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Italienisch oder Italenglisch: eine Narrensprache?

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Turm zu BabelGesellschaftLifestyle

Social Media, Conference Call, trendy Gossip aus dem Live-Chat online… Sprechen die Italiener eigentlich noch Italienisch? Oder sprechen sie eine Art italenglischen Dialekt? Die Ausrede „Globalisierung“ überzeugt nicht wirklich, wenn man einen Blick auf die anderen Sprachen des Alten Kontinents wirft.

Zum 150. Jubiläum der italienischen Einheit feiert auch die Sprache des Landes ihre Anerkennung: Die Muttersprache der Halbinselbewohner sowie der nach der jüngsten Zählung der Revue Ethnologue rund 7 Millionen zählenden, italienisch sprechenden Bevölkerung hauptsächlich in der Schweiz, aber auch in Frankreich, Kroatien und Slowenien, erfreut sich heute auch als Fremdsprache zunehmender Beliebtheit. Das Angebot an Italienisch-Kursen wächst langsam aber stetig. Vor allem in ganz Osteuropa, in Südamerika und in den USA mehren sich die Lehrstühle für italienische Sprache und Kultur.

Warum sich also Sorgen machen um das Idiom Dantes? Trotz ihrer zunehmenden Verbreitung und Beliebtheit im Ausland scheint die italienische Sprache gerade in ihrem Ursprungsland die größten Schwierigkeiten zu haben. Denn eine Sprache ist eng mit dem Image der Länder verknüpft, in denen sie gesprochen wird, und gilt in der Regel als Ausdruck ihrer Kultur und Identität. Allerdings hat sich in den vergangenen 20 Jahren unter italienischen Intellektuellen eine heftige Ablehnung gegen jeden möglichen Normierungsvorschlag durch Kulturinstitutionen durchgesetzt.

Ganz im Gegenteil zu anderen Ländern in Europa und der Welt wird nämlich die Überzeugung vertreten, dass sich „eine Sprache selbst schützt“ und dass die einzigen akzeptablen Regeln jene der effektiven Nutzung und Verbreitung seien. Jeder hiervon abweichende Vorschlag, wie zum Beispiel der, einen „Obersten Rat der italienischen Sprache“ einzurichten, wird hingegen unanfechtbar als 'Sprachfaschismus' abgestempelt. Diese fast utopisch anmutende Meinung ignoriert jedoch den nahezu zwanghaften Einfluss der Medien auf das Verhalten der Konsumenten sowie im Allgemeinen die effektiven Kraftverhältnisse, die den sozial-sprachlichen Dynamiken zugrunde liegen.

Zum Lesen „italienischer“ Texte braucht man ein größeres englisches Wörterbuch!

Das völlige Fehlen jeglicher Normen hat nichts mit Freiheit zu tun, es legt lediglich die Zügel der Sprachentwicklung in die Hände der Informationsmedien und Werbeagenturen, die die Sprache immer schneller und immer intensiver mit Fremdwörtern durchsetzen. In den letzten Jahren erreichte dieses Phänomen ein rekordverdächtiges Ausmaß, sodass man zum Lesen „italienischer“ Texte ein größeres englisches Wörterbuch zur Hand haben sollte. Ein unvermeidliches Schicksal, dem es sich zu beugen gilt? Nein! Ganz im Gegenteil! Es reicht ein Blick auf die anderen europäischen Länder, in denen bessere Kenntnis und die stärkere Identifizierung mit der eigenen Nationalsprache zu gänzlich anderen Ergebnissen geführt haben, und zwar in vollem Einklang mit den sprachlichen Grundrechten und Freiheiten.

Bei Versuchen, Fachbegriffe zu übersetzen, die fast immer in englischer Sprache gehalten sind, wird oftmals eingewendet, es sei absurd, weltweit verwendete Ausdrücke übersetzen zu wollen, und lächerlich, sich der sprachlichen Globalisierung entgegen zu stellen, die alle Sprachen der Welt betrifft. In den meisten Fällen ist diese Behauptung schlicht und einfach falsch. Im anglisierenden Bereich der Informatik beispielsweise ist das Italienische oftmals die einzige Sprache, die fast alle englischen Ausdrücke voll integriert, während sie in den meisten anderen Sprachen übersetzt oder, falls nötig, mit entsprechenden Wortschöpfungen angepasst werden.

Ein Beispiel? Im Italienischen wird der Begriff file übernommen, während man im Französischen fichier, im Spanischen archivo und im Deutschen Datei sagt. Nun könnten die Gegner einwenden, dies seien ja die wichtigsten Sprachen, die auf der ganzen Welt verbreitet sind. Aber was ist dann mit bestand im Niederländischen, tiedosto im Finnischen oder plik im Polnischen? Und dies obwohl die durchschnittlichen Englischkenntnisse in diesen Ländern wesentlich besser sind als in Italien.

Europäer, lasst uns Italienisch sprechen!

Was also tun? Was vorbei ist, ist vorbei, könnte man sagen. Dies ist sicher ein Argument, man müsste Begriffe verdrängen, die sich bereits eingebürgert und durchgesetzt haben. Und in der Gegenwart? Warum kann ein touchscreen, wie es hämmernde Medienkampagnen suggerieren (oder diktieren?) und wie ein Mantra der Modernität herbeten, nicht einfach und italienisch schermo tattile genannt werden? Und was ist mit dem berühmten social network, das in fast allen europäischen Sprachen übersetzt wurde? Hier eilt uns Facebook zu Hilfe und erklärt, eine piattaforma sociale, also eine Web-Plattform zur Ergänzung (realer) sozialer Netze zu sein. Und der neueste Hit ist der (yield) spread anstelle der ordinären 'Renditenspanne' (differenziale di rendimento).

Niemand will ein pures Italienisch erzwingen, das völlig frei von jedem „ausländischen Barbarismus“ ist, denn der Austausch zwischen Sprachen ist eine logische Konsequenz der Globalisierung. Eher absurd erscheint jedoch jene „gebildete Unwissenheit“, die viele Italiener dazu verleitet, sich damit zu brüsten und ihre Konversationen mit Begriffen aus Sprachen aufzublähen, die sie selbst nicht einmal sprechen. Ohne die Vergangenheit ändern zu wollen, würde es reichen, sich in der Gegenwart umzusehen, um zu begreifen, dass die Globalisierung der Sprachen in Form einer unvermeidbaren und vollständigen Anglisierung, gegen die sich niemand wehren kann, ein Märchen ist, an das wir nur in Italien glauben.

Foto: (cc)db Photography/ Demi Brooke/flickr

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Translated from L'italiano: una lingua-arlecchino?