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"In Serbien könnte ich auf diesem Gebiet nicht promovieren, weil es das dort gar nicht gibt"

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Bei der letz­ten Babel Aca­de­my in Brüs­sel ent­stand die Idee einer Ge­sprächs­rei­he mit jun­gen Men­schen, die sich aus be­ruf­li­chen Grün­den ent­schie­den haben, in ein an­de­res Land zu gehen, dort zu leben und zu ar­bei­ten. So wer­den die Wege der Young Pro­fes­sio­nals heute, in Zei­ten der wirt­schaft­li­chen Krise, auf Ca­fé­ba­bel ver­folgt und aus ers­ter Hand be­schrie­ben.

Djerdj Horvat, Jahrgang 1983 ist Serbo-Ungar. Nach Arbeitserfahrungen als Berater in Serbien promoviert er an der FU Berlin zu Innovationsmanagement. Er mag kreative Lösungen, die Innovation ins Leben der Stadt und der Menschen bringen.

Wir treffen uns in Berlin Mitte, es ist Winter, draußen wird es schnell dunkel. Am nächsten Tag fliegt Djerdj über Weihnachten „nach Hause“, zwei Tage nach ihm fahre auch ich dahin, obwohl es ganz woanders liegt. Wir unterhalten uns über das Gefühl, anders zu sein, über warme und kühle Menschen und Städte und über den magischen Ort, den man „Zuhause“ nennt, und der immer abstrakter wird.

Foto: S. WaltherDjerdj Horvat: Am liebsten würde ich dir zuerst ein bisschen was über mich erzählen. Ich stamme aus Serbien, aus Subotica – einer kleinen Stadt an der ungarischen Grenze. Aus Vojvodina also, dem Region, der bis 1918 zu Ungarn gehörte und durch starke kulturelle Diversität und Unterschiede geprägt ist. Dort wohnten Ungaren, Serbier, Deutsche und Österreicher. Meine Oma zum Beispiel war Schwäbin und sprach ein sehr schönes Deutsch, wie ich fand. Leider habe ich es von ihr nicht gelernt und habe es erst später versucht nachzuholen. Aber es war immer schon da, diese Begeisterung für den Klang der Sprache. Jetzt ist Vojvodina serbisch und als Ungar gehörte ich schon immer zur Minderheit. Ich habe das also gut geübt bevor ich nach Deutschland kam. (lacht)

In Serbien habe ich BWL studiert, danach Zivildienst gemacht, 9 Monate lang. In der Zwischenzeit lernte ich Deutsch zu Hause, dann mit einer Lehrerin. Und dann habe ich mich für ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung beworben und bin im März 2008 nach Mannheim gefahren. Dort habe ich 6 Monate lang beim Goethe Institut Deutsch gelernt. Mannheim habe ich als eine kühle Stadt empfunden, die Leute wurden nicht wirklich warm mit mir und ich fühlte mich dort nicht besonders wohl. Nach dem Kurs kehrte ich nach Serbien zurück und habe an der Uni gearbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Finance Mathematics. So richtig gut war das aber nicht. Innovationsmanagement, das, was mich schon immer interessierte, gibt es als solches an serbischen Universitäten nicht. Ich habe überlegt zu promovieren, das würde bedeuten ins Ausland zu gehen. Ich habe also nach einem Brückenstudium gesucht, nach dem ich in Deutschland promovieren könnte. So eine Möglichkeit habe ich in Potsdam gefunden, ein Masterstudium in BWL mit dem Schwerpunkt Innovation und Enterpreneurship. Ich zog also wieder nach Deutschland um. Als ich fertig mit dem Studium war, kehrte ich noch mal nach Serbien zurück und habe dort eine Zeitlang als Berater für den deutschen Markt gearbeitet. Die Firma produzierte Verpackungen in Serbien, die auf dem deutschen Markt verkauft werden sollten. Das war immer meine Idee fürs Leben, ich konnte mir so eine Art Arbeit sehr gut vorstellen. Plötzlich hatte ich aber das Gefühl nicht mehr dazu zu gehören. Alle wussten, dass ich von außen komme, und haben mich als Fremden wahrgenommen. Mir wurden nur kurzfristige Verträge angeboten. Ähnlich war es an der Uni. In der Zeit, in der ich weg war, sind Gruppen entstanden und ich gehörte zu keiner. Das war schon ein seltsames Gefühl. In Serbien ist es schwer, wenn du keine guten Beziehungen hast. Nicht immer reicht es, wenn man an seinem Gebiet gut ist. In Deutschland ist es anders. Das gefällt mir hier. Nach langem Überlegen kam ich dann im Januar 2012 zurück nach Deutschland, aus beruflichen Gründen. Inzwischen habe ich in Serbien geheiratet und kam also her zusammen mit meiner Frau, die auch aus Vojvodina kommt. Zurzeit promoviere ich an der FU Berlin im Bereich Innovationsmanagement mit einem Stipendium der KAS.

