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Das Europäische Projekt übersetzen

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Seit dem 1. Januar ist auch Gälisch eine Amtssprache der Europäischen Union. Aber braucht die EU wirklich 23 Amtssprachen?

Seit dem 1. Januar zählt die Europäische Union drei neue Amtssprachen. Denn nicht nur Bulgarien und Rumänien sind nun offiziell EU-Mitglied und vergrößern so die Sprachenvielfalt der europäischen Institutionen. Auch Gälisch erhält nun auf besonderen Wunsch Irlands den Status als Amtssprache.

Geeinte Vielfalt mal 23

Die Mehrsprachigkeit ist ein Markenzeichen der EU. Bereits 1958 stellte der Rat der Europäischen Union in seiner ersten Verordnung den Grundsatz auf, dass die Nationalsprachen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gleichberechtigt sind. Zu diesem Zeitpunkt war dies leicht umzusetzen, denn die sechs Gründerstaaten kommunizierten in vier Amtsprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch.

Die EU wuchs, doch der Grundsatz der Mehrsprachigkeit blieb erhalten. Heute findet sie sich an mehreren Stellen im Vertragswerk. Doch hatten die Gründerstaaten eine Union vor Augen, die knapp 50 Jahre später 23 Sprachen beherrschen muss?

Nicht alle Staaten pochen darauf, dass ihre Landessprache in die lange Liste der europäischen Amtssprachen aufgenommen wird. Luxemburg beispielsweise verzichtet aufgrund seiner eigenen Mehrsprachigkeit auf dieses Recht. Doch als Malta am 1. Mai 2004 der EU beitrat, verhandelte das kleine Land erfolgreich – maltesisch wurde eine europäische Amtssprache. Plötzlich wollte auch das langjährige Mitglied Irland nicht länger auf Gälisch verzichten. Nun steht die Sprache der Kelten gleichberechtigt neben den übrigen 22 Amtssprachen der EU.

Diagnose: Egoismus

Doch die Europäische Union ächzt unter der Vielsprachigkeit. Sie nennt den größten Dolmetscherdienst der Welt ihr eigen: Jährlich übersetzen emsige Interpreten mehr als 1,3 Millionen Blatt Papier. Oft verzögern sich politische Entscheidungen, weil dieses oder jenes Dokument noch nicht in allen Sprachen zur Verfügung steht. Vom Europäischen Parlament abgesehen, haben sich die EU-Beamten deshalb seit längerer Zeit inoffiziell auf höchstens drei Sprachen geeinigt: Englisch, Französisch und Deutsch.

Wie die Länder die Mehrsprachigkeit behandeln, offenbart das grundlegende Problem der Europäischen Union. Selbst mehrsprachige Länder sind nicht bereit, zugunsten der Gemeinschaft auf eine ihrer Sprachen zu verzichten. Doch mehr Mitgliedstaaten erfordern eine höhere Kompromissbereitschaft. Da die Gemeinschaft ohne eine Europäische Verfassung nur so weit gehen kann, wie der Einzelne es erlaubt, sind die dringend notwendigen Reformen in weite Ferne gerückt.

Dolmetscher für das Europäische Projekt

Die Zukunft der Europäischen Union liegt in den Händen ihrer Mitgliedstaaten und vor allem ihrer Bürger. Doch zur Zeit werden viele unterschiedlichen Sprachen gesprochen. Es mangelt an einer gemeinsamen Verständigung. Tatsächlich ist die Übersetzung die Sprache Europas – aber nicht in dem Sinne, dass jeder Staat seine Sprache zur Amtssprache der EU machen will.

Sinnvoller wäre es, das europäische Projekt von der Sprache der Beamten in die Sprache der Bürger zu übersetzen. Doch in letzter Zeit haben die Mitgliedsstaaten und die Europäischen Institutionen schlecht mit ihren Bürgern kommuniziert. Vielleicht würde es helfen, die Zivilgesellschaft in diesen Dialog miteinzubeziehen.