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Ganz im Trend

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Islam in Europa

Mode paradox: Der Iran hat ein Einfuhrverbot für Krawatten verkündet, die ihm als Symbol der westlichen Dekadenz und als kulturfremdes Modeaccessoire zutiefst verhasst sind, indessen sich in Amerika der Verband der Krawattenhersteller gezwungen sah, sich mangels Nachfrage selbst aufzulösen. Eine Glosse. Dienstag 10.

Juni 2008

Meist breiten sich Modeströmungen rasend schnell aus, manchmal aber entwickelt sich Mode auch ungleichzeitig oder gar entgegengesetzt. So bindet im Iran heute der Mann, wenn er sich modisch und modern geben möchte, eine Krawatte um den Hals. Selbst vor den Toren der Freitagsmoschee im Herzen des Teheraner Bazars, dem letzten Refugium der Religiösen, fand sich zeitweilig ein Stand mit den gestreift, kariert oder sonst wie gemusterten Tüchern. Und das obwohl die Krawatte dem Regime seit der Revolution als Symbol der westlichen Dekadenz ein Dorn im Auge ist.

Um dem Modetrend endlich Einhalt zu bieten, hat die Zollbehörde nun verkündet, die Einfuhr der unislamischen Modeartikel zu verbieten. Was die iranischen Sittenwächter dabei nicht ahnten: Mit der Abkehr von der Krawatte liegen sie voll im westlichen Trend: Kürzlich sah sich der amerikanische Verband der Krawattenhersteller zur Selbstauflösung gezwungen, weil der modebewusste Geschäftsmann in Amerika heute zwar Anzug trägt, aber keine Krawatte mehr. Nur noch sechs Prozent aller Männer sind einer Umfrage zufolge bereit, sich täglich im Büro den Hals zuzuschnüren.

Noch könnte es aber eine Zukunft für die amerikanischen Krawattenproduzenten geben. Denn im Iran glaubt mancher Beobachter, dass es dem Regime mit dem Einfuhrverbot in Wahrheit weniger darum geht, das Tragen des kulturfremden konterrevolutionären Accessoires zu unterbinden, als selbst die Hand auf den lukrativen Schwarzmarkthandel zu legen. Schade nur, dass sich Washington partout jeder Verhandlung mit Teheran verweigert. Sonst wäre es vielleicht doch noch möglich, einen Deal zur Rettung des bedrohten Industriezweigs auszuhandeln.