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Finger weg von Salazar

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Default profile picture Anke Lutz

KulturGesellschaft

Der Diktator des 'Estado Novo' ist von den Portugiesen zur größten Persönlichkeit Portugals gewählt worden. Der portugiesische Schriftsteller Jaime Nogueira Pinto erklärt warum. Auf seine Art und Weise.

Es war der 25. März 2007, als RTP, der wichtigste Fernsehsender Portugals, via Bildschirm den Gewinner der Fernsehumfrage zur herausragendsten Persönlichkeit der portugiesischen Geschichte bekannt gab: Antonio de Oliveira Salazar, portugiesischer Diktator, der 35 Jahre lang die Fäden seines Landes zog. Ein posthumer Sieg, der das Land in eine undenkbare Identitätskrise stürzen sollte.

41 Prozent der Portugiesen stimmten für den Diktator Salazar - eine ungeheure Zahl bei zweihunderttausend Auswahlmöglichkeiten in der Liste (eine übertriebene Zahl, gemessen an den gerade mal 9 Millionen potenziellen Stimmen des Landes, AdR). Selbst den Zweitplatzierten, den 'Erbfeind' Alvaro Cunhal - historischer Studentenanführer der jungen portugiesischen Kommunisten, der 2005 verstorben ist - hängte er mit einem großen Vorsprung um 20 Prozentpunkte ab. Die Fernsehumfrage lässt befürchten, dass die "Nostalgiker" des 'Estado Novo' wirklich und wahrhaftig eine Partei gründen könnten. Ursprünglich war der Name Salazar auf der Liste gar nicht aufgeführt: simples Vergessen seitens der Autoren oder Verdammung einer 'unbequemen' Persönlichkeit?

De Gaulle, Churchill, Franco

"Wir möchten gleich darauf hinweisen: es gab keine Möglichkeit zu schummeln. Diese Umfrage drückt auf eine einfache und präzise Weise das Gedankengut der Portugiesen aus", beeilt sich Jaime Nogueira Pinto von der Universität Lissabon zu versichern. Er ist im ganzen Land für seine Verteidigungsreden Salazars im Fernsehen bekannt. Selbst eine Biographie des Diktators hat er geschrieben. Sie ist bereits in fünfter Auflage erschienen. Nogueira Pintos Anzug sitzt makellos: eleganter, dunkler Blazer und eine eng am Hals anliegende Krawatte. Obwohl es schon Spätherbst ist, brennt die Sonne glühendheiß. Der Asphalt ist aufgeheizt und macht die steilen Serpentinen hinauf nach Alfama, zur Stadtfestung Castello di Sao Jorge, noch mühsamer.

Die Resultate der Umfrage - ein Copyrightformat der BBC - die bereits in anderen europäischen Ländern durchgeführt wurde, ist umso erschütternder, wenn man sie mit ihren europäischen 'Geschwistern' vergleicht: in Frankreich gewann General Charles de Gaulle, in England Winston Churchill. "Tatsächlich sind dies alles extrem ähnliche Profile", betont Nogueira Pinto. "Leute mit außergewöhnlichem Charisma, führende Politiker, die die Zügel der Macht lange Zeit in ihren Händen hielten und ihr Land aus fundamentalen historischen Krisen herausführten."

Undenkbar, wenn in der spanischen Ausgabe der Sendung anstelle von König Juan CarlosFranco gewonnen hätte, mit dem Salazar übrigens lange politisch auf Tuchfühlung gegangen war. Oder wenn sich im italienischen Sende-Pendant Mussolini durchsetzen würde, von dem sich der portugiesische Führer sogar öffentlich inspirieren ließ. In der deutschen Fassung hat man, um Probleme von vornherein zu vermeiden, Adolf Hitler von der Liste der zu wählenden Persönlichkeiten gestrichen. Natürlich sind die politischen Rahmenbedingungen ganz unterschiedlich: in Deutschland oder Italien ist die Verherrlichung des Faschismus eine Straftat (gemäß Gesetz vom 20. Juni 1952, AdR) und die öffentliche Meinung kennt keine Toleranz gegenüber Anhängern dieser Diktatoren.

Charisma und Politikb>

Ebenso könnte man aber auch anführen, dass es Salazar war, der sein Land aus dem Zweiten Weltkrieg heraushielt. Kann ein Umfrageresultat dieser Art reale Auswirkungen auf die aktuelle Politik des Landes haben? Das schließt Nogueira Pinto aus: "Man muss zwischen Charisma und Politik unterscheiden: Heute kann jedermann einen Teil des gedanklichen Erbes des 'Estado Novo' beanspruchen. Das ist keine Frage von rechts oder links: die Alarmglocke schrillt für alle. Die Korruption und die Unbeweglichkeit in der Politik bewirken manchmal, dass man resoluten und ehrenhaften Menschen nachtrauert", so der Schriftsteller und Professor weiter. Schnell kommt er zum Kern des Problems: der Frage nach der Glaubwürdigkeit der Politik unserer Tage, ein oft paneuropäisches Problem. Man denke nur an die Klatschpresse um die familiäre Situation von Nicolas Sarkozy in der Scheidungsphase von Cécilia, seiner damaligen Ehefrau. Oder an den 'Vaffanculo Day' des Komikers Beppe Grillo, der in Italien eine Art Volksrevolution ausgelöst hat.

Man muss jedoch sagen, dass die portugiesische Politik die europäische Ratspräsidentschaft mit Bravur gemeistert hat und den langersehnten Reformvertrag schlussendlich auf den Weg bringen konnte. "In der Politik ist Respekt das oberste Gebot: Salazar ist eine Figur, die wegen ihrer moralischen Integrität, Dialektik und wirtschaftspolitischen Kompetenz von den Leuten respektiert wurde", verteidigt Nogueira Pinto. "Aber in Bezug auf seine Wertvorstellungen und seine Lebensweise sind wir Lichtjahre voneinander entfernt Er hatte keine Familie, ging niemals auf Reisen und las keine Romane. Er war sicher niemand, der Sympathien anzog, obwohl er einen großen Sinn für Humor hatte. In gewisser Weise sind wir absolut gegensätzlich. Aber dies ist kein Grund für mich, seine Größe zu verleugnen."

Translated from «Nessuno tocchi Salazar», sostiene Nogueira