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AddioPizzo: Schluss mit Mafiaschutzgeldern

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Politik

Das Komitee AddioPizzo setzt sich auf Sizilien gezielt gegen die Mafia zur Wehr. Verbraucher und Geschäftsleute sagen zunehmend nein zum 'pizzo', dem von der Mafia erpressten Schutzgeld.

"Sich selbstständig zu machen, einen Pub aufzumachen", das war der Wunsch von sieben italienischen Freunden um die Dreißig, die im Frühjahr 2004 in Palermo zusammensaßen, erzählt Franceso Galante des Komitees AddioPizzo ('Schutzgeld auf Wiedersehen!'). Recht schnell sei die Frage aufgekommen, wie man auf Schutzgeldforderungen reagieren würde. Aus der Idee mit dem Pub ist zwar nichts geworden, aber dank dieser jungen Leute hat sich in Palermo etwas verändert. Gemeinsam beschlossen sie, die Unterdrückung in ihrer Heimat durch die Cosa Nostra nicht weiter tatenlos hinzunehmen. Und so verteilten sie in einer Juninacht 2004 in Palermo Aufkleber mit der Aufschrift "Ein ganzes Volk, das Schutzgeld zahlt, ist ein Volk ohne Würde".

Mit der Omertà brechen

Seit diesem Tag kämpft AddioPizzo unermüdlich gegen die Unterdrückung. Denn fast jeder, der in Süditalien eine wirtschaftliche Aktivität ausüben will, muss mit einer Schutzgeldforderung rechnen. Zahlt er nicht, gibt es Einschüchterungsversuche, mal eine Brandbombe und zuletzt Anschläge auf Leib und Leben. Circa 90 Milliarden Euro setzt die Mafia allein in Italien um, das entspricht ungefähr 6 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts - erwirtschaftet durch Erpressung, Wucherzinsen, Diebstahl, Raubüberfälle, Fälschungen und Schmuggel. Mittels Schutzgelderpressungen sichert sie sich die Kontrolle über ihr Territorium und sorgt durch Gewaltanwendung für ein Klima der Omertà (des Schweigens).

Die Verantwortlichen von AddioPizzo besuchen Schulen, um die Jugendlichen über die kriminellen Machenschaften der sizilianischen Mafia aufzuklären (Foto: Gero Cordaro)

Nicola Gratteri, Staatsanwalt bei der Bezirksdirektion der Mafiabekämpfung von Reggio Calabria, beschreibt die Auswirkungen der organisierten Kriminalität auf das Marktgeschehen anhand der kalabresischen Mafia: "Die Ndrangheta ist dabei, Aktivitäten auch in Mittel- und in Norditalien zu kaufen: Hotels, Restaurants, Pizzerien. Dass die Mafia nicht nur ein italienisches Problem ist, wurde spätestens durch das Blutbad von Duisburg im August 2007 in Erinnerung gerufen, bei dem 6 junge Kalabresen vor einer Pizzeria erschossen wurden. Dabei ist nicht erst seit 2007 bekannt, dass die italienische Mafia in Deutschland, Belgien, Holland, Spanien und Frankreich Millionensummen in Immobilien, Gastronomie und an der Börse investiert.

"Das Geld, das von der Ndrangheta stammt und dann im legalen Markt investiert wird, verfälscht das Marktgeschehen, weil der Mafia-Unternehmer Logiken folgt, die die Funktion des Marktes verzerren." All das Geld ermögliche, so Gratteri, Wahlkampagnen zu finanzieren und solche Personen ins Parlament wählen zu lassen, die später ihre Rechnung begleichen. Die Beseitigung des demokratischen Lebens sei überall.

Klima der Auflehnung

Aus dem damals noch anonymen Protestschrei von AddioPizzo in Palermo hat sich mittlerweile eine wegweisende Initiative entwickelt: Das Komitee stellt auf einer regelmäßig aktualisierten und kontrollierten Liste die Geschäftstreibenden zusammen, die kein Schutzgeld zahlen und sich offen dazu bekennen (derzeit 232). Diese Entscheidung wird durch eine Liste von kritischen Verbrauchern (zurzeit circa 9225) gestützt, die ihrer Solidarität in Form eines kritischen Konsums Ausdruck verleihen. Im letzten Jahr hat es verschiedene Anzeigen von Geschäftsleuten gegen ihre Erpresser gegeben. Im September 2007 hat auch der italienische Industrieverband Confindustria einen längst fälligen Schritt vollzogen: "Derjenige, der Schutzgeld zahlt und mit der Mafia zusammenarbeitet, wird aus dem Industrieverband ausgeschlossen."

Eines der wichtigsten Mittel bei der Mafiabekämpfung sei zudem, nach Meinung von Nicola Gratteri, die Abschaffung der Urteilsabsprache. Dieser oft praktizierte Modus der Prozessverkürzung führt dazu, dass eine ursprünglich vom Richter angedachte Strafe von 30 Jahren in den verschiedenen Instanzen auf 7-8 Jahre reduziert werden kann. Bei guter Führung kann man davon ausgehen, dass ein wegen internationalem Drogenhandel Verurteilter nach fünf Jahren wieder auf freiem Fuß ist.

Der Chefredakteur des Monatsmagazins Antimafia Duemila, Giorgio Bongiovanni, sieht in den Verflechtungen zwischen Mafia und Politik das Hauptproblem: "Solange diese Beziehungen nicht bekämpft werden, und noch irgendein picciotto (niedrigste Position in der Mafia-Hierarchie) bereit ist, Mafia-Boss zu werden, wird die Gefahr für unsere Demokratie weiter fortbestehen."

Banner des AddioPizzo-Komitees (Foto: AddioPizzo)

Vielleicht ist der Rücktritt des am 18. Januar 2008 zu 5 Jahren Haft wegen Unterstützung einiger Mafia-Größen verurteilten Präsidenten Totò Cuffaro der Region Siziliens die wahre Chance für einen politischen Neuanfang Siziliens. Wunschkandidatin vieler Wähler ist Rita Borsellino, Schwester des 1992 ermordeten Richters und 'Mafia-Jägers' Paolo Borsellino und langjährige Aktive im Kampf gegen die Mafia. Die Stimme von AddioPizzo wäre ihr jedenfalls sicher.