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Ein enttäuschendes Jahrzehnt

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Die Bilanz des EuroMed-Programms fällt aus Sicht der Zivilgesellschaft zwiespältig aus. Die Forderungen für die Zukunft sind jedoch klar: Mehr Mut, mehr Transparenz.

Barcelona im November 2005: Die Protagonisten des EuroMed-Abkommens erstatten Bericht. 1995, vor zehn Jahren, wurde diese neue Partnerschaft auf den Werten von Frieden, Menschenrechten und Wohlstand gegründet. Ziel war es, die Handelsbeziehungen zwischen den Anrainerstaaten des Mittelmeers wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die Entwicklung der Länder an der Südküste des Mittelmeers voranzutreiben. Das Abkommen stellte die geopolitische und geo-kulturelle Rolle des Mittelmeerraumes wieder in den Vordergrund.

Zusammen mit den Friedens-Abkommen, die Israelis und Palästinenser in Oslo aushandelten, schuf es einen politischen Rahmen. Dieser ermöglichte es Israel, sich in diese Region einzubinden. Die Palästinenser konnten im Gegenzug ihre Autonomie zu bekräftigen und die Schaffung eines palästinensischen Staates weiter verfolgen. Das EuroMed-Programm beinhaltete ebenfalls eine Zusammenarbeit mit einzelnen Staaten. Diese beruht auf den Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Staaten es Barcelona-Prozesses: Algerien, Marokko, Tunesien, Ägypten, die palästinensische Autonomiebehörde, Israel, Libanon, Jordanien, Syrien und Türkei. Auch wurde durch Regionalprogramme eine multilatere Zusammenarbeit verwirklicht.

Desillusioniert

Zehn Jahre fällt die Bilanz zumindest zwiespältig aus. In Bezug auf Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie hatte EuroMed keinen Einfluss auf die autoritären Regime der Region. Hier ist man noch weit vom Ziel entfernt. Wenn in Staaten der EuroMed-Zone die Menschenrechte oder das Völkerrecht verletzt wurden, wurden die Assoziierungsabkommen mit diesen Staaten nicht außer Kraft gesetzt. Der Graben, der sich zwischen den im EuroMed-Abkommen dargelegten Werten und der Realpolitik auftat, wurde immer größer. Dies illustriert der Fall Tunesien sehr gut. Die Partnerschaft war weder fähig, die dramatische Zuspitzung der Situation zwischen Israel und Palästina in den letzten fünf Jahren zu verhindern, noch hat sie, siehe West-Sahara, zur Lösung anderer Konflikte der Region beigetragen. „Sicherheit“ ist von nun an wichtiger als „Frieden“.

Auf der Haben-Seite von EuroMed steht die Belebung des Handels und die Entwicklung der Infrastruktur. Auch ist positiv, dass seit kurzem Umweltfragen stärker berücksichtigt werden.

Allerdings droht die Freihandelszone mittelfristig desaströse Auswirkungen auf die Binnenmärkte und auf die Beschäftigungslage der Euromed-Länder zu haben. Die Wohlstandsschere zwischen Nord und Süd klafft weiter auseinander als vor zehn Jahren.

Der kulturelle und gesellschaftliche Austausch hat vollständig Schiffbruch erlitten. Aufgrund der Unzulänglichkeit der Programme und der eingesetzten Mittel, aber auch aufgrund der Sicherheitspolitik, die die EU an ihrer Südgrenze betreibt. Diese zeichnet sich durch Argwohn und Verschlossenheit aus, was für den freien Personenverkehr tödlich ist. Für die Zivilgesellschaft hat die EuroMed-Partnerschaft den Nichtregierungsorganisationen (NRO) von Beginn an einen Rahmen geboten, um sich zu treffen, Verbindungen zu knüpfen, zusammenzuarbeiten. Die Rede ist vom „Forum Euromed“. Das einzige, was die NROs bis 2003 in diesem Forum hatten, war wenig Einfluss. Zu oft wurde die Zivilgesellschaft von den misstrauischen Regierungen instrumentalisiert. Lange Zeit wurde ihr die wirksame Rolle vorenthalten, die sie in diesem Prozess eigentlich spielen sollte.

Auf die Zivilgesellschaft setzen

Trotz dieser Vielzahl von Schwächen ist die EuroMed-Partnerschaft unersetzbar und unverzichtbar geworden. Denn sie wirkt sowohl international als auch regional. Seine strategische Bedeutung hat sich seit dem verstärkten Engagement der Vereinigten Staaten in dieser Region vergrößert. Diese haben hier eine neue Einflusszone etabliert.

Seit zwei Jahren werden weitere Marksteine gesetzt, um der Partnerschaft endlich Glaubwürdigkeit zu verleihen. Zwei Institutionen wurden gegründet: Die Stiftung Anna Lindh, die sich um den Dialog zwischen den Kulturen kümmert und die euro-mediterrane parlamentarische Versammlung. Auch ein dritter Protagonist hat seine Stimme erhoben: Die NRO-Plattform „Euromed“. Sie hat sich im Februar 2003 konstituiert, um die Beteiligung der Zivilgesellschaft am offiziellen „EuroMed“-Programm zu stärken. Die Plattform verfügt über eine dynamische Selbstorganisation, die sich auf die Vernetzung regionaler NROs und Gewerkschaften stützt. Das „Euromed Menschenrechts-Netzwerk“ ist ein Beispiel hierfür. In zwei Jahren hat die Plattform das „Forum Euromed“ reformiert, für welches sie nunmehr die Verantwortung trägt. Auch wurden die Verantwortlichen des offiziellen EuroMed-Programms dazu gebracht, die Beraterfunktion des „Forum Euromed“ und dessen Unabhängigkeit zu akzeptieren.

Für eine engagierte euro-mediterrane Politik ist das sicher nicht genug. Nicht wenig steht auf dem Spiel. Der Barcelona-Prozess ist ein politisches Mittel, in das man voll investieren muss. Die Organisationen der Zivilgesellschaft, der Staat und die Politiker müssen zu einer Politik beisteuern, von der nicht mehr nur die Staaten profitieren. Denn diese wird unsere gemeinsame Zukunft bestimmen.

Translated from Une décennie désenchantée