KG: Ich weiß also schon, warum nicht in Mannheim. Aber warum gerade Berlin? Und warum überhaupt Deutschland?

DH: Ich finde, dass die ungarische Kultur der deutschen sehr nah ist, näher als der serbischen. Auch, was die Religion angeht, sind sich Ungarn und Serbien nicht besonders nah. Wir Ungaren sind katholisch, die Serben orthodox. Ich mag auch, wie gesagt, die deutsche Sprache. Berlin hat mich sofort mit offenen Armen empfangen, hier fühlte ich mich vom ersten Moment an wohl. Ich habe viele großartige Menschen getroffen, mit vielen bin ich inzwischen befreundet und durch lange Gespräche verbesserte sich auch mein Deutsch. Die Menschen hier sind offen, sogar wenn sie was Anderes behaupten. Ich bin z.B. mit meinen Berliner Nachbarn befreundet, die echte Berliner sind. Sie meinten, sie seien noch nie mit einem Nachbar befreundet gewesen, und jetzt habe ich ihnen beigebracht, dass das geht. (lacht) Berlin gefällt mir sehr gut, auch weil die Stadt so multikulturell ist und so viele Möglichkeiten in meinem Bereich bietet. Wichtig war natürlich auch, dass ich hier einen Professor gefunden habe, der meine Dissertation betreut. Das war zum Glück nicht so schwierig.

KG: Was sind Deine Liebligsorte in Berlin?

DH: Der Potsdamer Platz natürlich! Ich mag immer neue Sachen, es interessiert mich, wie das Neue entsteht, was es für Ideen und Vorstellungen vom Neuen gibt, auch im urbanen Kontext. Ich finde es sehr spannend, wie das Neue als Endprodukt mit Innovation, mit dem Prozess der Entwicklung zusammenhängt. Deswegen promoviere ich auch darüber. Ich wohne in Wilmersdorf, genauer gesagt in Schmargendorf, diese Ecke mag ich auch sehr gern. Die Menschen sind nett, die Kirche ist nah – alles, was man braucht.

KG: Fühlst Du dich manchmal diskriminiert?

DH: Sehr selten. An der Uni ist es nie vorgekommen. Hier hatte ich immer das Gefühl, dass meine Leistungen wichtiger waren als meine Nationalität. Mein Doktorvater ist, glaube ich, ziemlich stolz, dass er einen Doktoranden aus Serbien hat, der seine Arbeit auf Deutsch schreibt. Wie ist es mit dir, hast du dich schon diskriminiert gefühlt in Berlin?

KG: Ich hatte Schwierigkeiten, eine Wohnung in Berlin zu finden, und zwei Mal wurde mir gesagt, dass die Hausverwaltung keine Ausländer als Mieter haben möchte. Da fühlte ich mich schon sehr unwohl. So machtlos.

DH: Ah ja, na das habe ich auch erlebt. Zuerst habe ich immer gesagt, ich komme aus Serbien und konnte gar keine Wohnung finden. Ich glaube, das hängt mit den Vorurteilen zusammen, du weißt schon: Kosovo und Leute, die hierhin kommen, um Hartz IV zu beziehen. Als ich dann irgendwann angefangen habe zu sagen, dass ich Ungar bin, hat es sofort geklappt mit der Wohnung. Meine Frau und ich passen übrigens auch immer auf die Sprache auf, die wir gerade sprechen. Zu Hause (also in diesem Fall in Schmargendorf) sprechen wir immer Serbisch. Auf der Straße sprechen wir aber nur Ungarisch miteinander.

KG: Wow. Warum?

DH: Wenn wir draußen Serbisch sprechen, werden wir oft gefragt, ob wir aus Polen oder aus Russland kommen. Und das nervt mich schon, weil ich eben nicht aus Polen und auch nicht aus Russland, sondern aus Serbien komme, und das ist was ganz anderes, das macht schon einen Unterschied, und das scheinen die Leute hier nicht zu verstehen. Wenn wir Ungarisch sprechen, dann verwechselt man es mit nichts anderem, es ist keine slawische Sprache und keiner fragt irgendwas. Ungarisch klingt wie nichts sonst. Dann haben wir unsere Ruhe.

KG: Oft, wenn ich sage ich komme aus Polen, höre ich: „Ah echt, das merkt man gar nicht“. Und obwohl ich glaube, dass es in den meisten Fällen nett gemeint ist, weiß ich nie genau, was ich mit so einem Statement anfangen soll.

DH: Das merkt man bei dir aber echt nicht.

KG: Sehr lustig! Aber zurück zu Dir: Was genau ist eigentlich Innovationmanagement?

