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Frauen schützen, Täter bestrafen

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Eine von fünf Frauen in Europa ist Opfer von Gewalt. Noch fehlt es an offiziellen Statistiken und politischen Maßnahmen.

Als die Finnen herausfanden, dass mehr als 20 Prozent der Frauen in ihrem Land Opfer von Gewalt durch ihren Lebenspartner sind, war der Aufschrei groß. Eine Umfrage unter 7100 Frauen zwischen 18 und 74 Jahren aus dem Jahr 1997 – die erste dieser Art in Europa – offenbarte eine Wahrheit, von der viele lieber nichts gewusst hätten.

Oft heißt es, dass häusliche Gewalt in die Privatsphäre gehöre: Was in der eigenen Wohnung passiere, gehe niemanden etwas an. Es sei Teil des normalen Lebens. Doch diese Wahrnehmung ändert sich. Die Bemühungen der Frauenorganisationen in den neunziger Jahren werden inzwischen von Amnesty International und dem Europarat durch Meinungskampagnen unterstützt.

Häusliche Gewalt unterscheidet sich von gelegentlichen Streitereien, die innerhalb einer Beziehung vorfallen können. Es handelt sich um Formen von Gewalt, die bis zu Morddrohungen gehen können. Diese Gewalt ist nicht nur körperlich oder sexuell, sondern auch psychologisch und finanziell. Sie ist in der Gesellschaft verankert: Die Agressiviät ist so weit verbreitet, weil die Gesellschaft ein Männerbild transportiert, nach dem der Mann "seine" Frau dominiert und die Vormachtsstellung inne hat.

Die Dunkelziffer ist hoch

Es gibt keine offizielle Statistik, die diese Katastrophe genau abbildet. Die Zahlen repräsentieren nur die Fälle, in denen die Polizei oder die Justiz aktiv geworden ist. Gerade bei häuslicher Gewalt zögern die Opfer häufig, die Ordnungskräfte zu Hilfe zu holen. Und selbst wenn die Opfer Anzeige erstatten, werden ihre Beschwerden nicht immer registriert. Viele Frauen ziehen im Nachhinein ihre Anzeige zurück.

Erst seit Mitte der neunziger Jahre werden Untersuchungen durchgeführt, die zuverlässigere Angaben ermöglichen. Die Situation ist schockierend: zwischen 20 und 25 Prozent der Frauen in Europa sind Opfer physischer Gewalt des Lebensgefährten oder des Ehemanns.

Mythos vom spanischen Macho

Überall auf dem alten Kontinent findet man die gleichen Zahlen. Die Männer im Süden nicht gewalttätiger als die im Norden, in Großbritannien oder in Frankreich. Laut einer Umfrage in den Niederlanden aus dem Jahr 1989 erklärten 20,8 Prozent der Frauen, dass sie im Laufe ihres Lebens Opfer körperlicher Gewalt eines männlichen (Ex-)Partners geworden sind. Bei 13 Prozent der Frauen lag der sexuelle oder körperliche Missbrauch zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht lange zurück. In Finnland gaben 1998 22 Prozent der verheirateten oder mit ihrem Partner zusammenlebenden Frauen an, Opfer von Gewalt oder Drohungen ihres aktuellen Partners zu sein. Im vorangegangenen Jahr waren es nur neun Prozent gewesen. In Frankreich ist die Situation nicht besser: sechs Todesfälle pro Monat werden auf häusliche Gewalt zurückgeführt.

In Litauen ergab 1999 eine Umfrage, dass 42, 4 Prozent der in einer Partnerschaft lebenden Frauen Opfer der Gewalt ihres Partners geworden sind. In Ungarn stirbt jede Woche eine Frau an den Schlägen ihres Partners. 1996 sind 18 Prozent der polnischen Frauen Opfer von häuslicher Gewalt geworden, die Hälfte davon wird regelmäßig geschlagen.

Keine kulturelle, geographische oder altersbezogene Klasse kann sich vor häuslicher Gewalt sicher fühlen. Außerdem tritt die Gewalt, anders als man glauben sollte, nicht nur bevorzugt in Verbindung mit Armut, Alkohol oder Drogen auf.

Unterschiedlich ist hingegen von Land zu Land die Ausprägung der Aktivitäten von Seiten der Verbände, der Politik und der Zivilgesellschaft. Wenn man also den Eindruck hat, dass der „iberische Macho“ gewalttätiger ist als Männer aus dem Norden, so liegt das daran, dass sich die spanischen Interessensverbände stark mobilisiert haben, um die Gesetzgebung zu ändern.

Europa muss reagieren

In den einzelnen europäischen Ländern werden unterschiedliche politische Maßnahmen ergriffen. Drei Länder haben einen nationalen Aktionsplan aufgestellt, um gegen alle Formen von Gewalt gegen Frauen zu kämpfen: Deutschland, Spanien und Schweden. Insgesamt haben nur sieben Länder einen nationalen Plan gegen Gewalt im Allgemeinen: Belgien, Kroatien, Dänemark, Litauen, die Niederlande, Polen und Portugal. Nur neun Länder unterstützen ihren Aktionsplan mit zusätzlichen finanziellen Mitteln. Von den 25 EU-Mitgliedsstaaten haben nur Schweden und Dänemark Unterkünfte, in denen missbrauchte Frauen Zuflucht finden können.

Gewalt an Frauen ist ein großes Hindernis auf dem Weg zur Gleichstellung mit Männern. Das Programm „Daphne“ ist die bisher einzige Initiative der Europäischen Union, die Projekte gegen Gewalt an Frauen und Kindern finanziell unterstützt. . Noch heute untersteht diese Aufgabe der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Das europäische Parlament fordert schon seit langem ein „Jahr gegen die Gewalt an Frauen“, sein „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern“ setzt dieses Problem auf die Prioritätenliste. Es ist an der Zeit, entschiedener zu reagieren und eine europäische Gesetzgebung zu schaffen, die Frauen schützt, Männer sensibilisiert und Täter bestraft.

Translated from « Les Européens du Sud ne sont pas plus violents que ceux du Nord »