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DOSSIER: Dezentralisierte Systeme

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Pariser Stadtgeflüster

I – Das regionale Element und das dezentralisierte System auf Französisch – was für eine Wahrnehmung haben unsere europäischen Nachbarn? Immer mehr spricht man darüber, aber nichts ändert sich! Seit einiger Zeit haben wir es hier mit einem Paradoxon zu tun.

Es geht um die Gestaltungspolitik des französischen Territoriums, genauer:  die Einteilung von Kompetenzen der administrativen Ebenen, die eigentlich die Lokalpolitik Frankreichs leiten sollen. Mit dem vom Präsidenten der Republik in Auftrag gegebenen Bericht der Attali-Kommission hat man sich in letzter Zeit über diese Problemstellung Gedanken gemacht, ohne weiterführende Antworten oder konkrete Entscheidungen hervorzubringen.

Tatsächlich ist es manchmal schwierig, sich zwischen den verschiedenen Strukturen und ihren jeweiligen Kompetenzen zurechtzufinden.  Das von den Départements und den Communes gestellte traditionelle Duo scheint in den letzten Jahren durch den Machtanstieg der Intercommunalités und des Landes teilweise überkommen zu sein. Die Regionen blieben von dieser Infragestellung etwas verschont, obwohl ihre Rolle bei der territorialen Ausstaffierung Frankreichs nicht immer sehr klar ist. 

Vor dieser Bilanz – wie steht es mit ausländischen Erfahrungen und der Wahrnehmung der französischen Realität durch unsere europäischen Nachbarn?

Fangen wir mit Deutschland an und halten wir fest, dass es sich dabei um eine Bundesrepublik handelt, die sich zusammensetzt aus den bekannten „Ländern“ mit ihrer starken Autonomie. Sie erlassen Gesetze und bei Themen wie der Bildung und der Polizei bleiben sie unabhängig. Jedes Land besitzt seine eigene Verfassung, sein Parlament und seine Regierung. Das regionale Element ist somit in Deutschland stark vertreten. Auf der Ebene unter den Ländern befinden sich die Kreise und die Gemeinden. Die Kreise sind die Intercommunalités der Städte, welche nicht zu den großen Ballungszentren gehören. Die Gemeinden im ländlichen Rahmen haben somit kaum Vorrechte. Die Kreise zeigen große Ähnlichkeiten mit unseren Intercommunalités, trotz Allem mit einem wichtigen unterscheidenden Detail, nämlich was das allgemeine Wahlrecht bezogen auf die Abgeordneten der Kreise angeht, was wiederum der Umsetzung in Frankreich völlig entgegengesetzt ist.

Unter Berücksichtigung dieser deutschen Organisiertheit, welche den Ländern den Vorzug gibt – wie beurteilt nun unser Nachbar jenseits des Rhein Frankreich auf dem Niveau seiner lokalpolitischen Gestaltung?

Gemäß den Aussagen von Prof. Klaus Kunzmann, Rektor des Dezernats für Stadtplanung und Raumentwicklung an der Universität in Dortmund, ist es bisweilen kompliziert, die Aufteilung der an die ländlichen Intercommunalités, der Länder und der Départements vergebenen Rollen zu verstehen. Außerdem hält er diese Verflechtungen für wenig effizient und durchsichtig; jedoch erkennt er an, dass in einigen dieser Gebiete eine Logik vorhanden ist, welche die französische Tradition weiterführt, hervorgegangen aus den Prinzipien der Aufklärung und republikanischen Werten. Auf der anderen Seite sehen die Deutschen Frankreich als ein sehr zentralisiertes Land, wo das regionale Element nur in den Provinzen als Träger von Tradition und Tourismus existiert, aber dessen politische Dimension gleich Null ist. Sie sind ziemlich beeindruckt von der Zahl der Départements und der Communes, die Frankreich ausmachen.

Schließlich halten sie den Ausdruck Dezentralisierung oder Raumentwicklung für absolut französisch. Deutschland braucht diesen Terminus nicht hervorzuheben, da es aufgrund seines Status‘ als Bundesrepublik grundsätzlich ein dezentralisiertes Land ist. Darüber hinaus ist die Idee der Zentralisierung etwas sehr Negatives in Deutschland. Dieser Ausdruck erinnert an die Zeit der Nazis und den Willen der damaligen Regierung, die Entscheidungsinstanzen in Berlin, zu der Zeit die Hauptstadt des Dritten Reiches, zu konzentrieren.

Marc Terrisse

Matthias Jacob Becker