DH: Es ist ein Teil des strategischen Managements. Innovationsmanagement setzt sich aus zwei Aspekten zusammen: dem volkswirtschaftlichen, Innovation Policy, und dem betriebswirtschaftlichen - Innovation Management. Ich promoviere im BWL-Bereich auf der Mikroebene des InnovatioFoto: S. Waltherns Managements. Beides könnte Serbien gut gebrauchen, aber als Wissenschaftsbereiche sind sie dort leider noch nicht etabliert. D.h. in Serbien könnte ich gar nicht in diesem Bereich promovieren, weil es ihn einfach nicht gibt. Ein Beispiel von Innovationsmanagement im serbischen Kontext wäre, wenn die ausländischen Unternehmen, die ihre Standorte zu uns verlagert haben, sich nicht ausschließlich auf Produktion konzentrierten, sondern auch ihre Forschung und Entwicklungsprojekte bei uns durchführten . Das wäre sehr gut. Für alle. Mein Thema ist: Von der Produktion zur Innovation, genau in diesem Kontext. Ich würde gern in der Wissenschaft bleiben, obwohl ich weiß, das es schwer sein dürfte. Aber Beratung kommt auch in Frage.

KG: Wie war es, wieder in die Wissenschaft zurück zu kehren?

DH: Ein bisschen schwer, aber durch Arbeit und Beratungserfahrung habe ich Ideen für meine Promotion gefunden. In diesem Bereich sind Praxis und Theorie sehr nah, das ergänzt sich ganz gut. Ohne die praktische Erfahrung wäre es sehr schwer gewesen, eine Idee für die Promotion zu entwickeln. Damals war ich für den deutschen Markt zuständig und jetzt arbeit ich in die andere Richtung, also über die Verlagerung der Standorte aus Deutschland in die sogenannten Entwicklungsländer.

KG: Ziehst Du eine Rückkehr nach Serbien in Erwägung, nach der Promotion?

DH: Erstmal nicht. Aber wer weiß. Man muss offen für neue Perspektiven und Möglichkeiten sein. Du weißt schon: Innovation!

KG: Gibt es irgendetwas, was dich an Berlin nervt?

DH: Eigentlich nicht. Manchmal ist Berlin ein bisschen dreckig und stinkt. Aber die Leute sind toll! Für meine Frau ist es schwieriger hier anzukommen, weil sie die Sprache noch nicht so gut beherrscht, aber das ist nur die Frage der Zeit, denke ich.

KG: Wie ist es rein rechtlich? Brauchst Du ein Visum, um in Deutschland leben und promovieren zu können? DH: Serben können ganz normal nach Deutschland einreisen, dürfen aber nur bis zu 3 Monate bleiben (als Touristen). Um hier zu arbeiten braucht man Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsgenehmigung - beides nicht so leicht zu bekommen. Kennst Du das Gebäude am Friedrich-Krause-Ufer?

KG: Oh ja, sehr gut sogar, die Ausländerbehörde!

DH: Genau... Für EU Bürger ist die Sache wesentlich einfacher.

KG: Apropos EU, wie siehst du die Zukunft Serbiens in der Hinsicht?

DH: Wir haben einen großen Schritt mit dem Kosovo gemacht – das bringt uns ein bisschen näher an die EU, aber der Weg ist noch lang, wir sind noch weit entfernt, anders als Kroatien zum Beispiel.

KG: Du meintest, Du fühlst dich in Berlin wohl, weil dir die Kultur nicht fremd ist. Es gibt aber bestimmt kulturelle Unterschiede, die du im Alltag bemerkst, oder?

DH: Ja, natürlich, sehr viele. Die serbische Kultur ist eine balkanische Kultur, das heißt, die Leute sind warm, wärmer als die Deutschen, die Beziehungen zwischen den Leuten sind stärker, sie vertrauen einander mehr. Solche Beziehungen habe ich hier nicht erlebt, das ist einfach was ganz anderes. Die Leute sind auch sehr religiös, im Vergleich zu Berlin und Norddeutschland, sowohl die Katholiken als auch die Orthodoxen. Die Gesellschaft ist insgesamt konservativer, das spürt man deutlich. Wahrscheinlich ähnlich wie in Polen, oder? KG: Ja, was die Position der Kirche auch im politischen Kontext angeht, ist es auf jeden Fall sehr anders als hier.

KG: Du möchtest also auch nach der Promotion in Berlin bleiben?

DH: Mehr Möglichkeiten in meinem Bereich gäbe es im Süden Deutschlands, in Bayern und Baden Württemberg. Dahin zu ziehen würde ich natürlich auch in Erwägung ziehen, obwohl ich bis jetzt von den Städten dort nicht wirklich begeistert bin. Ich würde noch gern ein Semester in den USA verbringen, das fände ich toll!

KG: Ich drücke dir die Daumen! Danke für das Gespräch.