Participate Translate Blank profile picture
Image for Dublin im Angesicht der Rezession

Dublin im Angesicht der Rezession

Published on

Translation by:

Default profile picture Jan Schubert

Politik

Am 25. September wurde es amtlich: Die irische Wirtschaft ist das zweite Quartal in Folge geschrumpft. Damit ist Irland die erste Volkswirtschaft der Eurozone, die offiziell in eine Rezession abgleitet - und darüber hinaus auch die erste, die ohne EU-Hilfen wieder auf die Beine kommen will.

©Kwin y Lo/flickr)Dublins Supermärkte und Shopping-Center sind so gut besucht wie immer. Geschäftiger als im gehobenen Gourmet-Laden Fallon&Byrne geht es momentan allerdings in den Gängen des auch in Deutschland vertretenen Discount-Einzelhänders TK Maxx zu. Das schwindende Vertrauen der Konsumenten in die Wirtschaft bestimmt ihr Ausgabenverhalten; einige Läden locken daher mit „credit-crunch“- Sonderangeboten. So lässt die niederländische Supermarkt-Kette „SPAR“ einen Parodisten des früheren Premiers Bertie Ahern für die „Spar Euro Crunch Campaign“ des Konzerns werben. Eines der „Rezessions-Sonderangebote“ ist ein einfach gefülltes Sandwich, ein Euro das Stück. „Dieses Angebot trifft in vielen Stadtteilen auf eine schnell steigende Nachfrage“, weiß Blogger Martin Ryan, Promotionsstudent der Volkswirtschaftslehre am University College in Dublin.

Der Immobilienmarkt in Dublin, der für dieses Jahr schon jetzt ein Defizit von 9,4 Milliarden Euro aufweist, hat stark mit der Kreditzurückhaltung der Banken zu kämpfen. So ging der Wohnungsbau in der Region Dublin im vergangenen Jahr um 60 Prozent zurück. Die irische Arbeitslosenquote ist mittlerweile auf 6,8 Prozent gestiegen, den höchsten Wert seit zehn Jahren. In Europa liegen Spanien (11,3 Prozent) und die Slowakei (9,9 Prozent) an der Spitze.

©identity chris is/flickrAm 1. Oktober kündigte die irische Regierung einen umfangreichen Rettungsplan für gefährdete Banken an, um auf diese Weise wieder Vertrauen im Finanzmarkt herzustellen. Bei einer Bevölkerungszahl von vier Millionen müssen 400 Milliarden Euro an Bankverbindlichkeiten gedeckt werden - das sind fast 100.000 Euro pro Steuerzahler. Der Schritt der irischen Regierung folgte dem größten Tagesverlust in der Geschichte der irischen Börse am 29. September, als der Aktienindex als Reaktion auf die globale Finanzkrise um 12,7 Prozent einbrach. Während die Einlagen der Sparer bei britischen Banken nur bis zu 44,660 Euro geschützt sind (35.000£), können sich die Kunden irischer Banken nun sicher fühlen: Der irische Staat garantiert ihr Bankvermögen ohne Begrenzung. Das hat bei den nicht-irisch geführten Banken in Irland Bedenken ausgelöst.

Auch in Griechenland übernahm der Staat einseitig für alle Bankeinlagen die Garantie.

Denn schon wird von Sparern und Firmen berichtet, die ihr Geld bei britischen Banken abziehen und es zu irischen Banken im Vereinigten Königreich transferieren. Vertreter  von EU und britischen Banken stellen daher die Rechtmäßigkeit des irischen Vorgehens in Frage. Selbst einige irische Bürger bezweifeln die Notwendigkeit des Vorgehens ihrer Regierung. Dessen ungeachtet folgte Griechenland mittlerweile dem irischen Vorbild: Der Staat übernahm auch hier einseitig für alle Bankeinlagen die Garantie.

©Tawel/flickrVielen Iren sind optimistisch. „James“, ein Kommentator auf efinancialcareers.ie, schreibt, dass der keltische Tiger nur die Klauen eingezogen habe und in sechs Monaten wieder kampfbereit sei. In der Tat bleibt Irland ein attraktiver Standort für multinationale Konzerne. Am 2. Oktober gab das soziale Netzwerk Facebook bekannt, sein europäisches Hauptquartier in Dublin aufbauen zu wollen. „Die verfügbaren Nachwuchskräfte in Dublin sind Weltklasse“, meint Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Neben Facebook sind bereits die Technologie-Giganten Google, Ebay und Paypal in Dublin präsent.

Pierre Paillot ist Geschäftsführer und Sommelier des Restaurants „Mint“ im Herzen Dublins, das im Januar einen Michelin-Stern verliehen bekommen hat. Hier, wo ein Menu 125 Euro und eine Flasche Weißwein 185 Euro kostet, sei schon ein Wandel im Verhalten der Kundschaft zu beobachten, so Paillot, „besonders hinsichtlich der Getränke: Für Aperitifs und Weine wird weniger ausgegeben.“ Manche Stammkunden tauchten auch gar nicht mehr auf. „Wir dachten erst, sie wären im Juli und August im Urlaub, aber auch im September kamen sie nicht mehr vorbei. In den nächsten zwei Jahren werden am Wochenende wohl nicht mehr so viele spendierfreudige Gäste hier essen wie in der Vergangenheit.“

©Imagw: street~dreams/flickr

Die größte Sorge der Iren, so Dearbhail McDonald, Politikredakteurin beim Irish Independent, sei eine große Rezession wie in den 1980er Jahren. „Es herrscht eine enorme Angst vor einer Auswanderungswelle“, sagt sie und verweist auf eine Karrieremesse in Dublin, auf der junge irische Uniabsolventen ermutigt wurden, in Australien nach Arbeit und Abenteuer zu suchen. Seit 2005 vermittelt die „Down Under Expo“ Jobsuchende aus Dublin an australische und neuseeländische Arbeitgeber. Jetzt besteht die Gefahr, dass viele Arbeiter angesichts der Krise Irland verlassen.

Das Wort „Rezession“ löse in der irischen Psyche die gleichen Gefühle aus wie das Wort „Hunger“.

McDonald weist darauf hin, dass die meisten Angehörige der jüngeren Generation in ihrem Leben nur einen konstanten Wirtschaftsboom erlebt hätten, obwohl sich viele der Gefahr einer Rezession bewusst waren. „Ich habe Freunde, die sich noch an die demütigende Erfahrung erinnern, bei der letzten Rezession mit ihren Vätern um Arbeitslosengeld angestanden zu haben.“ Das Wort „Rezession“ löse in der irischen Psyche die gleichen Gefühle aus wie das Wort „Hunger“.

Ob in den Fernsehnachrichten oder Zeitungsüberschriften: Die Rezession ist überall. Berichterstatter und Kommentatoren streiten sich heftig über den wirtschaftspolitischen Kurs, aber in einem Punkt sind sie mit dem Abgeordneten des irischen Parlaments Richard Bruton einer Meinung: In den RTE Abendnachrichten am 25. September sagte dieser, die irische Wirtschaft „sei vor die Wand gefahren“. Kann sie auf der Grünen Insel bald wieder in Fahrt gebracht werden?

Translated from Dublin’s shops, restaurants and media dress for recession