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Berlinale: Schritte in fremde Gefilde

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Sergio Marx

Berlin

Perspektive-Leiterin über die Internationalisierung des Nachwuchskinos.

Linda Söffker

Linda Söffker feiert 2011 Premiere: Sie ist die neue Leiterin der Perspektive Deutsches Kino der Berlinale, zugleich aber auch Insiderin der vergangenen zehn Jahre, in denen sie Alfred Holighaus, der zur Deutschen Filmakademie gewechselt ist, als Programm-Managerin zur Seite stand.

Berlinale im Dialog: Die Perspektive Deutsches Kino war bisher oft eine Studenten-Reihe, es gab Jahre, in denen stammte fast jeder Beitrag von einer der sieben deutschen Filmhochschulen. Das ist 2011 anders.

Linda Söffker: Erstmals haben wir eine größere Anzahl älterer Nachwuchsfilmemacher im Programm, also Regisseure, die ihren ersten Film machen, nachdem sie die 30 oder sogar 35 überschritten haben. Das sind also nicht Hochschulfilmer, sondern Umwegler, die jahrelang als Kameramann oder Cutterin oder Produzentin gearbeitet haben, oder auch als Comiczeichnerin wie Ziska Riemann, die hier ihr Debüt Lollipop Monster zeigt. Sie haben sich also erst auf ein Handwerk konzentriert und in dieser Arbeit mehr und mehr Lust bekommen, Regie zu führen. Daraus erklärt sich mit Sicherheit der Blick zurück, der einige Filme auszeichnet. Oder auch ihre Reife und der Mut, Geschichten zu erzählen, die sie in Gefilde führen, die von ihnen persönlich weiter entfernt sind.

Das ist nicht nur metaphorisch zu verstehen.

Es gab immer schon Filme im Programm, die in anderen Ländern gespielt haben, wie Hotel Very Welcome von Sonja Heiss in 2007 oder Football Under Cover von David Assmann und Ayat Najafi in 2008, bei denen aber die Protagonisten Deutsche waren oder es einen anderen expliziten Bezug zu Deutschland gab. Der diesjährige Beitrag Dígame – Sag mir hingegen spielt in Buenos Aires mit lateinamerikanischen Schauspielern. Bei dem Film hat mich der Entstehungshintergrund interessiert: Die HFF Potsdam-Babelsberg hat in Zusammenarbeit mit Arte ihre Studenten dazu aufgerufen, Projekte zum 200. Unabhängigkeitstag Argentiniens zu entwickeln, und eines davon ist Dígame, das die deutsche Regisseurin Josephine Frydetzki vor Ort gedreht hat.

In Kamakia – Die Helden der Insel von Jasin Challah reist eine deutsch-griechische Kunstfigur, eine Puppe, von Insel zu Insel auf der Suche nach den bekannten griechischen Schürzenjägern der 1960er und 70er Jahre.

Ist es ein Bestreben von dir, in dieser Jubiläumsausgabe, die gleichzeitig dein Debüt als Sektionsleiterin darstellt, die Internationalisierung des deutschen Kinos abzubilden?

Da ist man schnell bei der Frage: Was ist ein deutscher Film? Im Forum läuft der zweite Film des Portugiesen Hugo Vieira da Silva, der in Deutschland mit deutschen Schauspielern produziert wurde, wir zeigen in der Perspektive mit Kampf der Königinnen den Film eines Schweizers, der in den Schweizer Alpen spielt, aber an der Filmakademie Baden-Württemberg entstanden ist. Vor zehn Jahren war es noch die absolute Ausnahme, dass ein Film mehr als zwei Produktionsländer hatte. Heute ist es umgekehrt, Koproduktionen mit mehreren Ländern werden zum Regelfall, wie man etwa am diesjährigen Berlinale-Wettbewerb ablesen kann. Diese Entwicklung setzt sich auch bei Nachwuchsfilmen immer mehr durch.

Dabei ist dir der internationale Blick auf das deutsche Kino ein besonderes Anliegen?

In den vergangenen Jahren war das Interesse der internationalen Einkäufer nicht gerade überwältigend, was sicherlich auch damit zusammenhing, dass die Reihe viele Hochschulfilme und auch kürzere Formate gezeigt hat. Das hat natürlich viel mit dem Angebot zu tun, und es war und ist nicht einfach für Nachwuchsfilmer, Finanzierungen für abendfüllende Spielfilme zu erhalten. Wir engagieren uns sehr dafür, diese Situation stetig zu verbessern und unsere Filme nicht nur international auf vielen Festivals unterzubringen, sondern auch Weltvertriebe für sie zu finden. Ein Schritt in diese Richtung ist die Teilnahme am „First Feature Award“, dem sektionsübergreifenden Preis für den besten Debütspielfilm. In diesem Jahr gehen erstmals auch zwei Filme aus der Perspektive um ihn ins Rennen und stellen sich der internationalen Konkurrenz. Die vom Deutsch-Französischen Jugendwerk eingeladene „Dialogue en perspective“-Jury öffnet sich darüber hinaus weiter gen Osteuropa, indem 2011 erstmals ein Jurymitglied aus einem dritten europäischen Land, aus Bosnien-Herzegowina, teilnimmt.

2011 ist das erste größere Jubiläum der Perspektive. Wie wird das gefeiert?

Für eine Retrospektive oder den Blick auf spätere Arbeiten unserer Ehemaligen schien es uns noch etwas zu früh. Stattdessen haben wir jeweils einen Filmemacher oder ein Team aus jedem der zehn Jahre gebeten, einen kleinen Jubiläumsfilm zu drehen. So sind zehn Grußbotschaften entstanden, von denen wir jeden Tag eine vor dem Hauptprogramm der Perspektive zeigen. [Anm. d. Red.: Sie finden die Filme am nächsten Morgen in unserer Videorubrik.]

Im letzten Jahr haben wir zum ersten Mal mit unserem Partner, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk, ein Werkstattgespräch während der Berlinale organisiert. Das setzen wir anlässlich unseres Jubiläums und des 50. Geburtstags der Semaine de la critique Cannes mit einem deutsch-französischen Dialog zur Frage der Nachwuchsförderung auf Filmfestivals fort. Dabei wollen wir hinterfragen, welche Verantwortung Festivals für junge Filmemacher haben und wie sie sich auf die Karrieren von Regisseuren auswirken.

Das Interview führte Frédéric Jaeger

dem deutschen-französischen Blog des DFJW.

In Zusammenarbeit mit Berlinale im Dialog,

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