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„Ich wollte Teil dieser Welt sein, nicht immer nur Gast“

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Kultur

Kreativer Mikrokosmos, Musik, die nicht selbstverständlich ist, Berliner Tanzenergie und Freude am Leben und der Realität, mit der man nicht immer was zu tun hat. Ein sommerliches Gespräch mit dem polnischen Elektromusikproduzenten Gathaspar, der in Berlin lebt und werkt. 

Gathaspar treffe ich an einem sonnigen sommerlichen Tag in Berlin Mitte. Wir sitzen draussen und unterhalten uns über Musik, Berlin, Warschau, und über die Entscheidung woanders zu leben und zu arbeiten. Seit 2011 arbeitet der polnische Elektromusikproduzent mit dem deutschen Label Freude am Tanzen zusammen. Seine letzte EP National Costumes erschien dort im September 2012.

Eine ausführliche Version dieses Interviews findet sich in der Serie „Second Home“ von Cafébabel Berlin. 

Cafebabel Berlin: Was fasziniert dich so sehr an Elektromusik? Geige zu spielen wäre doch sicher auch schön…

Gathaspar: Gerade Geige würde ich tatsächlich gerne spielen können – sie ist eines meiner Lieblingsinstrumente! Das mit der Elektromusik hat sich ziemlich natürlich entwickelt. Ich habe viel Elektromusik gehört, war fasziniert und wollte versuchen, etwas selber zu machen. Zuerst wollte ich DJ sein, habe die Lust daran aber ziemlich schnell verloren. Ich habe beschlossen, mich auf eigene Musik zu konzentrieren – statt die von anderen zu mixen, bzw. zu arrangieren. Das war eine Art Experiment oder Probe, eine Suche nach mir selbst. Dann habe ich ein Demo vorbereitet, welches ich an ein paar Labels schickte. Das deutsche Label „Resopal Schallware“ hat sich als erstes zurückgemeldet. Das war eine große Überraschung, denn die sind sehr renommiert!  2010 kam meine erste Platte raus.

Cafebabel Berlin: Seit Beginn produzierst du ausschließlich für ausländische Labels. Wie sieht der Elektromusikmarkt in Polen aus?

Gathaspar: Ich bin generell etwas skeptisch und pessimistisch, was die Entwicklung der polnischen Elektroszene angeht und glaube nicht, dass sich da in naher Zukunft viel ändern wird. Neulich spielte ich bei einem Festival in Breslau – im Publikum standen ca. 40 bis 50 Leute. Das ist wenig. So eine niedrige Frequenz ist natürlich ein Problem für den Veranstalter, aber auch für die Künstler. Die Elektroszene selbst existiert in Polen zwar schon ziemlich lange, aber sie bleibt stehen, ihre Reifen stecken im Sand fest.

Cafebabel Berlin: Woran liegt das?

Gathaspar: Das Interesse an Elektromusik ist in Polen eher gering. Nur wenige Leute gehen in die Clubs, Partys bringen keinen Gewinn. Im August spiele ich auf dem Festival „Plötzlich am Meer“ an der polnischen Ostseeküste, welches aber von Deutschen organisiert wird. Interessant finde ich, dass nur ein Bruchteil des Ticketkontingents von mehreren tausend in Polen verkauft wurde. Ich denke, das ist ein hervorragendes Bild der polnischen Elektromusikszene.

Cafebabel Berlin: Es war also die fehlende Musikszene, die deine Entscheidung, nach Berlin zu ziehen, beeinflusst hat.

Gathaspar: Auf jeden Fall! Eine große Rolle spielte natürlich auch die Zusammenarbeit mit dem Label „Freude am Tanzen“. Die Berliner Musikszene hat mich fasziniert, zu Beginn allerdings mehr als jetzt. Als ich anfing, live zu spielen, waren meine Auftritte hauptsächlich hier in Deutschland und nicht in Polen. Ich wollte Teil dieser Welt sein, nicht immer nur Gast. Am Anfang hat mich die Stadt sehr fasziniert. Aber je länger ich hier wohne, desto weniger gefällt es mir.

Cafebabel Berlin: Was genau nervt dich an Berlin?

Gathaspar: Dass es hier so dreckig ist. Ich fahre viel mit dem Auto durch Berlin und manchmal nervt mich auch die Straßenanarchie, vor allem Neukölln ist da sehr unfreundlich. Jeder macht, was er will, ohne jegliche Rücksicht auf andere zu nehmen. In Berlin, finde ich, spürt man auch ein bisschen Polen – so ein Erbe des Kommunismus. Oft habe ich das Gefühl, dass viele Menschen die Stadt nicht wertschätzen: Denen ist es egal, wie sie aussieht, ob bekritzelt, dreckig,…

Cafebabel Berlin: Wo in Berlin spielst du am liebsten?

Gathaspar: Zum Spielen fand ich die „Panorama Bar“ im „Berghain“ am besten. Aber auch „Ritter Butzke“ hat eine tolle Atmosphäre, obwohl der Club selbst mir nicht so sehr gefallen hat.

Cafebabel Berlin: Wie kann man deine Musik am besten bezeichnen? Wie entsteht sie?

Gathaspar: Ich selbst bezeichne sie als Elektromusik, da ich diverse Motive und Einflüsse miteinander verbinde. So wird meine Musik nicht selbstverständlich, nicht leicht zu definieren. Es gibt in ihr House- und Techno-Elemente, manchmal auch Dub, aber auch starke Einflüsse der klassischen Musik und Balkan-Rhythmen. Für mich liegen Sinn und Essenz der Elektromusik in der Möglichkeit, diverse Impulse zusammen zu bringen, sie unterschiedlich miteinander zu arrangieren.

Ich arbeite ausschließlich von zu Hause aus, habe kein getrenntes Studio. Ich bin nach Berlin gekommen, um hier zu leben – ich wollte meinen Lebensstill nicht diametral ändern.

Cafebabel Berlin: Das heißt, du nimmst deinen musikalischen Mikrokosmos an einen anderen Ort mit – und das gibt dir die Möglichkeit, dich an diesem neuen Ort wohl zu fühlen?

Gathaspar: Genau so ist es. Ich ziehe woanders hin und mache weiter mein Ding.

Cafebabel Berlin: In deiner Musik gibt es viele bunte Stimmen und Geräusche. In unerwarteten Momenten fügst du eine Kontrabasslinie oder andere Instrumente hinzu. Woher kommen die Ideen und was ist zuerst da?

Gathaspar: Unterschiedlich. Manchmal habe ich die Basslinie zuerst, manchmal den Rhythmus. Die Stimmen und Instrumente, von denen du sprichst, transportieren in meinem Empfinden viele Emotionen – und das ist mir sehr wichtig, denn in meinem Verständnis sind sie ein integraler Teil von Musik. Im Kontext der Stimmen und Melodien schrieb neulich jemand von „polnischen“ Einflüssen. Das stimmt so nicht, hauptsächlich stammen sie aus dem Balkan, manchmal aus der Ukraine.

Cafebabel Berlin: Wo kann man dich in der nächsten Zeit hören?

Gathaspar: Am 23. August spiele ich auf dem „Mózg Festival“ im polnischen Bydgoszcz. Am 25.08. bin ich auf dem Festival „Plötzlich am Meer“. In Berlin spiele ich dann wieder im Oktober.

Cafebabel Berlin: Vielen Dank für das Gespräch.

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