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„Der Sport darf nicht länger für den Kampf gegen das Doping zuständig sein“

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Pietro Mennea hat im Jahr 2000 als EU-Abgeordneter versucht, den Sportverbänden die Zuständigkeit für die Antidoping-Politik zu entziehen.

Fünf Olympia-Siege, ein Weltrekord über 200 Meter, der 17 Jahre gehalten hat und drei Hochschulabschlüsse: Pietro Mennea kann eine beeindruckende Bilanz vorweisen. Von 1999 bis 2004 war der ehemalige Weltklasse-Sprinter Abgeordneter des Europaparlaments und engagierte sich in dieser Zeit im Kampf gegen das Doping.

Derzeit hat der 54 Jahre alte Pietro Mennea jedoch keine Zeit für Nostalgie: Er ist Anwalt, Dozent für Sportrecht und Gründer einer Non-Profit-Organisation, die sich neben vielen anderen Initiativen dem Kampf gegen Doping widmet.

Zu diesem Thema hat Mennea auch ein Buch geschrieben – Il doping e l’Unione europea („Das Doping und die Europäische Union“) – das 2006 beim italienischen Verlag Delta3 Edizioni erschien. Wir haben Mennea interviewt, nachdem am 1. Februar die Unesco-Konvention gegen das Doping im Sport in Kraft getreten ist.

Herr Mennea, welche Beziehung besteht derzeit zwischen Sportlern und den Doping-Kontrolleuren?

Ich würde sagen, nicht gerade die beste. Die Situation ist sehr konfus. Nicht nur das Sportrecht, auch die Grundnormen müssen harmonisiert werden. Vor allem aber brauchen wir strafrechtliche Maßnahmen. Als ich EU-Abgeordneter in Brüssel war, habe ich versucht, das durchzusetzen. Aber es ist viel zu mühsam.

Wie viel Einfluss hat der Druck der Sponsoren?

Die Sponsoren spielen eine überaus wichtige Rolle. Die angestrebten Erträge fließen nämlich nur dann in die Kassen, wenn der Sport-Event großen Erfolg hat und der Athlet gute Ergebnisse erzielt. Diese zwei Voraussetzungen können nicht immer erfüllt werden, die Wahrscheinlichkeit steigt aber, wenn gedopt wird. Die Verbände dulden es deshalb stillschweigend.

In der Doping-Szene herrscht Scheinheiligkeit. Alle wissen, dass gedopt wird, doch jeder täuscht Unwissenheit vor. Könnte ein Abkommen diese Situation ändern?

Ja, wenn es klare Regeln aufstellen würde. Im Jahr 2000 war ich Referent des Helsinki-Berichts. Damals wurde auch ein Abkommen über das Doping genehmigt. Ich setzte zwei Ergänzungen durch: zum einen die Einführung einer gemeinsamen Norm und zum anderen die Einrichtung einer europäischen Agentur zur Doping-Bekämpfung.

Im Rahmen des Helsinki-Berichts gelang es mir ferner, eine weitere Gesetzesänderung zu erreichen, die die rechtliche Grundlage für die damaligen Abkommen darstellen sollte. Bei der Nizza-Konvention, ebenfalls vor sieben Jahren, hätten die zuständigen Minister nichts anderes tun müssen, als diese Rechtsgrundlage zu implementieren. Sie hätte für alle Initiativen gegen das Doping viele Vorteile mit sich gebracht. Leider kam es jedoch nicht dazu und so existiert in dem Entwurf der Europaverfassung bis heute keine Rechtsgrundlage für den Sport.

Was sollte die EU Ihrer Meinung nach tun?

Die Richtung habe ich schon vor sieben Jahren gewiesen. Ganz einfach: Die Zuständigkeit für die Doping-Bekämpfung muss Sport-Institutionen wie dem Internationalen Olympischen Komitee entzogen werden. Wir brauchen eine strafrechtliche Vorschrift. Dann hätten wir in 27 Ländern das gleiche Gesetz zur Verfügung.

Und schließlich müssen für den Kampf gegen das Doping unabhängige Drittorganisationen eingerichtet werden. Das heißt, es muss eine Organisationsstruktur vorhanden sein, die vom Sport völlig unabhängig ist, die ohne Bedingungen und Klientelwirtschaft handeln kann und die das zunehmende Problem Doping endlich angeht. Denn Doping ist heutzutage nicht mehr nur ein Problem des Sports, sondern eine Plage in der Gesellschaft.

Besteht die Gefahr einer zunehmenden Verwendung solcher Substanzen nach der Öffnung in Richtung Osteuropa, wo das Doping teilweise mit der Mafia zusammenhängt?

Ohne Zweifel. Mittlerweile verdient die Mafia mit Steroiden und Anabolika sogar mehr als mit dem Drogenhandel. Und das ist kein Problem des Sports mehr, das ist Kriminalität. Heutzutage dopen sich auch Leute, die mit Leistungssport gar nichts zu tun haben. Das sind armselige Frustrierte, die sich stärker fühlen oder muskulöser aussehen wollen. Sie sind Opfer eines zusammenhangslosen sozialen Gefüges.

Zum Schluss: Wie war die Situation, als Sie selbst als Sprinter aktiv waren?

Auch zu meinen Zeiten gab es schon Doping, damals kam es aus den Ostblockstaaten. Ich habe an fünf Olympiaden teilgenommen und das war unter anderem möglich, weil ich immer korrekten Sport getrieben habe. Hätte ich verbotene Substanzen eingenommen, wäre meine Karriere wohl wesentlich früher zu Ende gewesen. Doping führt nicht immer zu großartigen Ergebnissen. Es beeinträchtigt mit Sicherheit die Karrierdauer eines Leistungssportlers.

Die italienische Position ist isoliert

Vom 5. bis 7. Februar 2007 treffen sich die Regierungen, die an der internationalen Konvention gegen Doping im Sport teilnehmen, am Sitz der UNESCO in Paris. „Auf internationaler Ebene ist der Standpunkt Pietro Menneas – und somit Italiens – isoliert“, erläutert Valéry Genniges, enge Mitarbeiterin des französischen Sportministers Lamour.

„Zu harte Strafen schaden dem Kampf gegen Doping nur. Für uns wäre es nicht normal, einen gedopten Sportler im Gefängnis zu sehen. Was wir vorschlagen, ist eine strafrechtliche Verfolgung des Handels mit Dopingsubstanzen, das wäre akzeptabel“. Die Konvention der UNESCO sieht derweil die Einrichtung einer Anti-Doping-Weltagentur vor, die von den unterzeichnenden Regierungen und der internationalen Sportbewegung vorgeschlagen worden war. „Auch dies ist schon ein enormer Schritt nach vorne“, meint Genniges. A.F.

Translated from Mennea: «Norme penali contro il doping. Ma l'Ue si oppose»