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Brexit: Camerons Referendum-Rede bringt EU-Austritt ins Spiel

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Politik

Mit seiner Europa-Rede ist Großbritanniens Premier David Cameron am Mittwoch überwiegend auf Kritik gestoßen. Er forderte eine Änderung der EU-Verträge und kündigte ein Referendum über den EU-Austritt seines Landes bis 2017 an. Einige Kommentatoren halten es für sinnvoll, Londons angestrengtes Verhältnis zur EU auf die Probe zu stellen.

Andere kritisieren, dass Europa eine solche Debatte gerade gar nicht gebrauchen kann.

De Morgen: Er hätte gestern besser geschwiegen; Belgien

Camerons Rede kam mitten in der Krise zur falschen Zeit, kommentiert die linksliberale Tageszeitung De Morgen: "Es ist natürlich an sich nicht verkehrt, dass sich die Briten zu Sinn und Unsinn eines Europas mit 27 Mitgliedsstaaten äußern können. Es kann nicht schaden, dass die sonst so lahme und schwer verständliche EU-Debatte ab und an von Führern angeheizt wird, die sich fragen, ob die Kluft zwischen Brüssel und dem europäischen Bürger nicht gefährlich groß wird. [...] Aber es ist besorgniserregend, dass Cameron die Büchse der Pandora gerade jetzt geöffnet hat. Deutschland reagierte irritiert, Frankreich war schlicht wütend. [...] Camerons Worte sorgen vor allem für zusätzliche Unsicherheit. Und das ist nicht gerade das, was man jetzt braucht, da Europa mit großer Mühe versucht, sich von einer schweren Wirtschaftskrise zu erholen. Wenn Cameron tatsächlich den Aufschwung der britischen Wirtschaft und die Sicherheit der Arbeitsplätze seiner Landsleute sichern wollte, hätte er gestern besser geschwiegen." (24.01.2013)

Die Presse: EU hat ohne den Bremsfaktor Großbritannien endlich eine Chance; Österreich

Die von Premier David Cameron in Aussicht gestellte Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU ist eine gute Idee, findet die liberal-konservative Tageszeitung Die Presse und sieht "gute Gründe, warum Großbritannien endlich eine Entscheidung über sein Verhältnis zur EU treffen sollte. Denn seit Jahren hat sich das Land zum Klumpfuß der Gemeinschaft entwickelt. Wenn David Cameron jetzt die EU für ihre Instabilität, ihre Krisenpolitik, ihre mangelnde demokratische Legitimation kritisiert, muss klar sein, dass Großbritannien daran einen Gutteil an Mitschuld trägt. ... Es ist fast zu hoffen, dass die Tories die nächsten Wahlen gewinnen und die Volksabstimmung unumgänglich wird. Denn entweder die Briten versöhnen sich mit der EU und werden zu einem konstruktiven Mitglied. Oder die EU hat ohne den Bremsfaktor Großbritannien endlich die Chance, eine tief gehende Reform einzuleiten. Beides wäre besser als die heutige Situation." (24.01.2013)

Blog EUROPP: Wahre Absichten werden durchschaut werden; Großbritannien

Camerons euroskeptische Haltung ist vorgeschoben, meint Politikberater Julian Priestley auf dem Blog EUROPP der London School of Economics und wirft dem Premier vor, nur die Europa-Gegner in den eigenen Reihen besänftigen zu wollen: "Trotz seines wie üblich aalglatten Auftritts wird er mit seiner Rede niemanden täuschen. Es ist nämlich glasklar, was hier auf dem Spiel steht. Camerons Rede und seine zynische Verteidigung eines europäischen Sonderwegs für Großbritannien erscheinen vielen als Versuch, seine eigene Position als Parteiführer zu stabilisieren. Zudem möchte er verhindern, dass die [euroskeptische Partei] UKIP ihm Wählerstimmen wegschnappt. Das würde seine Partei ganz schnell auf die Oppositionsbank zurückbefördern. Doch Camerons Rede war dermaßen amateurhaft, dass unsere Partner im Ausland, die internationale Wirtschafts- und Finanzwelt, die britischen Wähler und selbst Euroskeptiker in seiner eigenen Partei seine wahren Absichten wohl durchschauen werden." (23.01.2013)

