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Emma Watson und ich: Fronten helfen nicht

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Ich möchte Emma Watson widersprechen: Für mich ist Feminismus ein positives Wort. Die UNO-Sonderbotschafterin für die Gleichstellung von Frauen und Männern hat mit ihrer Rede aber einen wunden Punkt getroffen und auch uns Männer zum Nachdenken angeregt.

Ich habe mich durchaus schon unter Druck gesetzt gefühlt, mich „wie ein Mann“, also stärker, aggressiver, gefühlskälter zu verhalten. Männlichkeit wird viel zu oft über Macht definiert, Gewaltfähigkeit, beruflichen Erfolg, Reichtum oder Härte. Genderdruck gibt es in jede Richtung, keine Frage. Frauenfeindliche oder homophobe Schimpfworte werden oft genug auch gegen (Hetero-) Männer verwendet und mit der Forderung „Man up!“ verbunden.. 

Auf der anderen Seite bin ich als weißer, heterosexueller, westlicher, gebildeter, recht attraktiver und intelligenter Mann vielseitig privilegiert. Aus dieser multiplen Privilegiertheit heraus erwächst mir ein genügend starkes Selbstbewusstsein, um diese Forderungen zurückweisen zu können. Und das wurde mir gelegentlich sogar wieder als Stärke angerechnet.  Ich weiß natürlich, dass „wir“ Männer es auch nicht leicht haben. Nicht alle sind gleich privilegiert, viele sind (wie ich) ohne Vater und ohne positive männliche Vorbilder aufgewachsen. Junge Männer begehen öfter Selbstmord, sind nicht nur Haupttäter sondern auch Hauptopfer von Gewalt, „dürfen“ danach nicht traumatisiert sein, landen häufiger in der Drogensucht  etc. 

Insofern hat Emma Watson einen wunden Punkt getroffen: Ich bin der Meinung, dass Männer in einem positiven Feminismus mitbeachtet werden und ihre Probleme ernst genommen werden müssen. Und insofern ist Feminismus auch ein positives Wort für mich. Fronten helfen nicht. Wenn der Feminismus die Sorgen der Männer nicht ernst nimmt, oder gar tatsächlich in „man-hating“ umschlägt, läuft er Gefahr, Jungs und junge Männer frustriert in die Arme der sogenannten „Männerrechtler“ oder „Maskulinisten“ (nicht zu verwechseln mit profeministischen, antisexistischen Männerbewegungen) zu treiben. Und was dort an reaktionärer,  anti-emanzipatorischer und frauenverachtender Kackscheiße vorherrscht, ist ekelerregend. 

Frauen werden behandelt, anstatt zu handeln

Ein Punkt in Emma Watsons Argumentation allerdings ist mir negativ aufgefallen. Sie sagt, wenn Männer erstmal frei von Genderdruck seien, werde auch für Frauen automatisch alles gut. Diese Schlussfolgerung ist problematisch. Denn sie objektiviert Frauen einmal mehr. Frauen „werden behandelt“, anstatt zu handeln. Zwar „gut“ behandelt, aber auch ein glücklicher Untertan ist immer noch ein Untertan, und ein guter König ist immer noch ein absolutistischer Herrscher. Damit einhergehend negiert diese Aussage auch die Rolle von Frauen in der Aufrechterhaltung patriarchaler Ordnung. So wird zum (drastischen) Beispiel ein großer Prozentteil der weiblichen Genitalverstümmelungen bei Mädchen von älteren Frauen verlangt und durchgeführt. Den Männern die alleinige Rolle als Täter zuzuweisen, greift viel zu kurz und baut interne Fronten auf, wo ein gemeinsamer Kampf von Nöten wäre.  

Als ich einmal in einem Gender-Kurs in der Uni meine Dozentin und die zu 90 Prozent weiblichen KommilitonInnen mit unterdrückten Tränen in den Augen darauf hinwies, dass ich mich durch ihre Wortwahl und Aussagen gelegentlich massiv angegriffen und mit mir völlig fremden Menschen in einen Topf geworfen fühlte – obwohl ich nicht direkt gemeint war – stieß ich auf Verständnis. Die Dozentin entschuldigte sich, es entstand ein positives Gemeinschaftsgefühl. 

Ich bin mir allerdings sicher, dass Emma Watson etwas anderes gemeint hat, als sie von Gender-Identität als zwei Optionen und in negativer Abgrenzung sprach. Wir müssten einsehen, dass es so viele Gender-Identitäten wie Menschen gibt. Sehe ich auch so. Und außerdem promotet sie in dieser Rede ja eine „gemeinsame“ Kampagne - #HeForShe. Mein Fazit zu Emma Watsons Beitrag? Gut und wichtig, auch wenn ich persönlich dafür keine Rede eines Hollywood-Stars gebraucht hätte. 

Dieser Kommentar wurde verfasst von Daniel Parlow.