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Bye, bye, Ahmadi?

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Islam in Europa

Am Freitag wird der neue iranische Präsident gewählt. Die landesweit aufmerksam verfolgten Fernsehdebatten zwischen den Kandidaten haben in der Bevölkerung die Spannung steigen lassen. Die Jugend trägt den Wahlkampf auf die Straßen, doch viele Iraner glauben nicht mehr an eine faire Abstimmung. Von Jan Aengenvoort (Teheran) Teheran, Donnerstag 11.

Juni 2009

Wahlkampf im Iran (Flickr)Gegen Mitternacht ist die Schlacht von Gohardascht entschieden. Den ganzen Tag über haben sich die Anhänger von Präsident Mahmud Ahmadinejad und die seines Herausforderers, Mir Hossein Mussavi, einen inbrünstigen Wahlkampf auf den Straßen der Stadt geliefert. Nun, am späten Abend, ist der Hauptplatz dieser Satellitenstadt Teherans fest in der Hand derer, die für ihren Kandidaten Mussavi stundenlang gerufen, gesungen und gehupt haben. "Bye, bye, Ahmadi", schallt es durch die Straßen.

Die Wahl des neuen iranischen Präsidenten am kommenden Donnerstag scheint zu einem Zweikampf zwischen Amtsinhaber Ahmadinejad und dem Kandidaten der Reformer, Mir Hossein Mussavi, zu werden, da es die beiden anderen Bewerber, Mehdi Karrubi und Mohsen Rezai, bisher nicht verstanden haben, eine bedeutende Anhängerschaft zu mobilisieren. Am Vorabend, dem zwanzigsten Todestag von Staatsgründer Khomeini, standen sich die beiden aussichtsreichsten Kandidaten in einem Fernsehduell gegenüber, das geprägt war von heftigen Attacken Mussavis, der die Isolation des Landes sowie die schleppende Reform der iranischen Wirtschaft beklagte.

Ahmadinejad ging in seiner Replik zum persönlichen Angriff des Gegners über und stellte die akademische Integrität der Ehefrau Mussavis in Frage. Am nächsten Tag werden diese Aussagen im Strassenwahlkampf aufgegriffen, in Parolen umgemünzt und aus den Autos und Läden heraus, die mit den Postern und Farben der Kandidaten geschmückt sind, auf die Straße getragen.

Meinungsumfragen unsicher, Wahlmanipulation befürchtet

Die Taktik von Ahmadinejads gut organisiertem Lager ist agressiv, es setzt verstärkt auf die nationalkonservative Karte und wird dabei unterstützt von den staatlichen iranischen Medien und dem mächtigsten Mann im Staat, Revolutionsführer Khamenei. Mussavis Programm zielt hingegen weniger auf viriles Großmachttum als auf die Themen, die Ahmadinejads liberalem Vorgänger und jetzigem Partner Mussavis, Mohammad Khatami, zu zwei Amtszeiten verholfen haben: Förderung der Jugend, Öffnung des Landes nach innen und außen, Liberalisierung der Gesellschaft und der Wirtschaft.

Wer die Wahl gewinnen wird, ist offen, denn die Meinungsumfragen sind unzuverlässig und oftmals staatlich gelenkt. Auch die nach außen getragene Begeisterung der Jugend für die beiden Kandidaten ist kein sicheres Indiz für eine hohe Wahlbeteiligung, die dem Lager der Reformer um Mussavi helfen würde.

Denn viele Iraner glauben schon lange nicht mehr an eine faire Abstimmung. Es gebe immer wieder Berichte über Wahlfälschungen, sagt Lebensmittelhändler Fariborz Hosseini, vor dessen Geschäft demonstrierende Jugendliche vorbeiziehen. Der Ausgang der Wahl werde ohnehin nichts an den zutiefst undemokratischen Strukturen des Staates ändern, kein Kandidat könne gegen die theologischen Führer des Landes, die Mullahs, ankommen. „Für die Jugend ist die Wahl nur ein weiteres Ventil, um auf der Straße ungestört feiern zu dürfen, ganz wie beim Fußball." Sagt es, seufzt, betrachtet noch eine Weile die grünen Fahnen der Anhänger Mussavis, bevor auch er leise einstimmt in den Chor: “Bye, bye, Ahmadi.”

Jan Aengenvoort