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Geopolitik: Erdoğan liebäugelt wieder mit Putin

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Politik

Russlands Präsident Putin und sein türkischer Amtskollege Erdoğan haben bei einem Treffen in Sankt Petersburg ihr Zerwürfnis seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets im Herbst für beendet erklärt. Dass diese wieder gewonnene Verbundenheit die geopolitische Lage ändert, darüber sind sich Kommentatoren einig. Einige zeigen sich jedoch besorgt, während andere sich darüber freuen.

Avvenire: Das neue alte Einvernehmen; Italien

Erstaunlich ist, dass der Westen sich über die Eintracht zwischen Moskau und Ankara wundert, konstatiert die Tageszeitung Avvenire: „Die zweite russisch-türkische Ehe hat strategische Gründe. Beide Länder liegen am Schwarzen Meer, das eines der Zentren der US-amerikanischen Geopolitik geworden ist. Angefangen von der Ukraine, die das Weiße Haus dem Einfluss Moskaus hat entziehen wollen. […] Russland und die Türkei sind zu groß und zu stark, um sich mit dem Vasallentum abzufinden, doch sind sie nicht groß und stark genug, um ebenbürtig mit den USA zu rivalisieren. Ist es da nicht normal, dass sie sich zusammentun? […] Das Gleiche geschieht im Nahen Osten. In Syrien sollte Putin laut Assad bleiben, nach Erdoğans Wunsch gehen. Jetzt sind beide an einem Kompromiss interessiert. Assad könnte ins Exil nach Moskau gehen und den Platz räumen für einen Nachfolger, der den Nachbarn genehm ist. Aus Zweckmäßigkeit und vor allem aus gemeinsamer geopolitischer Notwendigkeit.“ (10. August 2016)

Daily Sabah: Beginn einer neuen Weltordnung; Türkei

Das Treffen zwischen Erdoğan und Putin hat historische Bedeutung, da es die globalen Kräfteverhältnisse neu ordnet, betont die regierungstreue Daily Sabah: „Wir treten in eine neue und multipolare Welt ein, wo Länder wie die Türkei das Schicksal ihrer Region bestimmen und zum Funktionieren des globalen Systems beitragen werden. Deswegen betont Erdoğan bei jeder Gelegenheit, dass es mehr als fünf [Mächte] gibt. [...] Die Verfechter der alten Weltordnung kümmerten sich kaum um Putin und sein Projekt einer Eurasischen Union. Denn eine Eurasische Union, die die Türkei ausschließt, wäre nicht mehr als die Karikatur einer neuen, aber morschen Sowjetunion. Doch jetzt besteht die Möglichkeit eine von der Türkei unterstützte Eurasische Union zu errichten. [...] Daher können wir die Ereignisse vom 15. Juli nicht bloß als gewöhnlichen Putschversuch betrachten. Er wurde angeordnet und inszeniert zu einem früheren Datum und hat direkt mit der Wiederannäherung an Russland und Israel zu tun.“ (10. August 2016)

L’Echo: Türkei und Russland könnten Schule machen; Belgien

Dem russischen und türkischen Abgleiten in autoritäre Regime könnten weitere Länder folgen, sorgt sich L’Echo: „Diese Annäherung zwischen der Türkei und Russland könnte andeuten, dass langsam, aber sicher ein neues globales Kräfteverhältnis entsteht, in dem der Westen und seine Werte nur noch einen nachrangigen Platz einnehmen. Europa hat demografische Probleme und macht eine Krise nach der anderen durch. Die Türkei und Russland, zwei militärische Großmächte in wirtschaftlichem Aufschwung, profitieren von dieser Schwäche, um ihr autoritäres Modell auf dem geopolitischen Schachbrett durchzusetzen. Es besteht eine große Gefahr, dass immer mehr Schwellenländer sich ebenfalls für den Autoritarismus und gegen das demokratische Modell entscheiden.“ (10. August 2016)

FAZ: Anlass zur Erleichterung; Deutschland

Nato und EU müssen sich über die Wiederannäherung von Moskau und Ankara keine allzu großen Sorgen machen, glaubt die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Zunächst ist festzustellen, dass nicht zuletzt die Nato in höchstem Maße alarmiert war von den Vorfällen im vergangenen Herbst; eine militärische Eskalation schien tatsächlich möglich und musste unbedingt vermieden werden. Dass sich wenigstens diese Wolken verzogen haben, ist Anlass, erleichtert zu sein. Dass der türkische Präsident nun Zuwendung bei Putin sucht, weil er die in Europa nicht zu finden glaubt, ist eher ein Beleg dafür, dass in St. Petersburg keine antiwestliche Allianz von strategischer Tiefe geschmiedet wird, sondern allenfalls ein mit Versöhnungsrhetorik verziertes Zweckbündnis entsteht.“ (10. August 2016)

To Vima: Griechenland wird endlich wieder wichtig; Griechenland

Eine neue Achse Moskau-Ankara wird die geopolitische Rolle Griechenlands stärken, jubelt To Vima: „Die gestrige gemeinsame Erklärung von Putin und Erdogan in St. Petersburg schafft eine neue Realität, deren Bedeutung über die Region hinausgeht und ein sehr wichtiges internationales Ereignis geopolitischer Natur ist. Diese Erklärung ist sehr wichtig für Griechenland. [...] Dies liegt daran, dass sie Griechenland sehr nah an seine geopolitische Rolle zurückbringt, die es bei der Staatsgründung Anfang des 19. Jahrhunderts hatte: An vorderster Front für den Westen, die Grenze des Westens. Niemand im Westen kann ignorieren, dass die geopolitische Rolle Griechenlands gestärkt wird. [...] Wichtig ist, dass Athen selbst es nicht ignoriert. Es muss sofort die Gelegenheit nutzen, um seine Rolle in der Region zu stärken, in enger Zusammenarbeit mit Zypern, Israel und natürlich mit den USA.“ (10. August 2016)

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