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Europeans Now: "Scheiß drauf, ich bin verdammt nochmal Europäer"

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Politik

In einer Tribüne, die der PR-Mensch Félix Marquardt und EU-Politiker Daniel Cohn-Bendit heute in 20 europäischen Zeitungen veröffentlicht haben, fordern die beiden „Typen, die Europa wieder sexy machen wollen“ einen gehörigen Big Bang für Europa. Die zeitgleich lancierte Bewegung EuropeansNow verspricht eine Generationen-Debatte, deren Modelle Puerta del Sol oder Taksim heißen. Zu hoch gegriffen?

Cafébabel: Was ist das ganz Neue an „Europeans Now“?

Félix Marquardt: Viele haben diese Ideen schon vorangebracht, aber bisher wurden sie nur sehr schlecht an die Jugend kommuniziert. Unsere Idee geht von dem Befund, der grausamem Realität aus, dass Europa heute mit der ersten Generation Europäer konfrontiert ist, die einen schlechteren Lebensstandard haben als ihre Eltern. Außerhalb von Kriegszeiten ist das völlig neu, dass hat es schon sehr lange nicht mehr gegeben. Die Idee hinter der Bewegung „Europeans Now“ ist nicht, eine Partei zu gründen. Wir wollen eine Bewegung entstehen sehen. In meinen kühnsten, verrücktesten Träumen sehe ich eine Bewegung, die den Massenbewegungen am Tahrirplatz und am Taksimplatz, in Sao Paolo, in Rio, auf der Puerta del Sol etwas ähnelt…aber in ganz Europa. All diese Bewegungen waren jedoch „gegen“ etwas. Ich würde gerne eine Bewegung sehen, die sich „für“ etwas einsetzt. Dafür wollen wir moderne Technologien verwenden, vom „Crowdsourcing“ bis zu „Thunderclap“ um somit „Youth Empowerment“ zu erreichen. 

Cafébabel: Aber diese südeuropäischen Bewegungen haben gehandelt, während Sie nicht wirklich etwas Konkretes vorschlagen.

Félix Marquardt: Wir sagen nicht nur “beteiligt euch”. Wir haben zum Beispiel ein Konzept mit 3 Säulen. Und außerdem kannst du mir nicht erzählen, dass sie am Tahrirplatz oder am Taksimplatz konkrete Konzepte hatten. Ich denke, das hier ist eine Chance für uns, nicht „Nein“ sondern „Ja“ zu sagen. Wenn dieses Ding abhebt und wir beginnen, mit den Vertretern dieser Bewegungen in ganz Europa zu sprechen, steht die Tür für alle weit offen.  

Cafébabel: Wer kann bei der Bewegung mitmachen?

Félix Marquardt:​ Jene, die sich auf die europäische Ebene konzentrieren wollen, nicht auf die nationale. Ich habe eine transnationale, paneuropäische Haltung und möchte die Macht wieder mehr zu den Jungen verschieben. Du kannst ein Marxist oder ein französischer Nationalist sein, wichtig ist einzig und allein, dass du bereit dazu bist, die Dinge auf eine andere Weise zu diskutieren.

Cafébabel: Kann eine solche Bewegung von einer Kommunikationsagentur ausgehen, sollte sowas nicht von der Basis kommen? 

Félix Marquardt:​ Ich habe diese Bewegung persönlich gegründet. Wir wollen die Bühne bieten und einen Riesenbuzz bringen, danach sollen andere übernehmen. Ob oder wie es dann weitergeht, werde ich nicht kontrollieren. 

Cafébabel : Sie wollen also maximale Verbreitung vor den Europawahlen 2014? Soll das Ganze dann auch politisch in Form gegossen werden? 

Félix Marquardt:​ Die Idee ist es nicht, eine Partei zu gründen. Wenn wir es schaffen enorm viele Leute zu mobilisieren, wäre eine Art „Europäischer Pakt“ interessant, den man den europäischen politischen Parteien vorlegen könnte. Diese könnten sich dann beispielsweise verpflichten, einen europäischen Reisepass einzuführen, Erasmus auf Steroide zu setzen und so weiter…. Wenn wir dieses Gewicht zusammenbringen, haben wir schon gewonnen. In einer unserer ersten Kampagnen wird es darum gehen, die Leute zu motivieren wählen zu gehen. Ich will, dass mein Junge in 10 Jahren in einem enger zusammengewachsenen, fortschrittlicheren Europa lebt, als dieser momentane Zombiemarsch. Wir sind auf der Titanic, sehen den Eisberg und es brennt. Wir müssen die Sache in die Hand nehmen und was tun, Leute, sonst fabrizieren wir noch ein, zwei weitere Generationen in dieser Misere. Ich selbst war auch arbeitslos. Du schämst dich wegen allem, kannst in der Früh nicht einmal aufstehen, ich hatte Selbstmordgedanken und null Selbstvertrauen. Wir haben eine Generation kreiert, die sich nur mehr verarscht fühlt. 

