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Massenschlachtungen in Tripolis: Der Druck auf Gaddafi wächst

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Libysche Sicherheitskräfte gehen immer brutaler gegen die Demonstranten vor, sogar von Angriffen mit Kampfjets wird berichtet, doch die Proteste weiten sich aus. Die Welt hingegen kümmert sich nur um ihre eigenen Interessen, rechtfertigt frühere Waffenexporte nach Libyen und hat Angst um den Ölpreis, bemängeln Kommentatoren.

Blog Ivo Indjev: Weltpolizei USA weiß nicht mehr, wen oder was man diesmal retten soll; Bulgarien

Der Uno-Sicherheitsrat will sich am heutigen Dienstag wegen der Ereignisse in Libyen treffen, hinter verschlossenen Türen. Wie es da zugehen wird, malt sich Ivo Indjev in seinem Blog aus: "Russland verhält sich still und reibt sich wegen der steigenden Ölpreise zufrieden die Hände. Frankreich und Großbritannien wollen auf keinen Fall von den aufständischen Untertanen des Bluthundes von Tripolis daran erinnert werden, wie skrupellos sie in letzter Zeit mit ihm geflirtet haben. [...] China drückt verzweifelt die Daumen in der Hoffnung, dass das eigene Volk nicht vom Libyen-Virus eingeholt wird, indem es eher auf die konfuzianische Tradition des Gehorsams und der sozialen Harmonie setzt, als auf das von einer analogen Revolte bedrohte Einparteiensystem. Und bei der Weltpolizei USA, wo die Telefone im Weißen Haus nicht still stehen wegen Anrufen aus Riad, Abu Dhabi, Kuweit und Bagdad, weiß man gar nicht mehr, wen oder was man diesmal retten soll." (Artikel vom 22.02.2011)

De Morgen: Massenschlachtungen mit belgischen Waffen in Tripolis; Belgien

Nach der massiven Gewaltanwendung des Gaddafi-Regimes gegen die Demonstranten mit vermutlich mehreren Hundert Toten gibt es in Belgien Kritik an den Waffenexporten des Landes an Libyen. Die Tageszeitung De Morgen hält die Waffenfabrikanten und die Politiker für scheinheilig: "Irgendetwas sagt uns, dass es im Bereich des Möglichen liegt, dass diese Art Regime die Neigung haben, die gelieferten Kugeln auch zu gebrauchen. Das ist etwas, was man sogar wissen kann, bevor man eine Exportlizenz unterschreibt. Arbeitsplätze und das ewige Argument, 'Wenn wir es nicht liefern, dann werden andere es tun', sind schon seit Jahrzehnten das Mantra, das Waffenfabrikanten gerne benutzen und die betroffenen Politiker immer wieder wiederholen. Angesichts des Dramas von Tripolis, wo mit Regierungswaffen Massenschlachtungen im Gange sind, weist man nun alles von sich mit den Worten: Ja aber, das war nicht die Absicht. - Wenn die arabische Revolte hier bei uns zu etwas führen soll, dann doch zu einer größeren Vorsicht bei der Wahl der Regime, die man diplomatisch unterstützt und an die man Gewehre liefert." (Artikel vom 22.02.2011)

Süddeutsche Zeitung: Gute Nachricht in der schlechten: Steigender Ölpreis kann die Innovationsbereitschaft steigern; Deutschland

Der Ölpreis hat durch die Unruhen in Libyen den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren erreicht. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich auf rund 107 Dollar pro Fass (159 Liter). Statt Märkte zu regulieren, sollte die Politik sich über den Innovationsimpuls der Ölverknappung freuen, meint die linksliberale Süddeutsche Zeitung. Denn die Märkte "stark zu regulieren oder Termingeschäfte selektiv gleich ganz einzustellen, wie es einige Politiker für Energie- und vor allem auch für Agrarrohstoffe immer wieder fordern, ist [...] keine zielführende Lösung, solange die Wetten dem grundlegenden Trend entsprechen. Und der ist bei den meisten Rohstoffen intakt. Die Weltbevölkerung steigt, die Erde ist bereits stark ausgebeutet. Die Nachfrage nach vielen Rohstoffen steigt folglich und das Angebot kann nicht immer mithalten. [...] Die Erfahrung zeigt: Ein Umdenken findet nur statt, wenn das Bestehende (zu) teuer wird. Und das ist die gute Nachricht hinter der schlechten. Sie ist genauso wenig neu wie die immer wiederkehrenden Überreaktionen an den Börsen. [...] Ein weiter steigender Ölpreis kann die Innovationsbereitschaft weiter steigern."

(Artikel vom 22.02.2011)

Der Standard: EU hat weder einen akkordierten Plan noch militärische oder die gern beschworenen finanziellen Druckmittel; Österreich

Europa schafft es einfach nicht, in Nordafrika Einfluss zu nehmen oder eine Strategie für die nahe Zukunft zu formulieren, bemängelt die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Es ist ja nicht so, dass die Außenminister der Union gleich Sanktionen gegen das Regime in Tripolis verhängen sollten. Wer würde sich in der derzeitigen Situation in Libyen schon darum scheren? Es geht vielmehr darum, Handlungsoptionen und Möglichkeiten der Einflussnahme für die Zeit zu definieren, in der sich der Pulverdampf etwas gelegt haben wird. Die Amerikaner haben das in Kairo den Umständen entsprechend ganz passabel hinbekommen. Die EU dagegen hat weder einen akkordierten Plan noch militärische oder die gern beschworenen finanziellen Druckmittel, irgendwie auf die Geschehnisse unmittelbar vor ihrer Haustür einzuwirken. [...] Das ist nicht nur peinlich. Das politische Bußgeld, das dafür zu entrichten sein wird, wird Europa sehr teuer zu stehen kommen."

(Artikel vom 22.02.2011)

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Illustrationen: Gaddafi-Poster (cc)mshamma/flickr

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