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Die Zukunft der Atomkraft in Europa

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Brüssel

Von Elisabeth Lance Übersetzt von Maike Wohlfarth Der Atomunfall in Fukushima hat in Europa die Diskussion um die Kernkraft und die Energiepolitik neu entfacht. Es wurden Stimmen laut, die die Nutzung der Atomenergie in Frage stellten und die sogenannte Stresstests für europäische Atomkraftwerke forderten, um sicherzustellen, dass der Kontinent nicht in Gefahr ist.

Bestandsaufnahme

Obwohl die Atomenergie im SET-Plan (Strategic Energy Technology Plan) festgeschrieben ist, wird sie nicht von allen EU-Mitgliedsstaaten in gleichem Maße genutzt. Man kann große Unterschiede feststellen. Zum einen gibt es Länder, die in großem Maße auf Kernkraft setzen, wie Frankreich, das drei Viertel seiner Energie aus seinen 59 Atomkraftwerken bezieht, und das Vereinigte Königreich, das 19 Kernkraftwerke betreibt und an seinen Projekten zum Neubau weiterer festhält. Zum anderen stellen einige Länder die Atomkraft in Frage, wie zum Beispiel Deutschland, mit 17 Reaktoren, das bis 2022 aus der Kernkraft aussteigen will, oder Spanien (8 Reaktoren) das sechs seiner Atomkraftwerke einem Sicherheitstest unterziehen will. Und zuletzt gibt es jene Staaten, die keine Atomkraftwerke besitzen. Diese sind: Österreich, Zypern, Dänemark, Griechenland, Irland, Lettland, Luxemburg, Malta und Portugal. Aufgrund dieser sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen, bleibt die Atomfrage ein sensibles Thema mit grenzüberschreitenden Auswirkungen. Wie könnte man beispielsweise einen eventuellen wirtschaftlichen Schock für ein Land wie Frankreich abwenden, in dem 80% der Energie aus Atomkraftwerken stammen, wenn alle EU-Staaten den Atomausstieg beschlössen?

Welche Alternativen gibt es?

Bevor man einen Ausstieg in Betracht zieht, muss man sich fragen, welche Alternativen es auf kurze und auf lange Sicht gibt. Nicht immer sind Lösungen, die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, tatsächlich umsetzbar und realistisch, wie das Beispiel Italien zeigt: Das Land ist 1987 nach einem Referendum aus der Atomkraft ausgestiegen. Doch dies hat die Entwicklung grüner Energien nicht im erhofften Maße vorangebracht und eine große Abhängigkeit vom Erdöl nach sich gezogen. In der Europäischen Union stellen die erneuerbaren Energien außerdem einen sehr kleinen Anteil dar, 2008 lag er bei gerade einmal 8,4%. Es dominieren weiterhin Gas, Öl und Kohle. Diese fossilen Energieträger werden jedoch immer rarer und es wird Zeit, über eine intelligente Energiewende nachzudenken. Deutschland setzt auf den Ausbau erneuerbarer Energien (vor allem der Windenergie), den Aufbau von klassischen Elektrizitätskraftwerken sowie auf die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, um den Wegfall der Atomenergie auszugleichen. Um das Jahr 2030 werden die derzeitigen erneuerbaren Energien nicht mehr ausreichend sein. Zusätzliche Lösungen müssen gefunden werden. Diese könnten in der Rückkehr zur Kohle oder in der Kernfusion (ITER-Projekt) bestehen wobei die Nutzung letzterer bislang noch nicht möglich ist.

Wohin führt die europäische Energiepolitik?

Die Europäische Union muss sich großen energiepolitischen Herausforderungen stellen und hat deshalb das Energie- und Klimapaket beschlossen, welches es ermöglichen soll, bis 2020 das 2007 gesteckte Dreifachziel zu erreichen. Das bedeutet 20% weniger Ausstoß von Treibhausgasen, 20% mehr erneuerbare Energien und 20% Energieeinsparung. Mit der Einführung des Pakets hofft die EU bis 2050 mehr als die Hälfte der Energie, die sie verbraucht, aus CO2-neutralen Quellen zu gewinnen; sprich aus Wind-, Wasser und Sonnenenergie sowie Biomasse und Biotreibstoffen aus organischen Materialien.

Die Atomenergie wird als einzige nicht in diesem Paket aufgeführt – eine versteckte Methode, ihr Stück für Stück den Rücken zu kehren? Europa sollte in jedem Fall Antworten auf zwei große Fragen finden: Wird der Ausbau der Stromspeichertechnologien effizient genug sein, ohne zu teuer zu werden? Und wird Europa in der Lage sein, ein wirkliches Stromverteilungsnetzwerk aufzubauen? Die Schaffung eines Elektrizitätsbinnenmarkts ist eine Priorität der Europäischen Kommission und dieser sollte geschaffen werden, bevor die Diskussionen über eine Energiewende auf lange Sicht vertieft werden. Die Frage nach der Zukunft der Atomenergie macht es notwendig auf lange Sicht über Investitionen in ein nachhaltiges System nachzudenken, sowie über die Übergangsszenarien in jedem einzelnen Land. Die eigentliche Frage und Herausforderung ist, ob in Europa in Hinblick auf die Energieversorgung jeder für sich selbst steht oder es einen Willen dazu gibt, gemeinsam nachhaltig zu leben und zu konsumieren.

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