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Berlin: Eine Mauer von Unterschieden trennt Griechen und Deutsche

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Translation by:

Alexandra Schade

Politik

Das multikulturelle Berlin ist seit den 1950er Jahren Anlaufpunkt für Einwanderer. Neben jungen Deutschen sitzen heute unter anderem auch junge Griechen auf den Bänken der Berliner Uni. Aber wie ist das Leben für Griechen in Berlin zu Zeiten, in denen deutsche Zeitungen die Griechen als „arm“ und „faul“ bezeichnen? Ein Treffen mit den neuen Sündenböcken Europas.

Costa Papanastasiou ist Berliner. Ich treffe den Künstler im Terzo Modo, einer Taverne, in welcher der Berliner Hellenismus in voller Blüte ist. „Ich bin 1955 nach Deutschland gekommen, um Architektur zu studieren“, erinnert sich Costa. „Am Anfang sprach ich nur ein paar Worte Deutsch. Später bin ich Professor an der Kunsthochschule in Berlin geworden. Und durch Zufall hat es mich dann später in die Schauspielerei verschlagen - ich habe in einigen erfolgreichen deutschen Kinofilmen mitgespielt [Die Eroberung der Zitadelle von Bernhard Wicki, 1975-77, A.d.R.]. Ich habe den Griechen gespielt.“

Bild und die „Pleite-Griechen“

Bezüglich der griechischen Gemeinde in Deutschland erzählt Costa, der heute in deutschen Fernsehserien mitspielt: „Als wir nach Deutschland gekommen sind, waren wir die armen Verwandten. In der Zwischenzeit ist dieses Bild dank unserer Bemühungen fast verschwunden. Die Deutschen haben uns schnell lieb gewonnen, vor allem weil wir die einzigen Immigranten waren, die nicht zu einem Anstieg der Kriminalität beitrugen.“ Aber seit der Finanzkrise funktioniert in Griechenland rein gar nichts mehr. „Das Verhalten der Deutschen hat sich dementsprechend verändert“, gibt Costa Papanastasiou zu. „Ich selbst habe beinahe alle meine alten Freunde verloren.“

Costa Papanastasiou ist ordentlich genervt vom schädlichen Image Griechenlands, was in bestimmten Teilen der deutschen Presse vermittelt wird. Seiner Meinung nach gehen die Spannungen zwischen Griechen und Deutschen in gleichen Teilen auf die Politik Angela Merkels und die Propaganda von gewissen deutschen Zeitungen wie Bild oder dem Magazin Focus zurück. „Wenn sie schreiben, dass die Griechen mit 55 in Rente gehen und dass sie weniger arbeiten als die Leute hier, regt sich der unterdrückte Durchschnittsdeutsche zwangsläufig auf.“

Die Symbolik der Krise zwischen Athen und BerlinUnd fühlt er sich heute mehr als Deutscher oder als Grieche? „Ich fühle mich nicht deutsch, ich bin Berliner. Berlin hat einen einzigarten Esprit im Vergleich zum Rest Deutschlands. Nichtsdestotrotz verbringe ich viel Zeit im Terzo Modo, was für mich ein hellenistisches Eiland in der Stadt ist.“ Im Gegensatz zur Mehrheit der Bild-Leser [fast 18% der dt. Bevölkerung, A.d.R.] glaubt Costa noch an die Zukunft seines Heimatlandes. „Damals habe ich in Griechenland zwischen Brennnesseln und Reseden gelebt. Ich bin ganz sicher, dass wir das schaffen werden.“

Griechenland oder Dritte Welt

„Bis heute habe ich in Deutschland nie Probleme wegen meiner doppelten Staatsbürgerschaft gehabt“, sagt hingegen Martin S.* Für den jungen Deutsch-Griechen „könnten sich auch die Spanier oder die Portugiesen in der gleichen heiklen Situation wie die Griechen wiederfinden. Es gibt keine tiefen Wurzeln eventueller Antipathie der Deutschen gegenüber den Griechen.“

Wenn ich die Bilder aus Griechenland sehe, frage ich mich manchmal, ob man da von meinem Land spricht oder von einem Land der Dritten Welt.Man zählt besser nicht auf ihn, wenn es darum geht Partei für sein Land zu ergreifen. „Ich bin besonders schockiert über die kürzlichen Ereignisse in Griechenland. Es gab sogar drei Todesopfer. Wenn ich die Bilder aus Griechenland sehe, frage ich mich manchmal, ob man da von meinem Land spricht oder von einem Land der Dritten Welt.“ Da Martin lange Zeit im Land Goethes gelebt hat, scheint er sogar dessen Bewohner zu verstehen. „Sie sind wütend, weil sie Angst haben die Zeche für die Griechen zahlen zu müssen. Und ich verstehe ihren Ärger absolut, weil sie fürchten früher oder später selbst mehr Steuern zahlen zu müssen.“

Verantwortungslose Regierung

Für viele Deutsche und Griechen in Berlin sind die Positionen beider Kulturkreise oft unvereinbar. Die griechischen Studenten fühlen sich erschlagen von den häufigen Ausschreitungen in ihrem Heimatland, während die Deutschen mal aggressiv, mal begierig darauf sind, den Euro zu Gunsten der D-Mark wieder abzuschaffen.

Man kann Griechenland selbstverständlich vorschlagen aus der Eurozone auszutreten...In der Hoffnung diese verfahrene Situation zu überwinden, kommentiert Günter Faltin, Wirtschaftsprofessor an der FU und mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnete Unternehmer: «Wir brauchen mehr Bildung, um chronische Risiken vorherzusehen und wir brauchen andererseits Personen, die üiberhaupt noch den Mut haben Risiken einzugehen. Ich verurteile auf keinen Fall das griechische Volk für die aktuelle Lage. Die einzige Frage, die sich im Moment stellt, ist: Wie findet man eine langfristige und lebensfähige Lösung für Griechenland?“ Günter Faltin zählt verschiedene Auswege aus der Krise auf: „Man kann Griechenland selbstverständlich vorschlagen aus der Eurozone auszutreten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Man hätte die hohe Staatsverschuldung auch mit Hilfe eines „Haircuts“ - das heißt eines Sicherheitsabschlags für die Annahme griechischer Staatspapiere - lösen können. Eine der größten Herausforderungen ist es, die Verantwortlichen zu benennen, weil diese Krise zweifelsohne von verantwortungslosen Regierungen geschaffen wurde.“

Außerdem, nur weil man mit gehobenem Finger auf Griechenland zeige, hieße das nicht, dass in Deutschland alles rosig sei: „Schlussendlich ist der Unterschied zwischen Deutschland und Griechenland sprichwörtlich: Unter den Blinden ist der Einäugige König.“

Illustrationen: ©skantzman’s Visual Communication/flickr; ©Piazza del Popolo/flickr; ©schaltzeit/flickr. Video: ©alzazil/Youtube

*Name im Artikel geändert

Translated from A Berlin, un mur de différences sépare Grecs et Allemands