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Das etwas andere Gesicht des „Friedens“

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Ein Jahr nach Ende des "Krieges" im Irak feiert Europa den "Frieden" - von Tschetschenien bis Taiwan.

Ein knappes Jahr ist seit dem Angriff auf Saddam Hussein vergangen und die Mehrheit der Iraker bestätigt nach einer vor wenigen Tagen vom Economist veröffentlichten Umfrage, dass es sich besser lebe als zu Zeiten, da es schlechter ging, während mehr als 70 % von ihnen aber dennoch überzeugt ist, dass sich die Dinge im Laufe des kommenden Jahres nur verbessern können. Die letzte Minderheit unter den Nichtirakern, die das Ende der Diktatur und ihrer Wohltaten noch nicht wahrgenommen hat, ist jene der üblichen, unbeirrbaren Kassandren: Eine kleine, im Verschwinden begriffene Gemeinschaft, die über verschiedene europäische Metropolen verstreut ist und beharrlich offene kriegerische Propaganda betreibt, wo selbst der durchschnittliche Iraker mit seinem guten Menschenverstand erkennt, dass das Schlimmste vorbei, dass der Krieg zu Ende ist.

Der lange Atem der Friedhöfe

Aber der Krieg setzt sich fort für das Europa von Chirac, der, nur seine Prophezeiung der multipolaren Welt zu stützen, zu jeder untertänigen Beflissenheit bereit ist gegenüber jeder Macht, die sich als „Alternative“ zu jener der „Rivalen“ und einstigen Verbündeten jenseits des Atlantiks darstellt. Das Europa von Chirac und die Gemeinde der unbeirrbaren Kassandren haben seit Monaten die Europäer aufgerührt und sie überzeugt, die Ärmel hochzukrempeln und in regenbogenfarbene Banner mit zweifelhaftem Beigeschmack zu investieren, im Namen einer anderen „möglichen Welt“, im Namen des „internationalen Rechts“, der europäischen „Vielfalt“, des „kulturellen Relativismus’“, angesichts der „gemeinen Lügen“ des Imperiums, im Namen der „Stabilität“ und dessen, was man fälschlicherweise „Frieden“ zu nennen begonnen hat. Wo aber haben sich die politischen Anstrengungen Europas für den „Frieden“ niedergeschlagen? Welche Alternative hat Europa aufgezeigt zu dem so lautstark abgelehnten „Regimewechsel“, forciert von jenen unsäglichen Neokonservativen?

Chinesische Übermacht und Zynismus à la francaise

Die Ikone des „Friedens“ à la Europa ist vielleicht Tschetschenien, wo die Europäer angesichts der strategischen Partnerschaft mit Zar Putin daran gehindert sind, eine Position zu beziehen – wenn „Frieden“ Schweigen bedeutet; denn Schweigen gab es, hinsichtlich der Entführung der 17 Familienangehörigen des im Exil lebenden tschetschenischen Gesundheitsministers, Umar Khanbiev, Schweigen hinsichtlich der unzähligen Schwierigkeiten der Exiltschetschenen mit ihrer Ein- und Ausreise. Umfassendes Schweigen über jenen kleinen Winkel Europas, über dessen Schicksal auch Chirac auf einmal gleich Bush zu denken scheint.

Aber dieser „Frieden“ bedeutet nicht nur Untätigkeit. Manchmal zeigen auch die Europäer ihre Krallen. In einem der Momente größter Spannung in der Beziehung zwischen der chinesischen Diktatur und der kleinen Republik Taiwan, am Vorabend äußerst spannungsgeladener Präsidentschaftswahlen und eines Referendums über das Schicksal der chinesisch-taiwanesischen Beziehungen, während ein Attentat das Leben des Präsidenten aus Taipei aufs Spiel setzte, hat Paris die großartige Gelegenheit ergriffen, die ersten Hochseemanöver in Zusammenarbeit mit der Flotte aus Peking durchzuführen. Die Wahl des Lagers zwischen dem unberechenbaren chinesischen Kommunismus und der so unsicheren wie vitalen Demokratie Taiwans konnte nicht ausdrücklicher sein. Sie ist nur unangebracht.

„Kulturelle Vielfalt“ à la Brüssel

Während die Vereinigten Staaten den Sender Al Hurra in arabischer Sprache eingerichtet haben, hat die europäische Kommissarin für Kultur Viviane Reding im Zuge einer Sitzung des europäischen Parlaments eine Lobrede auf China verfasst, als das Modell „kultureller Vielfalt“. Es ist seit Jahren bekannt, dass die Anstrengungen der chinesischen Autorität in diesem Bereich das Problem „kultureller Vielfalt“ alsbald für immer eliminiert haben werden von den Hochebenen Tibets bis nach Ostturkestan und im ganzen Land, in dem eine immer rigidere Zensur Hundertmillionen von klugen Köpfen die kreative Nahrung der Wahrheit raubt.

So mancher ist auf die Straße gegangen im Namen eines Europas, das es sich verwehrte, gewisse Kriege zu führen. Aber dasselbe Europa finanziert weiterhin die Diktatoren aus aller Welt, ohne auf die demokratischen Klauseln zu pochen, und empfängt die eigenen Freunde unter den Tyrannen wie Kaiser. Es ist das Europa, das unfähig ist, die demokratischen Bewegungen zu unterstützen, die auf der anderen Seite des Mittelmeers stärker wurzeln als der Fundamentalismus. Es ist das Europa, das, wenn es könnte, keinerlei Skrupel hätte, die Arsenale der schlimmsten Regime zu füllen, und das jeden Monat die Aufhebung des Waffenembargos gegen China zur Abstimmung stellt.

Diesem Europa, so unbefangen im Predigen des „Friedens“, des Multilateralismus und der „internationalen Gesetzlichkeit“, könnte, wenn es eine Weltorganisation der Demokratie gäbe, nur der traurige Sonderpreis für Zynismus verliehen werden. Dann würde auch das pazifistische Lager verstehen, wenn die Gemeinde der Kassandren gelegentlich ihren Sack leeren würde und ohne Zurückhaltung ein wenig die ganze Wahrheit, ein wenig die ganzen Wahrheiten sagen würde.

Translated from L’altro volto della “pace”