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Filmförderung: Protektionismus oder kulturelle Notwendigkeit?

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Europäische Filmemacher profitieren auf vielfältige Weise von öffentlichen Geldern. Hollywood schreit auf.

Vom 12.-23. Mai ist es wieder soweit. Filmliebhaber streben in die heimliche Filmhauptstadt Cannes, wo oftmals „europäische“ Filme prämiert werden, die sich vom sogenannten Hollywood-Kino abgrenzen. Vor einigen Wochen regte sich die US-Kinoindustrie auf: Hollywood, das ohne staatliche Unterstützung auskommen muss, kritisierte die Entscheidung der Europäischen Kommission, die finanzielle Unterstützung für europäische Film-Produktionen durch das MEDIA-Programm der EU um ein Jahr bis 2007 zu verlängern (und damit das Programmbudget von 400 auf 493 Mio. Euro aufzustocken). Von Protektionismus war die Rede. Die „Angriffe“ Hollywoods verteidigte die EU-Kommissarin für Bildung und Kultur, Viviane Reding, damit, dass das MEDIA-Programm „der Entwicklung des kulturellen Schaffens förderlich“ und es notwendig sei, europäisches Kino vor „möglichem äußeren Druck“ zu schützen.

Förderung der Vielfalt

Der Spielfilm spielt die erste Geige im Orchester der europäischen Kulturpolitik ebenso wie in den diversen Nationalkapellen. Freilich weiß jeder, wie sensibel und wie begehrt dieser Geiger ist. Daher lässt man sich ihn auch Einiges kosten: Mehr als eine Milliarde Euro an nationalen und regionalen Fördermitteln und mehr als 80 Mio. europäischer Gelder (MEDIA, Eurimages) werden jährlich verteilt. Die Zuwendungen erfolgen vor allem in Form direkter Zuschüsse an Filmproduzenten, aber auch an Filmdienstleistungen wie Filmverleih oder Aufführung (Stichwort Europa Cinemas).

Das erste und größte Förderprogramm für Filmschaffende ist das MEDIA-Programm. Es soll Fort- und Ausbildung im audiovisuellen Sektor, die Entwicklung von Produktionsprojekten, den Filmvertrieb, die europäische Kinoindustrie europa- und weltweit sowie, last but not least, die europäische Vielfalt stärken und fördern. „Es geht hierbei um einen kulturell besonders wichtigen Bereich, der für die Entwicklung einer europäischen Identität eine wesentliche Rolle spielt“, so Reding. Was sie sich unter europäischer Identität konkret vorstellt, mag hier dahingestellt bleiben. Die Fortsetzung einer europaweit einheitlichen Förderung europäischer Vielfalt jedenfalls ist zu begrüßen.

Denn es ist ja nicht unbekannt, wie heterogen die Produktionsbedingungen in Europa sind. Im Kulturexportland Frankreich herrschen andere als z.B. in Großbritannien, wo Beihilfen vor allem gewährt werden, wenn sie wieder in die englische Wirtschaft zurückfließen. Ganz anders und weniger rosig ist die Situation in der östlichen EU.

Andere Facetten dieser europäischen Vielfalt widerzuspiegeln ist das oberste Ziel des Eurimages-Fonds. Das Programm des Europarats für Koproduktion (90% des Budgets), Distribution und Aufführung europäischer Filme existiert seit 1989, hat seitdem ca. 900 Filme koproduziert und derzeit 30 Mitgliedsstaaten. Jüngstes Mitglied ist Estland. Eurimages unterstützt z.B. Kinos, die nicht vom MEDIA-Programm profitieren.

Eurimages und Media zeigen, dass eine einheitliche europäische Förderung der europäischen Vielfalt helfen kann, intereuropäische wie weltweite kulturbedingte Benachteiligungen für europäische Produktionen auszugleichen. Dies mag wettbewerbsverzerrend sein, weil es europäische Produktionen gegenüber Mitbewerbern anderer Kontinente Vorteile verschafft, also negative Auswirkungen auf die internationale Chancengleichheit hat.

Aber es scheint aus kulturpolitischen Erwägungen auch Sinn zu machen. Beispiele dafür sind die European Film Promotion, ein 22 europäische Länder umfassendes Netzwerk, das europäische Filme im Ausland verkauft und vertritt, oder die European Film Academy, die jährlich die European Film Awards organisiert. Beide Einrichtungen werden vom Media-Programm gefördert.

Gibt es Euro-Kino nur dank Förderung?

Doris Kirch von der Blue Angel Filmproduktion ist der Meinung, dass sich in der Tat kein Filmschaffender in Europa beschweren könne, denn werde man sowohl europaweit wie national „unheimlich gut bedient“. Sie weist freilich auf die Ungleichheiten zwischen den einzelnen Ost- und West-EU-Staaten hin, was dazu führt, dass z.B. viele deutsche Filme in Prag produziert werden, weil es dort billiger ist. Zudem sollte man auch eines nicht vergessen: Viele Projekte verzichten darauf, EU-Fördermittel annehmen, weil sie ihre künstlerische Freiheit behalten und sie nicht durch irgendwelche Förderrichtlinien gefährden möchten.

Das hört Hollywood sicherlich gerne. Zumindest lieber, als dass elf der diesjährigen Filme in Cannes vom MEDIA-Programm und zwei aus Eurimages-Mitteln gefördert wurden. Was Hollywood wirklich aus Europa zu befürchten hat oder eben nicht, davon kann sich jeder am 18. Mai in Cannes überzeugen. Dieser Festivaltag ist offiziell dem „europäischen Kino“ gewidmet. Wie gefährlich das ist? Wir werden es sehen. In den Kinos von Cannes.