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Elvira Lindo: „Wir Spanier sind schon komisch“

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cafébabel DE

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Mit ihrem Romanhelden Manolito Gafotas ist es der bekannten Autorin, Drehbuchautorin und El País-Kolumnistin Elvira Lindo gelungen, eine madrilenische Vorstadtfamilie und die spanische Gesellschaft der 1990er zu porträtieren. Interview 'Big Fish'

cafébabel: Die heutige Welt ist ganz schön komplex. Wie würden Sie einem Kind beschreiben, was Sie tun?

Elvira Lindo: Meine Arbeit ist es Geschichten so zu erzählen, dass sie sowohl für Erwachsene als auch für Kinder spannend sind. Sie besteht darin eine Geschichte auszudenken, sie aufzuschreiben - und zwar so, dass die Leser auch daran glauben.

cafébabel: Jeder kann ein Held sein - just for one day. Was ist die eine Sache, von der Sie schon immer heimlich geträumt haben?

Elvira Lindo: Ich wollte schon immer mal live bei einer Geburt dabei sein. Und natürlich wäre die ärmste Mutter in einer furchtbaren Situation, aus der ihr nur ich raushelfen kann. Aber wenn die Geburt normal verläuft, könnte ich das sicherlich, und es wäre wohl einer der schönsten Momente der Welt - zu helfen, ein neues Lebewesen auf die Welt zu bringen.

cafébabel: Viele Menschen finden Europa ziemlich langweilig. Wie kann Europa auch sexy sein?

Elvira Lindo: Wer hat denn gesagt, dass Europa langweilig ist? Ich sehe das ganz und gar nicht so. Europa ist ein Traum von Nebeneinander und von Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Während der beiden Weltkriege war Europa noch ein einziger Schutthaufen. Es darf nicht wieder zu so einem feindlichen Gebiet werden, deshalb sollten wir dafür kämpfen, dass Europa nicht stirbt. Es wäre eine katastrophale Nachricht für die Welt aufzuwachen und festzustellen, dass der Ort, an dem das Konzept der Wohlstandsgesellschaft sozialer Ungerechtigkeit Platz gemacht hat, mit allem was das mit sich brächte. Aber auch, dass es seine Pforten allen verschließt, die vor Hunger und Krieg fliehen. Und ich habe ein bisschen die Furcht, dass wir bereits mittendrin sind. Europa darf in Bezug auf seine Grundpfeiler jetzt nicht nachgeben. Wir müssen dafür kämpfen, dass diese Essenz, die Europa ausmacht und es zu einem so einzigartigen Ort auf der Welt gemacht hat, jetzt nicht verlischt.

cafébabel: Was regt Sie in unserer Welt am meisten auf?

Elvira Lindo: Der unglaublich große Graben zwischen wenigen Reichen und Millionen armen Menschen. Aber auch die Ohnmacht der Mittelklasse.

cafébabel: Die Welt will Perfektionismus, aber welchen Fehler können Sie trotzdem tolerieren?

Elvira Lindo: Die politische Debatte. Ich bin für die absolute Redefreiheit, auch wenn ich mit dem Gehörten natürlich nicht immer einverstanden bin. Aber am Ende verstehe ich diejenigen, die mit der Tür ins Haus fallen, doch irgendwie immer.

cafébabel: Das Internet weiß nahezu alles. Was ist eine Sache, die Google nicht über Sie weiß?

Elvira Lindo: Ich habe versucht es so zu machen, dass jemand, der mich googelt, auch ein paar Wahrheiten über mich erfährt. Die ersten Google-Pages sind also halbwegs korrekt. Aber google weiß viel zu viel über mich. Die wissen, wenn ich umziehe, das ist schon unheimlich. Sehr sogar. Ich glaube nur noch an die physische Intimität, nicht mehr an die virtuelle.

cafébabel: Herzlichen Glückwunsch! Sie wurden zum Hauptrepräsentanten der Jugend in der Welt gewählt. Was war Ihr Wahlslogan?

Elvira Lindo: Ohne würdevolle Gehälter, keine Freiheit !

cafébabel: Was ist Ihre erste Geste am Morgen?

Elvira Lindo: Frühstücken und dabei Radio hören.

cafébabel: Wenn Sie etwas erfinden könnten, was es noch nicht gibt, was wäre das?

Elvira Lindo: Die Teleportation - ich hasse Flugzeuge.

cafébabel: Und warum sind wir Spanier nochmal komisch? [in Referenz an Lindos El País-Kolumne vom 21. Mai 2016]

Elvira Lindo: Weil wir einerseits unser Land zu sehr lieben und andererseits nur auf es schimpfen. Wir sind wahrscheinlich zu ungestüm, denken nicht genügend nach und haben Probleme damit, auf lange Sicht zu planen. Fremde mögen das, sie haben den Eindruck, dass wir den aktuellen Moment leben. Und das stimmt auch, aber manchmal hätte ich gern ein bisschen mehr Takt, gesunden Menschenverstand und Ruhe, um dem Anderen zuzuhören.

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In Europas Teich schwimmen viele große Fische. Die neue cafébabel-Interviewserie Big Fish taucht tiefer in den Alltag der großen Namen des Kontinents ein.

Story by

Ana Valiente

Spanish freelance journalist based in Madrid. Currently exploring the boundless world of documentary filmmaking.

Translated from Elvira Lindo: "Sin sueldos dignos no hay libertad"