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Mission: Possible - Deutschland und Polen vor dem Gipfel

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Politik

Derzeit kriselt es zwischen den Regierungen in Warschau und Berlin. Doch Deutschland und Polen teilen zu viele Interessen, als dass sie sich einen dauerhaften Streit leisten könnten.

Die deutsch-polnischen Beziehungen scheinen derzeit unter keinem guten Stern zu stehen.

Im Juli diesen Jahres musste der 7. Weimarer Gipfel zwischen Frankreich, Polen und Deutschland abgesagt werden. „Vorübergehende Unpässlichkeiten“ des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski verhinderten die Zusammenkunft.

Die linksliberale polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza vermutete einen direkten Zusammenhang der Absage mit einer Satire in der deutschen „Tageszeitung“ (taz).

„Neue polnische Kartoffel“

In dem eine Woche vor dem geplanten Gipfeltreffen erschienenen Artikel wurde Lech Kaczynski als „neue polnische Kartoffel“ bezeichnet. Auch Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der an der Regierung beteiligten, nationalkonservativen „Partei für Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), wird verunglimpft: Die Tatsache, dass er mit seiner Mutter zusammenlebe, beweise seine strikte Haltung gegen Homosexualität.

Die Reaktionen der polnischen Regierung auf den Artikel folgten prompt. Der Fraktionsvorsitzende der PiS, Gosiewski, schlug einen europäischen Haftbefehl gegen Peter Köhler, den Autor des Artikels, vor. Außenministerin Fotyga forderte eine Entschuldigung der deutschen Regierung und verglich die linke taz mit dem nationalsozialistischen Propagandablatt „Der Stürmer“.

Wie tief die Wunden des Zweiten Weltkrieges auf polnischer Seite noch immer sind, zeigte auch die Debatte um Günther Grass. Der fast achtzigjährige deutsche Literaturnobelpreisträger gestand kürzlich, während des Weltkrieges als 17-jähriger in der SS gedient zu haben. Weil Grass in Deutschland und im Ausland für seinen Einsatz „gegen das Vergessen des Nationalsozialismus“ bekannt ist, löste das Geständnis einen Skandal aus.

Auch in Polen, denn Grass ist seit 1993 Ehrenbürger der Stadt Danzig. Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa, der als Führer der Gewerkschaft „Solidarnosc“ in den Achtzigern das Ende der kommunistischen Diktatur einläutete, forderte Grass auf, die Ehrenbürgerschaft der Stadt abzulegen. Diese Forderung zog Walesa allerdings nach einem Brief von Grass an die Stadt Danzig zurück.

„Brückenschlag des Papstes“

Doch die oft von den Medien verstärkten Spannungen verdecken die positiven Entwicklungen in der Beziehung der beiden Länder.

Während der Orangenen Revolution in der Ukraine unterstützten Deutschland und Polen gemeinsam den Oppositionsführer Viktor Juschtschenko. Beide Länder setzten sich mit Erfolg für Neuwahlen ein, nachdem zunächst der moskautreue Viktor Janukowitsch zum Sieger erklärt worden war.

Ein Brückenschlag gelang dem deutschen Papst Benedikt XVI. bei seinem Antrittsbesuch in Polen. „Lasst uns beten, dass die Wunden der Vergangenheit heilen“, verkündete er in Bezug auf die tragische deutsch-polnische Vergangenheit. Im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz erklärte er, dass „ - an diesem Ort die Worte versagen und nur erschütterndes Schweigen stehen kann.“

Wenn Benedikt auch nicht an die Popularität seines Vorgängers Johannes Paul II. anknüpfen konnte, so bewies der freundliche Empfang im Land des vorherigen Papstes: Auch Deutsche können in Polen beliebt sein.

„Problem Ostseepipeline“

Eine Verbesserung der Beziehungen ist auch nötig, denn Deutschland und Polen müssen in Zukunft viele Aufgaben gemeinsam bewältigen.

Dazu zählt vor allem die Energiepolitik. Polen fühlt sich durch den Bau der Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland brüskiert. Deutschland profitiert wirtschaftlich von diesem Projekt, Polen hingegen befürchtet den Verlust seiner Versorgungssicherheit. Zudem verliert Polen Transitgebühren, da die neue Pipeline im Gegensatz zu der bereits existierenden Verbindung nicht durch Polen laufen wird. Derzeit hängt das Land stark von russischen Öl- und Gasimporten ab. Möglich, dass sich Polen zukünftig um alternative Energiequellen, beispielsweise aus Norwegen, bemüht.

Zweiter Knackpunkt ist das in Berlin geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“: Die deutsche Stiftung des Bundes der Vertriebenen (BDV) will ein Dokumentationszentrum über die Vertreibungen des 20. Jahrhunderts in Berlin errichten.

Das Zentrum soll die Vertreibung von schätzungsweise 15 Millionen Deutschen insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren. Auch sollen die Vertreibungen der Polen, Balten und Ukrainer von 1939 bis 1949 sowie die europäischer Juden ab 1933 präsentiert werden.

Präsident Kaczynski lehnt ein solches Zentrum kategorisch ab. Er befürchtet eine revisionistische Geschichtsschreibung. Kanzlerin Merkel hingegen ist für den Bau des Zentrums in Berlin, der in Deutschland kontrovers diskutiert wird. Demnach könnte das Zentrum auch in Priština, Sarajewo oder Breslau entstehen.

Das „Weimarer Dreieck“ kann als Gesprächsplattform unbegründete polnische Revisionismusvorwürfe gegenüber Deutschland abbauen. Und Deutschland kann durch einen ständigen Austausch historisch bedingte Ängste der Polen besser verstehen. Das Dreieck kann Deutschland veranlassen, sich ernsthaft um eine gemeinsame Ostpolitik zu bemühen. Polen und Deutschland haben die Chance, die Demokratisierung in den postsowjetischen Ländern entscheidend voranzutreiben. „Vorübergehende Unpässlichkeiten“ sollten sich deshalb nicht oft wiederholen.