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Gemeinsam gegen die Dienstleistungsrichtlinie

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Default profile picture julia eichhorst

Europa ist dabei, seine Arbeitsmärkte zu öffnen. Aber wenn die EU keinen Rahmen schafft, der die Rechte der Arbeitnehmer schützt, könnte dies zum Nachteil der Europäer ausgenutzt werden.

Die letzten 50 Jahre haben den Weltmarkt für Kapital vereint. Dies spiegelt sich aber nicht auf dem Arbeitsmarkt wider. Während Kapital freier geworden ist, wurde an den Grenzen der EU die Bewegungsfreiheit zunehmend eingeschränkt. Dies ist dabei, sich zu ändern – zumindest innerhalb der EU.

Öffnung der Arbeitsmärkte...

Im letzten Monat haben Finnland, Spanien und Portugal angekündigt, ihre Arbeitsmärkte für Arbeiter aus den neuen Mitgliedstaaten ab Mai 2006 zu öffnen. Während einige Staaten, vor allem Deutschland und Österreich, zur Zeit noch Übergangsfristen beibehalten, ist es auf lange Sicht unausweichlich, dass sie ihre Grenzen für Arbeiter aus den neuen Mitgliedstaaten werden öffnen müssen; sogar das protektionistische Frankreich bereitet sich auf Veränderung vor.

Ein neuer Bericht der OECD zeigt, dass die Öffnung der Arbeitsmärkte keine riesigen Einwanderungswellen zur Folge haben wird und dass die Volkswirtschaften der Länder, die bereits ihre Grenzen geöffnet haben (Schweden, Großbritannien und Irland), von den neuen Arbeitskräften profitiert haben.

...um welchen Preis?

Die Frage der Übergangsfristen ist daher nebensächlich. Viel dringlicher ist die Frage, wie in einem vereinten Arbeitsmarkt die Rechte der Arbeiter bewahrt werden. Dies ist für die eine große Herausforderung, die sich die Sicherung der Arbeiterrechte auf die Fahnen geschrieben haben: Die Gewerkschaften. Der Europäische Gewerkschaftsbund (European Trade Union Confederation – ETUC) versucht, auf diese Frage zu antworten.

Der ETUC ist eine europäische Organisation, die Gewerkschaften aus ganz Europa vereint. Im Inteview mit cafebabel.com begrüßte Tom Jenkins, Senior Advisor des ETUC für internationale Angelegenheiten, dass mehr Länder ihre Arbeitsmärkte öffnen wollen. „Am liebsten würden wir gar keine Übergangsfristen haben“, so Jenkins. „Die befristeten Einschränkungen hatten sogar einen negativen Effekt: Sie haben dazu angeführt, dass Schwarzarbeit, Ausbeutung und Diskriminierung größer geworden sind.“ Der Arbeitskräftemangel in Westeuropa bleibe. Ein Öffnen des Arbeitsmarkts sei eine bessere Lösung als Schwarzarbeit.

Jedoch unterstützt der ETUC einen offenen Arbeitsmarkt nur bedingt. Die Organisation verlangt, dass Menschen, die im gleichen Sektor arbeiten, auch den gleichen Lohn erhalten. „Die Öffnung der Arbeitsmärkte sollte nicht als Ausrede für einen verstärkten Wettbewerb herhalten“, sagte Tom Jenkins. Dieses Prinzip der Gleichbehandlung ist für den ETUC zu einem der wichtigsten Themen geworden.

Änderung des Entsendeprinzips

Das Prinzip war scheinbar gewährleistet durch die so genannte Entsenderichtlinie, nach der Arbeiterrechte und Arbeitsrecht das Kernstück des Gemeinsamen Marktes bildeten. Dies wurde 2004 in der Dienstleistungsrichtlinie – auch als Bolkestein-Richtlinie bekannt – angefochten. Letztere plädierte für die weitgehende Liberalisierung der Dienstleistungen in Europa. Der Hauptstreitpunkt war das „Herkunftslandprinzip“, nach dem Firmen nur den Bestimmungen ihres Herkunftslandes unterworfen sind. Dies, so fürchtete der ETUC, würde zu einer Abwärtsspirale führen, da Firmen sich in dem Land mit den niedrigsten Löhnen und den niedrigsten Umweltstandards neu ansiedeln würden, um zu günstigeren Bedingunen ihre Dienstleistung in die anderen Länder zu verkaufen.

Dieser Vorschlag führte zu massivem Protest, der vom ETUC angeführt wurde. Im Februar stimmte das Europäische Parlament mit 391 zu 213 Stimmen für eine grundsätzliche Änderung der Dienstleistungsrichtlinie – eine Änderung, die alle in der Entsenderichtlinie vorhandenen Elemente bewahren sollte. Die Kommission hat die Vorschläge des Parlaments weitgehend übernommen. Firmen sollen nun dazu verpflichtet werden, Löhne und Arbeitsbedingungen des Landes zu beachten, in dem die Dienstleistung ausgeführt wird. Das Parlament wird später im Jahr über den Kompromissvorschlag der Kommission abstimmen.

Kritik wird laut

In diesem reformierten Gesetz wird auch die Zahl der Dienstleistungen begrenzt, die liberalisiert werden können. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wie bei Bildung und Gesundheit, so argumentiert der ETUC, sollten unter einen anderen Rahmen fallen als kommerzielle Dienstleistungen. Kritiker behaupten, dass die ursprüngliche Version der Dienstleistungsrichtlinie verwässert wurde und dass sie nun Ländern wie Frankreich weiterhin eine protektionistische Politik ermögliche, die den Wettbewerb mit Firmen der neuen Mitgliedstaaten unfairerweise einschränke.

Kurz nach der Abstimmung im Februar äußerte der polnische Wirtschaftsminister Piotr Wozniak Zweifel, ob der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form überhaupt der Unterstützung wert sei. Doch dieser Einwand greift zu kurz. Zwar bringt ein einheitlicher Dienstleistungsmarkt den neuen Mitgliedsstaaten kurzfristig Vorteile, doch werden sie aufgrund ihrer Armut dem Wettbewerb nicht langfristig standhalten können.

Die Debatte

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Rechts und Links zunehmend unklar werden, ist die Debatte erfrischend. Diejenigen, die eine Richtlinie à la Bolkenstein vorziehen, argumentieren mit Kostensenkunen; die andere Seite argumentiert auf klassisch linke Weise: Öffentliche Dienstleistungen müssten vor dem Markt geschützt werden.

Das Durcheinander der Debatte spiegelt die große Verwirrung wider, in der sich das europäische Projekt befindet. Genügt es Europa ein Wirtschaftsraum zu bleiben, oder gibt es ein tiefer gehendes soziales und intellektuelles Projekt hinter diesen Reformen?

Wie diese Frage geklärt werden soll, steht im Mittelpunkt des Ringens um einen vereinten Arbeitsmarkt. Sollen polnische Arbeiter in Finnland nach polnischem Tarif oder nach finnischem Lohnniveau bezahlt werden? Letzteres ist eher im Einklang mit einem europäischen Projekt, das die Lebensqualität in ganz Europa erhöhen will.

Translated from Standing in union against the Bolkestein Directive