lrytas.lt: Für die Briten war die Union immer nur Geschäft; Litauen

Früher oder später wird Großbritannien die EU verlassen, ist der Kolumnist Andrius Užkalnis auf dem Portal lrytas.lt überzeugt, denn im Grunde ihres Herzens waren die Briten nie echte Europäer: "Nicht heute, nicht dieses Jahr, nicht nächstes Jahr und auch nicht in zwei Jahren - aber Großbritannien wird austreten. [...] Denn für die Briten war diese Union immer nur ein Geschäft: freier Verkehr für Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräfte - mehr nicht. Engländer und Schotten waren in ihrem Innersten schon immer vor allem Finanziers. Und genau deshalb hat Großbritannien die Gemeinschaftswährung, den Euro, der immer ein ideologisches und symbolisches Projekt war, nie angenommen und wird dies nie tun. Für die Deutschen, und noch mehr für die Franzosen, bedeutete Europa immer etwas mehr als nur einen finanziellen Nutzen. [...] Während ein Franzose seine Hand auf das Herz legt, greift die des Engländers immer zum Taschenrechner. Und wenn er genau nachrechnet, merkt er, dass der Nutzen der EU für sein Land gar nicht so groß ist - wenn es diesen Nutzen überhaupt gibt." (23.01.2013)

euinside: Kein britisches, sondern EU-weites Referendum; Bulgarien

In seiner Europa-Rede hat Cameron Probleme angesprochen, die nicht nur die Bürger in Großbritannien, sondern alle Europäer umtreiben, meint das Onlineportal euinside und hält ein Referendum der Briten deshalb für die falsche Lösung: "Er spielt auf die demokratische Legitimierung der EU an und darauf, dass den europäischen Bürgern ungefragt tiefgreifende Reformen aufgezwängt werden. [...] Mehrere Regierungen in der EU mussten wegen der Reformen bereits abdanken. Das stimmt. Es stimmt aber auch, dass die Unterstützung für reformbereite Regierungen von Tag zu Tag wächst - für Regierungen, die im Namen der Bürger harte Reformen durchführen, anstatt die EU-Integration für ihre wirtschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen. Die Europäische Union ist im Wandel. Und die Reformen, die sie den Mitgliedstaaten abverlangt, unabhängig von der politischen Ausrichtung der jeweiligen Regierungen, stehen im Einklang damit. Wenn Cameron will, dass sich die EU an Großbritannien anpasst, dann braucht es nicht ein britisches, sondern ein EU-weites Referendum." (23.01.2013)

Corriere del Ticino: Position Großbritanniens ist in der Schweiz willkommen; Schweiz

Der pragmatische Ansatz des britischen Premiers, neue Bedingungen für die EU-Mitgliedschaft auszuhandeln, ist ganz im Sinne der Schweiz, freut sich die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "Ein Austritt aus dem Club der EU ist nicht in Großbritanniens Interesse. Cameron will nur die Bedingungen des Bleibens neu verhandeln, um die Souveränität und Freiheit der Mitgliedstaaten zu verteidigen (und sich einen Teil der abgegebenen Macht zurückzuholen). Seine Aufforderung an die EU, diejenigen zu respektieren, die eine weniger zentralistische, eine flexiblere und differenziertere Vision haben, kommt der Schweiz zugute. Vor allem in einem Moment, in dem Verbündete mit pragmatischen, freihandelsorientierten, auf demokratischer Legitimierung und Bürgerrechten beharrenden Visionen Mangelware geworden sind. Weil wir belagert sind von mehreren Seiten und eher schwach im Willen, uns gegen Attacken auf unsere Vorrechte und auf unsere historisch-institutionelle Identität zu vereinen, ist uns eine solche Position Großbritanniens willkommen. [...] Wir müssen diesen Bonus zu nutzen wissen." (24.01.2013

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Illustrationen: Fotos  (cc)conservativeparty/flickr; Video (cc)EUXTV/YouTube

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