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ICH SCHÄMTE MICH, EINE DEUTSCHE ZU SEIN Ein Besuch in Auschwitz-Birkenau

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Gerda Hutt

Der 27. Januar ist seit 1996 ein bundesweiter Gedenktag. Der inzwischen verstorbene frühere Bundespräsident Roman Herzog ernannte ihn zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Der Jahrestag erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 und  das KZ Auschwitz durch die Rote Armee. Hier einige Eindrücke von einem Besuch an dieser Stätte. 

Mit Reisegruppe nach Auschwitz

Als ich mit einer Reisegruppe in Polen weilte, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, Auschwitz zu besuchen. Wir hatten viel auf dem Programm und einen Tag zur freien Wahl. In Krakau war mir klar, dass ich nach Auschwitz fahre. Im Fernsehen sah ich es oft oder las davon. Viele deutsche Politiker von Rang besuchten Auschwitz und Auschwitz-Birkenau, Orte des Grauens, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen kann. Meine Reisegefährtin wollte nicht mit, also fuhr ich alleine mit einer Touristengruppe dorthin. Auf dem Weg sahen wir einen Film, den ein Soldat gegen Ende des Krieges in Auschwitz gedreht hatte. Es waren bewegende Bilder über das Grauen. Aber es war es Film und das schafft Distanz.

Am Ziel in Auschwitz angekommen erhielten wir eine polnische Führerin. Sie sprach Englisch. Der Rundgang war in Deutsch angekündigt und ich erkundigte mich, ob dem nicht so wäre. Die Polin, ihr Großvater war selbst in dem KZ umgekommen, verneinte mit einem Blick meine Frage, dass ich während der mehrstündigen Tour darauf verzichtete, mich als Deutsche zu erkennen zu geben. Ich schämte mich, eine Deutsche zu sein, angesichts dessen, war hier die Nazis im Zweiten Weltkrieg anrichten.

Ich bin ein Nachkriegskind, habe nichts mit dieser Geschichte zu tun, die ich aus dem Unterricht,  Studium und den Medien  kenne. Trotzdem fühlte ich mich als Deutsche hier recht schlecht und irgendwie mitverantwortlich für all das Grausame, das geschehen konnte. Viele wussten davon und unternahmen nichts. Einige versuchten es erfolglos und verloren dabei ihr Leben. 

Mehr als 1.1 Millionen Juden verloren hier ihr Leben

Sicher ist, dass in Ausschwitz zwischen Mai 1940 und Anfang 1945 mehr als 1.1 Millionen Menschen ums Leben kamen, vermutlich waren es sogar mehr, geschätzt werden 3 Millionen. In erster Linie waren es Juden aus Polen und der ganzen Welt, gefolgt von Sinti und Roma und natürlich körperlich und geistig behinderte Menschen. Bei der Ankunft der Menschen im Lager entschied ein Arzt per Daumen nach rechts oder links, ob der Betreffende arbeitsfähig sei oder nicht. Wer arbeiten konnte kam in eine Unterkunft, der Rest wurde gleich umgebracht. Den harten Arbeitsdienst in benachbarten Fabrikanlagen, überlebten die meisten Männer nur vier Monate. Dann starben sie an Entkräftung. Wer länger lebte, konnte sich irgendwie Nahrung beschaffen, was allerdings die Ausnahme darstellte und als verdächtig galt. Sie mussten jeden Tag hart arbeiten und bekamen nur wenig zu essen. Die Männer waren in Blockhütten aus roten Backsteinen untergebracht. Oft schliefen sie auf dem Boden oder zu dritt in einem Bett. Sie hatten fast keinen Platz zur Verfügung, um sich zu bewegen und waren immer von Menschen umgeben. Die Toiletten konnten sie morgens und abends kurz aufsuchen. Das war‘s und sich waschen.

Sie waren verdreckt und verlaust, das können Sie sich nicht vorstellen, erzählte die polnische Reiseführerin. Die Aufsicht über die Gefangenen hatten meist Leute mit kriminellem Hintergrund oder aus dem Rotlichtmilieu, die nach Auschwitz gebracht wurden und hier etwas besser behandelt wurden als der Rest.

