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John McCain: Plädoyer für einen Ungeliebten

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Translation by:

Nicole Matatko

Kultur

Im Vergleich zum jungen, schwarzen, eloquenten und demokratischen Obama steht der republikanische Kandidat John McCain für alles, was die Europäer an den Vereinigten Staaten hassen.

Präsidentschaftskandidat John McCain steht in den Augen vieler Europäer für ein konservatives, ultraliberales Land, das gerne interveniert, wenn seine Interessen auf dem Spiel stehen. Die Einstellung John McCains ist jedoch weit von der George W. Bushs entfernt, dessen Regierungsbilanz weitgehend unpopulär ist. Doch diese Nuancen gehen auf ihrer Reise über den Atlantik verloren und alles, was bleibt, ist eine vereinfachende Schwarzweißmalerei. Ein Blick auf Europas Vorurteile.

McCain - Bush: Die gleiche Schlacht

©Andrew Ciscel/flickrAuch wenn beide Männer Republikaner sind, haben sie noch lange nicht die gleichen Ideen. „McCain war im Senat der ‚Erzfeind‘ des scheidenden Präsidenten“, erklärt Marie Bolton, eine Expertin für die amerikanische Kultur. Ihre Beziehung ist vor allem zwiespältig und wird oft als „love and hate relationship“ bezeichnet. „Man muss den Senator McCain vom Kandidaten McCain trennen.“ Als Senator war er ein sehr unabhängiger Politiker, der nicht zögerte, sich gegen seine eigene Partei zu stellen. Er hat nie ein Blatt vor den Mund genommen und zahlreiche Allianzen mit den Demokraten geschlossen, während sein Ziel immer das Wohl des Landes war. Seine Rechtschaffenheit ist eine Eigenschaft, die ihm von seinen Gegnern hoch angerechnet wird. Durch die Wahlen wurde dieser Mann als Fahnenträger der republikanischen Partei neu erfunden, doch dieses Phänomen ist im Rahmen eines Präsidentschaftswahlkampfes ganz natürlich, auch in Europa.

McCain: Rückschritt bei sozialen Fragen

©Roger H. Goun/WikipediaEin Argument, das schwer zu bestreiten ist, aber welches hauptsächlich auf die Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin zurückzuführen ist. Abgesehen davon, dass sie in den Augen der Amerikaner unfähig erscheint, „im Fall des Falles“ spontan die Präsidentschaft zu übernehmen, repräsentiert sie auch die konservativsten Randgruppen Amerikas. Sarah Palin wurde McCain von seiner Partei aufgedrängt und soll die Amerikaner ansprechen, „die sich vom Krieg und der Finanzkrise nicht betroffen fühlen, aber für die das Abtreibungsverbot eine sehr konkrete Idee ist, die sie mit den Republikanern teilen“. Umgekehrt darf man aus Obama keinen liberalen Moralapostel machen: Er ist zwar für die Aufrechterhaltung der Abtreibung, aber gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, auch wenn er dieses Verbot nicht in die Verfassung aufnehmen will. Was noch betont werden muss: Sowohl Obama als auch McCain berufen sich auf Gott, was ungewöhnlich für einen Demokraten ist.

McCain: Das gibt Krieg!

©WikipediaIm Laufe des Wahlkampfes hat sich eine Gegensätzlichkeit entwickelt: Obama ist der Spezialist für Haushaltsfragen (Wirtschaft, Soziales) und McCain profiliert sich in Fragen zu äußeren Angelegenheiten. Die Einstellung des Republikaners zum Irak-Krieg, wie die langfristige Aufrechterhaltung der Truppenpräsenz, ist schon früh zu seiner treibenden Kraft geworden. McCain ist jedoch kein blinder Kriegshetzer; als ehemaliger Soldat hat er großen Respekt vor den Truppen, die er bestmöglich schützen will. Er war einer der ersten, der sich gegen die Folter ausgesprochen hat, der er selbst im Vietnam zum Opfer gefallen war. Man darf auch das Repräsentantenhaus (vermutlich demokratisch), die irakische Regierung und die Entwicklung der internationalen Situation nicht vergessen: „McCain wird vielleicht keine Wahl haben!“ Andererseits: Auch wenn Obama einen raschen Rückzug aus dem Irak vorschlägt (16 Monate), macht ihn seine Fokussierung auf Afghanistan (Entsendung weiterer 7.000 Soldaten) nicht zu einem Isolationisten.

McCain: Sterbender Greis

©sloomis08/flickrMcCain wurde oft wegen seines Alters (71 Jahre) und seiner gesundheitlichen Probleme (Spätfolgen des Krieges und Krebs) angegriffen und verweigerte lange die Offenlegung seiner Krankengeschichte. Dies führte, besonders in der CNN-Dokumentation „Fit to lead“, zu einer öffentlichen Kontroverse. Im vergangenen Mai wurde seine Akte Dr. Victor Trastek der Mayo-Klinik in Arizona übergeben. Dieser schlussfolgerte, dass McCain statistisch alle Chancen hätte, seine Amtszeit aufrecht zu beenden. Und die Amerikaner setzen Vertrauen in einen Mann, der fünf Jahren in den vietnamesischen Gefängnissen überlebt hat. Umgekehrt ist die Theorie einer Ermordung Obamas nach dem „Vorbild“ der Ermordungen John F. Kennedys und Martin Luther Kings im Falle eines Sieges erschreckend, aber plausibel.

McCain wird verlieren

©Mr Flikker/ Wikipedia„Wie kann man nur McCain wählen?“ schreien die Europäer auf, die sich Obamas Sieges sicher sind. Experten sind weniger überzeugt. „Es wäre nicht verwunderlich, wenn McCain gewinnt", erklärt Marie Bolton. Auch wenn die republikanischen Ideen durch Bushs Unbeliebtheit in Verruf geraten sind, sind sie in der amerikanischen Gesellschaft noch immer präsent. Und was ist mit Obamas Vorsprung in den Umfragen? Hier darf man den Bradley-Effekt nicht vergessen (benannt nach dem schwarzen Kandidaten Tom Bradley in Kalifornien, der fälschlicherweise von den Umfragen als Gewinner ausgegeben wurde), der besagt, dass ein Teil der Wählerschaft behauptet, die Ideen eines schwarzen Kandidaten zu unterstützen, aber ihm schlussendlich die Stimme verweigert. Wir sollten uns jedoch in Zurückhaltung üben. Einige Kandidaten erscheinen uns geeigneter als andere, aber die Entscheidung liegt alleine beim amerikanischen Volk.

Translated from Plaidoyer pour le mal-aimé Mc Cain