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„Es gibt noch viele Hindernisse für freie und faire Wahlen“

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Ali Kerimli, der Kopf der Aserbaidschanischen Volksfront, sprach kurz vor den Wahlen mit café babel. Obwohl die Opposition vielen Widrigkeiten ausgesetzt ist, hat er die Hoffnung, dass ein Wandel möglich ist.

Ali Kerimli hat schon als Student für politische Reformen in Aserbaidschan gekämpft. Damals war er Mitbegründer der Yurd (Heimat) Bewegung, die später ein Teil der Volksfront von Aserbaidschan wurde. Diese heißt jetzt Aserbaidschanische Volksfront, und Kerimli ist der Vorsitzende.

Worin liegt denn das Hauptproblem bei den Wahlen am 6. November?

Die Zusammensetzung der zentralen Wahlverwaltung ist für freie und faire Wahlen ein beträchtliches Problem, da die Vorsitzenden der fünf größten Komitees alle Mitglieder der Regierungspartei sind. Deshalb waren weder die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2003 noch die Lokalwahlen im Jahr 2004 frei oder demokratisch. Der Zugang zu den Wahllisten wird oft verwehrt und es gibt keine Möglichkeit Mehrfacheinträge nachzuweisen. In der Vergangenheit sind Anhänger der Opposition gar nicht im Wählerverzeichnis aufgetaucht. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben einen Bericht veröffentlicht, in dem sie schwerwiegende Bedenken zum Wahlverfahren äußern und zahlreiche Empfehlungen für zukünftige Verbesserungen machen. Allerdings haben die Behörden die meisten Vorwürfe zurückgewiesen und demzufolge auch nur einige wenige Empfehlungen umgesetzt.

Wie geht die Opposition mit diesen offensichtlichen Versäumnissen bei Reformen um?

Die Oppositionsparteien haben eine sehr aktive Kampagne organisiert. Diese beinhaltet viele Treffen auf lokaler Ebene ebenso wie den Gang von Tür zu Tür um den Leuten unsere Politik und Programme für unser Land zu erklären. Der wichtigste Punkt dabei ist, dass die Opposition sich jetzt zusammengeschlossen hat - wir haben uns zu einer Koalition zusammengefunden und es wird in jedem Wahlbezirk nur ein Kandidat antreten. Allerdings hat Ali Hasanov, ein Helfer des Präsidenten, beschlossen, dass die Opposition nur in Räumen, die uns vom Bürgermeister zugewiesen werden, Versammlungen abhalten darf. Das bedeutet, dass Versammlungen immer nur in sehr abgelegenen Teilen der Stadt, die uns vom Bürgermeisteramt zugewiesen werden, abgehalten werden können. Das macht es natürlich sehr schwierig die Leute auch wirklich zu erreichen. Bei unseren Versammlungen im Oktober hat die Regierung versucht, Teilnehmer einzuschüchtern und ist gegen Sympathisanten sogar mit Gewalt vorgegangen - fast 200 Leute wurden festgenommen oder verletzt. Die Behörden haben in den letzten Wochen damit gedroht, Gewalt einzusetzen sollte es in den letzten Wochen des Wahlkampfs zu sogenannten „Provokationen“ von Oppositionsgruppen gegen die Regierung kommen. Aber dieses unrechtmäßige Verbot kann uns nicht von unserem Kampf für die Demokratie abhalten.

Welchen Einfluss hat die EU auf die Reformbemühungen?

Die Mitgliedschaft von Aserbaidschan im Europäischen Nachbarschaftsprogramm der Kommission ist ein wichtiger Motor für mehr Reformen. Ich bin der Ansicht, dass die Zukunft von Aserbaidschan in Europa liegt. Ich werde oft beschuldigt, dass ich die Interessen des Westens vertrete und nicht die Interessen von Aserbaidschan, aber ich bin wirklich der Meinung, dass unsere Zukunft hier liegt - als ein europäischer Staat. Die EU sollte weiterhin den Dialog mit der aserbaidschanischen Regierung suchen um so die Umsetzung von rechtlichen und institutionellen Reformen, besonders bei den Menschenrechten und dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit, voranzutreiben.

Welche Rolle spielt die Jugend in der aserbaidschanischen Politik?

Die Jugend in Aserbaidschan wird politisch aktiv. Nach den Entwicklungen in der Ukraine und in Georgien, wo die Jugend bei den friedlichen Revolutionen eine sehr große Rolle gespielt hat, steht die Regierung in Aserbaidschan nun jeder politischen Beteiligung von Jugendlichen argwöhnisch gegenüber. Erst vor kurzem wurde Ruslan Bashirli, der Anführer einer Jugendorganisation namens „Neue Idee“ verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, ein Komplott gegen die Regierung mit dem Ziel eines Umsturzes durch die Hilfe von armenischen Geheimdienstlern geschmiedet zu haben. Ein anderes Mitglied dieser Organisation, Sarvan Sarhanov wurde ebenfalls verhört und misshandelt, nachdem er sich weigerte eine falsche Aussage zu machen. Diese Verhaftungen sind Teil der Einschüchterungsstrategie, die die Regierung gegenüber der Opposition verfolgt. Ihr Ziel ist es, die Aufmerksamkeit künstlich auf unwichtige Dinge zu lenken und uns so von unserem eigentlichen Ziel für freie und faire Wahlen abzulenken. Aber diese Provokation und Attacken, die psychologischen Einschüchterungs- und Erpressungsversuche werden uns nicht von unserem Ziel abbringen.

Welchen Platz nehmen die Medien im Wahlkampf in Aserbaidschan ein?

Alle Fernsehstationen sind unter staatlicher Kontrolle. Es gibt nur einen Sender, der teilweise unabhängig ist, aber auch er steht im Moment unter einer Menge Druck und sogar der Regionalsender wurde zur Schließung gezwungen. Es gibt einen ausländischen Kanal, der die aserbaidschanische Opposition unterstützt, aber die Regierung hat Vorkehrungen getroffen, um die Ausstrahlung des Senders in Aserbaidschan zu verhindern. Kein Journalist kann es sich erlauben, die Regierung zu kritisieren. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Journalisten beschimpft, bedroht und angegriffen wurden und die Gesamtsituation ist wirklich beängstigend. Vor sieben Monaten wurde der Journalist Elmar Huseynov getötet. Er war der Herausgeber des Wochenmagazins "Monitor". Alle glauben, dass die Regierung dahinter steckt, aber es gibt bis jetzt keine Untersuchungen. Am 9. Oktober wurden zwei Journalisten schwer verletzt. Wir erwarten, dass die internationale Gemeinschaft Druck auf die Regierung ausübt, damit sie nicht Gewalt gegen das eigene Volk einsetzt. Die Entwicklungen in Georgien und in der Ukraine haben uns Mut gemacht und den Menschen gezeigt, dass ein Wandel möglich ist.

Translated from “There remain significant obstacles to free and fair elections”