Cafébabel: Denkst du die Bewegung wird auch die weniger gut ausgebildeten Jungen erreichen, nicht nur die Generation “Eurobubble”? 

Félix Marquardt:​ Ich habe mit einem Freund gesprochen, der im MIT Media Lab arbeitet. Er sagte mir: „Weißt du, das was ihr da tut ist großartig für all jene, die Kolumnen lesen, aber junge Leute lesen das nicht. Das ist die TLDR-Generation – too long didn’t read („zu lang nicht mehr gelesen“).“ Also wie erreichen wir diese?  Wir haben Visuals produziert, die wir auf Facebook und Twitter pushen wollen. Wir haben Bilder, Videos…

Cafébabel: Wer bezahlt das alles? 

Félix Marquardt:​ Bisher habe ich das alles persönlich bezahlt. Wenn die Bewegung abhebt, wird sie für alles zahlen, so wollen wirs halten. Ich habe wirklich jeden den ich kenne um Hilfe gebeten. Zum Beispiel ist Joe Trippi an Bord, er hat die Obama-Kampagne mitgestaltet. 

Cafébabel: Warum haben Sie sich entschieden, mit Daniel Cohn-Bendit zusammenzuarbeiten?

Félix Marquardt:​ Daniel Cohn-Bendit ist jemand, der Ideen hat und mit dem ich viele Ansichten teile, er ist ein Mann des Fortschritts. Er war der Führer der Studentenbewegung, die die Präsidenschaft von General Charles De Gaulle beendet hat, viel cooler geht gar nicht. Er ist die Europäische Union, er verkörpert die EU. 

Cafébabel: Und was ist Ihr Masterplan, um die Machtverhältnisse im heutigen Europa zu verändern? 

Félix Marquardt:​ In der heutigen Situation könnten wir das ganze Europäische Parlament voll mit Föderalisten haben, es würde sich trotzdem nichts ändern. Denn wer bestimmt am Ende, wie Europa funktioniert? Die nationalen Regierungen! Deshalb sind die nationalen Wahlen das wahre Ziel. Wir müssen genug Aufsehen erregen und Lärm machen, um auch nach den Europäischen Wahlen noch zu existieren, denn wir brauchen Politiker in den nationalen Parlamenten die willens sind, Macht an das Zentrum abzugeben. 

Cafébabel: Fühlst du dich selbst als Europäer? Und bist du einfach eines Tages aufgewacht und hast dir gedacht „Europeans Now”? 

Félix Marquardt:​ Ich bin der Sohn eines Mannes, der aus dem heutigen Breslau in Polen stammt. Er heiratete eine griechisch-ungarische Frau aus der Bronx. Und ich wurde hier in Paris geboren. Also die erste Antwort ist: Ja ich bin verdammt nochmal Europäer! Gerade jetzt ist Europa langsam dabei, der schlechteste Schüler im globalen Klassenzimmer zu werden. Aber die lustige Sache zu Europa ist ja, dass die Europäer selbst die allerletzten sind, die nicht an Europa glauben. Wenn du Amerikaner oder Brasilianer oder Chinesen fragst – die wollen nicht mit den Franzosen, den Belgieren, den Briten sprechen. Dafür haben sie keine Zeit. Sie wollen mit den Europäern sprechen. Niemand hat Kissingers Frage beantwortet: „Wen ruf ich an, wenn ich mit Europa sprechen möchte?“ 

Cafébabel: Er kann Herman van Rompuy anrufen.

Félix Marquardt:​ Sexy! Wir müssen aufhören, unser eigenes Projekt standing in Frage zu stellen. Es ist vermutlich das coolste und ambitionierteste seit der Gründung der USA, wenn nicht noch cooler. Wenn wir uns das wirklich bewusst machen würden, wenn wir uns entscheiden würden, Europäer zu sein, könnten wir allen anderen in den Arsch treten. 

Story by

Matthieu Amaré

Je viens du sud de la France. J'aime les traditions. Mon père a été traumatisé par Séville 82 contre les Allemands au foot. J'ai du mal avec les Anglais au rugby. J'adore le jambon-beurre. Je n'ai jamais fait Erasmus. Autant vous dire que c'était mal barré. Et pourtant, je suis rédacteur en chef du meilleur magazine sur l'Europe du monde.

Translated from Europeans Now : « les Européens sont bien les derniers imbéciles à ne pas croire en l’Europe »