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Berlinale: Verloren im Dickicht des Selbst

Published on

Berlin

Der Wettbewerbsbeitrag "The Future" von Miranda July und der Film "Utopians" von Zbigniew Bzymek zeigen das Scheitern im amerikanischen Alltag.

von Christiane Lötsch

Ein angespannter Yogalehrer, der nach und nach seine Schüler verliert. Eine ungeduldige Tanzlehrerin für Kinder, die „mehr Lehrerin als Tänzerin“ ist.

Sowohl Roger in „Utopians“ als auch Sophie aus „The Future“ stehen an einem Wendepunkt im Leben. Sie geben ihre gewohnten Tätigkeiten auf und begeben sich, trotz Anzeichen des kommenden Scheiterns, in das unsichere Nichts eines neuen Lebens. Roger gibt dem Willen seiner Tochter Zoe nach, die – gerade aus dem Krieg zurückgekehrt - ihre schizophrene Freundin Maya aus der Psychiatrie befreien möchte. Zu dritt beginnen sie, ein Haus zu renovieren. Treppengeländer reparieren, Türen abschleifen, Zement anrühren – ein meditativer Weg ins Nichts. Der Hausbesitzer wird nicht mehr hinein gelassen, die drei verstecken sich hinter den Gardinen und vernachlässigen ihre Arbeit. Große Lust hatten sie seit Beginn nicht richtig darauf, die Abnabelung vom Rest der Welt beginnt.

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Ähnlich isoliert lebt das Paar Jason und Sophie in Los Angeles, nur über ihre schicken Apple Computer halten sie Kontakt zur Außenwelt. Ihr formloses Bohemian-Leben in der verrumpelten Wohnung und in vergangenen Träumen („I thought I would be more clever“) ändert sich, als sie beschließen, eine verletzte Katze aufzunehmen. Der letzte Monat in Freiheit muss ausgekostet werden und Jason und Sophie beginnen ihre Suche nach sich selbst. Sie finden unterschiedliches. Während Jason versucht, Bäume für ein besseres Klima zu verkaufen und Sophie keinen einzigen ihrer „30 Tänze in 30 Tagen“, die sie auf You Tube zeigen will, wirklich aufnimmt, entfernen sie sich langsam voneinander. Sophie nimmt Kontakt mit einem Familienvater im Reihenhaus auf und ist besessen von der Idee eines anderen Lebens. Sie will alles ausprobieren und lässt ihr Leben langsam aus dem Ruder laufen.

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Die filigrane Gitarrenmusik in „Utopians“ und die elektronischen Arrangements in „The Future“ betonen die Zerbrechlichkeit der Charaktere, die in einer Gesellschaft mit vielseitigen Ansprüchen an das Individuum nicht zurecht kommen. Auch das helle, fast überbelichtete Licht – beide Filme spielen in Los Angeles - verwandelt die Filme in eine Art Traumwelt. Detailshots und Schwarzbilder verlangsamen die Erzählung, brechen die chronologische Erzählstruktur auf und präsentieren uns Lebensfragmente der Protagonisten. Eine sprechende Katze mit gebrochener Pfote, ein Freund, der die Zeit anhalten kann ein kriechendes T-Shirt in „The Future“ intensivieren die surrealen Momente, die als Rahmen für die eigene Verlorenheit dient. Beide Filme bestechen durch ihre schwankende Atmosphäre, Roger, Jason und Sophie bewegen sich traumwandlerisch durch ihr Leben wie im Auge des Orkans, der sie wenig später davon tragen wird.

Filmstills@Internationale Filmfestspiele Berlin