Frauen, Kinder und ältere Menschen, die vom Arzt als nicht arbeitsfähig eingestuft wurden, wanderten gleich in die Gaskammer. Sie mussten sich ausziehen und kamen in eine Art Duschraum für viele Menschen. Aber aus den Duschköpfen floss kein Wasser, sondern strömte Gas. Viele Juden wurden hierhergelockt. Man versprach ihnen, sie in Sicherheit vor den Nazis zu bringen. Sie mussten für die Fahrt nach Ausschwitz, in den sicheren Tod, sogar eine Menge Geld bezahlen. Bis zum Duschraum hielt man sie mit Versprechen hin. Danach bekämen sie etwa eine schöne heiße Tasse Kaffee zu trinken. Nur damit sie sich auszogen und weiter den Weg in den sicheren Tod gingen. Die Juden ahnten nichts, es entstand keine Panik unter den Leuten, erklärte die Polin. Worum es tatsächlich ging, merkten Sie erst in der Duschkammer, als Gas einströmte, statt Wasser. Aber da war es zu spät. So eine Aktion dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Dann wurden den Toten nach draußen gebracht und die Nächsten vergast.

Haare, Schuhe, Brillen hinter Scheiben

In den einzelnen Blockhütten ist die Geschichte von Auschwitz dargestellt und jeder kann sie auf den Tafeln nachlesen. In einer Hütte finden sich hinter Glasscheiben die gesammelten Schuhe der Vergasten oder die Brillen, Haare, Koffer mit denen sie anreisten. Gehhilfen von Behinderten sind hier zu sehen. Hier durften wir nicht fotografieren, um die Würde der Menschen nicht zu verletzten. In einer anderen Hütte sind zahlreiche Fotografien von Männern zu sehen, die zur Arbeit geschickt wurden. Jeder hatte eine Nummer und eine Glatze. Die Haare wurden geschoren. Diese sammelten ebenso wie alles andere die Nazis und verarbeiteten das Material zum Teil weiter. 

In Ausschwitz war alles bis ins Detail durchorganisiert und kaum einer kam hier lebend raus. In Auschwitz-Birkenau wurden viele vergast. Es ist nur ein paar Kilometer entfernt. Die vier Gaskammern haben die Nazis zerstört, als sich abzeichnete, dass die Deutschen den Krieg verlieren und die Sowjets im Anmarsch waren. Heute sind nur noch Überreste zu sehen. Das Haus der obersten Chefs des Lagers steht noch in Auschwitz. Er lebte hier mit seiner Familie. Es übersteigt fast das Vorstellungsvermögen, wie in so einer Umgebung Kinder aufwachsen können, wo ein Familienvater und Ehemann all das Grauen mittrug. 

Auschwitz-Birkenau – deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager

Seit Juni 2007 heißt das Museumsgelände „ Auschwitz-Birkenau – deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager“. Es ist UNESCO-Weltkulturerbe. Damit soll die damalige deutsche Verantwortlichkeit der Deutschen für die hier errichteten Stätten des Massenmordens deutlich gemacht werden, auch für kommende Generationen. Denn mit dieser Vergangenheit müssen die Deutschen leben. Ein Hinweis darauf, dass in anderen Ländern auch Unrecht geschieht, entschuldigt diese Verbrechen nicht, gemäß dem Bibelspruch: Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.

Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“.

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Gerda Hutt

Von Beruf bin ich Redakteurin. Nach dem Studium (Politische Wissenschaften, Geschichte, Germanistik) an der RWTH Aachen mit dem Abschluss M. A. habe ich einige Jahre als freie Journalistin für örtliche Tageszeitungen im Zollern-Alb-Kreis gearbeitet. Schreiben und fotografieren waren meine Hauptbeschäftigung. Als die Computer Einzug hielten, absolvierte ich in Mannheim eine ungefähr ein Jahr dauernde EDV-Ausbildung. Mit diesen Kenntnissen begann ich bei einer größeren EDV Monatszeitschrift in München eine Ausbildung und wurde zur Redakteurin. Meine Schwerpunkte waren Textverarbeitung und Datenbanken. Ich kam viel in der Welt herum, bis ins Silicon Valley in den USA. Später war ich als Redakteurin für das Blaue Who is Who in München tätig und dann als Distric-Sales-Managerin. In dieser Zeit war ich öfters in der österreichischen Hauptstadt. Inzwischen bin ich in Mannheim ansässig und habe ein TextBüro. Wenn ich nicht gerade einen Text oder eine wissenschaftliche Arbeit Korrektur lese, dann schreibe ich Artikel oder Kurzgeschichten. Schwerpunkt sind Ausstellungen.