des Premierministers zurückgetreten ist, da dieses im Zuge der Verfassungsreform nach dem Tod des Staatsgründers Ruhollah Khomeini gestrichen wurde, hat er sich aus der Politik fast vollständig zurückgezogen.

Abgesehen von der Mitgliedschaft im weitgehend unbedeutenden Schlichtungsrat hat sich der Architekt und Maler zwanzig Jahre lang ganz der akademischen Arbeit gewidmet. Dies mag den Vorteil haben, ähnlich wie Khatami, der vor seiner Wahl 1997 ebenfalls jahrelang nicht politisch aktiv war, als unverbrauchter und unbelasteter Außenseiter antreten zu können. Doch um ähnliche Hoffnungen auf sich zu ziehen wie Khatami 1997, fehlen dem 68-jährigen Mussavi nicht nur das Charisma, sondern auch die Glaubwürdigkeit.

Gespaltene Bilanz

Während seiner Regierungszeit von 1981 bis 1989 gewann der linke Politiker Anerkennung dafür, das Land einigermaßen sicher durch die politisch und wirtschaftlich extrem schwierigen Kriegsjahre geführt zu haben. Doch fielen in seine Regierungszeit auch einige der schlimmsten Verbrechen des Regimes, insbesondere die Hinrichtungen von tausenden politischen Gefangenen im Sommer 1988. Dass ihm gegenüber dem allmächtigen damaligen Revolutionsführer Khomeini die Macht fehlte, diese zu verhindern, reicht dabei als Entschuldigung kaum aus.

Auch sonst bestehen einige Zweifel, ob man Mussavi als Reformer bezeichnen kann. Seine frühere Politik und seine heutigen Aussagen lassen darauf schließen, dass er weniger an strukturellen Reformen als an sozialer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität interessiert ist. Zwar hat er seine Ehefrau, die Frauenrechtsaktivistin Zahra Rahnavard, mit auf die Wahlkampagne genommen und fordert mehr soziale und politische Rechte für Frauen, doch klingt es, wenn er sich auf die Werte der Revolution 1979 beruft, nicht eben nach Wandel.

So darf man von ihm eine realistische, pragmatische Politik erwarten, die auf eine Normalisierung der gespannten Beziehungen nach außen und eine Stabilisierung der angeschlagenen Wirtschaft nach innen zielt. Grundsätzlichen Wandel braucht man sich von ihm jedoch nicht erhoffen.

Schwieriges Erbe

Gegenüber dem bisherigen Amtsinhaber, Mahmud Ahmadinejad, ist dies allerdings schon viel. Schließlich hat der rechte Politiker, der nach seinem überraschenden Erfolg 2005 nun zum zweiten Mal zu den Präsidentschaftswahlen antritt, nicht nur mit seinen Aussagen zu Israel und dem Holocaust sein Land in die Isolation geführt, sondern mit seinen Wahlgeschenken auch die Inflation angeheizt und trotz der lange Zeit sprudelnden Öleinnahmen das Budget an den Rand des Bankrotts gebracht. Die Unzufriedenheit mit dem Populist und Provokateur ist daher auch im Land hoch.

Dennoch deutet einiges darauf hin, dass er noch immer die Unterstützung Khameneis besitzt. Zwar vermeidet der Revolutionsführer eindeutige Wahlempfehlungen, doch reicht bereits seine verdeckte Unterstützung, die Wahl zu entscheiden, wie das Beispiel der Wahlen von 2005 zeigt, als entsprechende Aussagen Khameneis vor der zweiten Wahlrunde ausreichten, Ahmadinejad die Stimmen der mehreren Millionen Revolutionsgarden zu sichern. Ob dieses wichtige Gruppe auch dieses Mal für ihn stimmt, ist allerdings fraglich.

Zwar hat Ahmadinejad vieles dafür getan, diese Klientel zu pflegen – manche sprechen angesichts seiner militärfreundlichen Personalpolitik gar von einer Militarisierung des Regimes – doch ob dies ausreicht, um zu verhindern, dass die Revolutionsgarden diesmal für einen anderen stimmen, ist offen. Denn zu seinen Gegenkandidaten zählt kein geringerer Mohsen Reza'i: Von 1981 bis 1997 Kommandeur der Revolutionsgarden ist er als Hardliner bekannt und gilt als enger Vertrauter des Revolutionsführers.

Geringe Erfolgsaussichten

Er war nach den Wahlen 1997 von Khatami zum Rücktritt von der Spitze der Revolutionsgarden gezwungen worden, da er zuvor unverhohlen für dessen Gegenkandidaten, den konservativen Nateq Nuri, Position bezogen hatte. Nun macht er Front gegen Ahmadinejad, dem er Abenteurertum und Missmanagment vorwirft. Doch ist noch immer denkbar, dass er seine Kandidatur kurzfristig zurückzieht, wie er dies bereits 2005 getan hat, als er kurz vor den Wahlen aus dem Rennen ausstieg, um die Chancen des konservativen Lagers zu stärken.

Der vierte Kandidat schließlich ist der frühere Parlamentssprecher Mehdi Karrubi. Der 71-jährige Geistliche bezeichnet sich offen als Reformer und bekennt sich sehr viel deutlicher als Mussavi zu einer Politik der Öffnung. In der Vergangenheit hat er sich in seltener Klarheit gegen die Verfolgung von Dissidenten und die Rhetorik der Konfrontation gewandt, die besonders Ahmadinejad pflegte. Doch trotz - oder vielleicht gerade wegen - seines Images als Liberaler werden ihm bei den anstehenden Wahlen keine großen Erfolgsaussichten zugerechnet.

Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass es am 19. Juni zur Stichwahl zwischen Mussavi und Ahmadinejad kommen wird. Nach dem überraschenden Sieg Khatamis 1997 und dem plötzlichen Aufstieg Ahmadinejads 2005 will sich jedoch niemand zu früh festlegen. Die Umfragen sind wenig verlässlich, mit Fälschungen muss immer gerechnet werden und noch können externe Ereignisse wie der Bombenanschlag vergangene Woche in Zahedan die Gewichte verschieben. Außerdem stehen bis zum Wahltag noch mehrere Fernsehdebatten an, bei denen sich die Wähler einen Eindruck von ihren Kandidaten machen können. Das Spiel bleibt also offen.