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Absurdes aus Lukaschenko-Land: Wie der Präsident, so der Protest

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Politik

Es ist eine Diktatur und es ist unsere Diktatur, in Europa, unmittelbar vor der Haustür der EU. Am 19. Dezember 2010 ist es wieder so weit, die belarussische Bevölkerung wird aufgerufen sein, ihren Präsidenten zu wählen. Bis zu diesem Stichtag präsentiert eine in Berlin ansässige Französin auf cafebabel.com die Kolumne "Absurdes aus der Diktatur".

Claudine Delacroix' dritter Streich handelt von absurden Formen des belarussischen Protests.

3 - Absurdität und Zivilgesellschaft - Wie der Präsident, so der Protest?

Diktaturen sind gemeinhin politische Systeme, in denen das gesamte Staatswesen auf genau eine Person ausgerichtet ist. Dementsprechend steht diese oft schillernde Person kontinuierlich im Fokus - und das nicht nur in der Darstellung der gleichgeschalteten Presse. Auch in unserer Kolumne war Alexander Lukaschenko bisher Hauptakteur. Wie steht es aber mit denjenigen, die sich dem Regime entgegenstellen oder einfach nur aktiv die Geschicke ihres Landes mitbestimmen wollen?

Wir fragen hier also nicht nur nach der politischen Opposition im engeren Sinne, sondern nach dem Gebilde, was allgemein Zivilgesellschaft genannt wird - aktive Bürger, die sich in ihrem Land engagieren. Für Belarus stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Erwartungen ein:

- Zum einem: In diesem Land, dessen Regime Aktivität als Bedrohung wahrnimmt und über vielfältige Schikanen so stark wie möglich einzuschränken versucht, vermutet man eine eher schwache und wenig organisierte Zivilgesellschaft.

- Zum zweiten: Wer sich in einem solchen Land in Opposition zu den Autoritäten begibt, ist ein „harter Hund“ - und das nicht nur, weil gegen Wahlfälschungen regelmäßig bei winterlichen 20 Grad und Schneesturm protestiert werden muss.

Erstere Überlegung ist auch bestimmend für viele Stiftungen und andere Geldgeber, die in Belarus die Entwicklung der Zivilgesellschaft mit unterschiedlichsten Projekten zu fördern suchen. Vielleicht sind etwa 2.500 Nicht-Regierungsorganisationen auf 10 Millionen Belarussen auch wirklich nicht besonders viel. Gemessen an den Umständen ist es allerdings schon eine beachtliche Zahl.

Und noch etwas überrascht: Im Rahmen der Östlichen Partnerschaft der EU ist es gerade die belarussische Zivilgesellschaft, die den Dialog der Zivilgesellschaften entscheidend mitprägt und mit Sergej Maskewitsch sogar den Sprecher für deren wichtigstes Gremium, das Zivilgesellschaftliche Forum, stellt. Genauso wird der Protest gegen den Bau des ersten Atomkraftwerks in Belarus - dem Land, das am stärksten unter den Folgen des Reaktorunglücks von Tschernobyl zu leiden hat - von einigen Leuchtturmorganisationen der belarussischen Anti-Atom-Bewegung überaus gekonnt, unter Nutzung aller internationalen Foren und Mechanismen geführt. Wird also etwas gefördert, was in dieser Form gar nicht unterstützungsbedürftig ist?

Eines steht allerdings fest: Um den öffentlich sichtbaren Protest im eigenen Land ist es durchaus nicht so gut bestellt. Vielleicht machte sich deshalb eine Gruppe belarussischer Atomkraftgegner auf den Weg, um im Rahmen eines Projektes beobachtend an den deutschen Protesten gegen den Castor-Transport teilzunehmen. Für viele der Beteiligten eine sehr sinnvolle Vernetzungsaktion, in der Wissen ausgetauscht und Erfahrungen gesammelt werden konnten: Zu unkonventionellen Formen des zivilen Widerstands oder auch zur Problematik der Organisation von großen Gruppen.

Aber es gab auch eine Überraschung, und zwar in Form einer punktuell formulierten, erstaunlichen Anspruchshaltung in Bezug auf das von deutscher Seite organisierte Projekt: Tatsächlich monierte ein Teilnehmer - und zwar einer, der sich selbst wohl am stärksten der belarussischen Opposition zugehörig fühlte - dass die Teilnehmer der Gruppe auf der Straße hatten schlafen müssen. Ade also, Du Vorstellung von der stahlgehärteten belarussischen Opposition, der weder Wind noch Wetter etwas anhaben können?

Oder zeigt diese Reaktion vielleicht, wie das Bemühen Zivilgesellschaft von außen zu fördern auch eigenartige Blüten treiben kann und gelegentlich eine gewisse all-inclusive-Mentalität hervorbringt? Wo also erwartet wird, dass Förderer und Organisatoren von A bis Z für alles sorgen und man dabei vergisst, sich auf eigene Stärken zu besinnen?

Aber wie auch immer es sich mit dieser grundsätzlichen Problematik der externen Förderung verhält - trotzdem lässt sich damit nicht erklären, wie man als beobachtender Teilnehmer einer Sitzblockade überhaupt Zweifel daran haben kann, dass dies auch das Nächtigen auf genau der blockierten Straße mit sich bringt! Müssen wir also auch die Frage stellen, ob sich die Absurdität in Belarus soweit vorgefressen hat, dass es heißen muss „Ade dem gesunden Menschenverstand in der belarussischen Opposition“?

Lest auch den ersten und zweiten Teil unserer Lukaschenko-Kolumne: Kolumne: Absurdes aus Lukaschenko-Land und Absurdes aus Lukaschenko-Land: Blogger Medwedew contra Spammer Lukaschenko

Illustration: ©Adrian Maganza/ http://adrianmaganza.blogspot.com/