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Kein Kölsch für Islamkritiker

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Islam in Europa

Die Kölner verweigern den Teilnehmern einem Anti-Islamisierungskongress das Kölsch und kommen lieber zum Tag der Offenen Tür in die Moschee, deren Bau nach langer Kontroverse genehmigt worden ist. Bei aller Skepsis gegenüber dem Islam wollen die Bürger sich nicht von der extremen Rechten vereinnahmen lassen. Sonntag, 5. Oktober 2008

Haben die Kölner doch nichts gegen die Muslime?

Als die Moscheen am 3. Oktober zum Tag der offenen Tür geladen haben, sind auch nach Köln-Ehrenfeld Hunderte gekommen, um sich selbst einen Eindruck dessen zu machen, was hinter den sonst meist verschlossenen Türen geschieht. Als „Pro Köln“ am 20. September in Köln zum „Anti-Islamisierungskongress“ lud, kam aus der Stadt hingegen kaum jemand, vielmehr schlossen sich Tausende Bürger dem Protestzug gegen den rechtsextremen Kongress an. Viele der „Kongressgäste“ gelangten nicht einmal bis zum Tagungsort, weil sich Bus- und Taxifahrer sie zu befördern weigerten.

Und Anfang September hat der Kölner Stadtrat mit breiter Mehrheit grünes Licht für den Neubau der Moschee in Köln-Ehrenfeld gegeben, der zuvor weit über die Domstadt hinaus für eine heftige Kontroverse gesorgt hatte. Haben die Kölner also doch nichts gegen Muslime? In der emotional aufgeladenen Debatte um die Höhe der Minarette und die Anzahl der Parkplätze, die nur allzu dürftig den Kern der Kontroverse verdeckte, konnte man den Eindruck gewinnen, die Kölner wollten keine Moscheen, am liebsten auch keine Muslime.

Der Islamkritik einen Bärendienst erwiesen

Die Entscheidung des Stadtrats für den Bau und die Ablehnung der Bürger, sich von der extremen Rechten vereinnahmen zu lassen, zeigen hingegen, dass bei aller Skepsis doch die breite Mehrheit bereit ist, den Muslimen die selben Rechte zuzugestehen wie anderen Religionsgemeinschaften auch. Pro Köln hat letztlich der Islamkritik, der sie mit ihrer als „Kongress“ angekündigten Demonstration breitere Aufmerksamkeit verschaffen wollte, einen Bärendienst erwiesen.

Indem Pro Köln namhafte Rechtesextreme wie Jean-Marie Le Pen zum „Kongress“ lud, hat sie die Islamkritik in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt und damit diskreditiert. Es gibt gute Gründe, die konservative Interpretation des Islam zu kritisieren, doch Angst und Ablehnung des Fremden zählen nicht dazu. Es gibt viele Rechte und auch Linke, die der von konservativen Muslimen vertretenen Relativierung von Freiheit und Gleichheit mit Skepsis begegnen, doch mit Skinheads wollen sie auf keinen Fall assoziiert werden.

Passiver Widerstand gegen die Neonazis

Das Beispiel zeigt, dass wenn die Kritik am Moscheebau von den Nazis instrumentalisiert wird, sich auch jene auf die Seite der Moscheebefürworter schlagen, die eigentlich dem Bau ablehnend gegenüberstanden. Lieber für die Moschee, als mit den Nazis. Unter dem Schlagwort „Kein Kölsch für Nazis“, der tausendfach auf Bierdeckeln gedruckt in der Stadt verteilt wurde, haben sich die Kölner zum passiven Widerstand und zum aktiven Protest zusammengeschlossen. Zehntausende nahmen an der Demonstration in der Innenstadt teil.

Letztlich wurde der "Kongress" von der Polizei verboten und aufgelöst. Denn, so erklärte die Polizei, die Sicherheit der Bevölkerung sei angesichts der Ausschreitungen der linksautonomen Gegendemonstranten nicht mehr zu gewährleisten gewesen. Viele "Kongressgäste" waren ohnehin schon am Flughafen stecken geblieben, da Zeitungsberichten zufolge nicht nur Taxi- und Busfahrer, sondern selbst S-Bahnfahrer ihnen die Beförderung ins Stadtzentrum verweigerten. Auch Hoteliers sollen den ungebetenen Gästen die Koffer vor die Tür gestellt haben.

Die Rechten protestierten gegen das Verbot ihres "Kongress" und kritisierten die Einschränkung von "Freiheit" und "Demokratie". Man mag tatsächlich darüber streiten, ob ein Demonstrationsverbot wegen der Gewalt der Gegenseite zulässig ist, und wie eine zivile Behinderungstaktik bei einer offiziell genehmigten Demonstration zu bewerten ist. Schließlich haben auch Nazis, sofern sie nicht gegen das Gesetz verstoßen, das Recht zur Meinungsäußerung. Zivilcourage muss man den Kölnern aber dennoch zusprechen.