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Abgeordnete zum Europäischen Parlament – Resignation und Aufbruchsstimmung zugleich?

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Wien

Von Thomas Bichler MEP Karin Resetarits war letzte Woche Gast bei einer Podiumsdiskussion die vom Verein „Wir sind Europa“ organisiert worden war. Sie sprach erstaunlich offen über die Arbeit im Parlament, ihre Gedanken zu aktuellen Themen und über ihre Einschätzung zur europäischen Politik.

Karin Resetarits (ALDE), Othmar Karas (EVP-ED), Christa Prets (SPE) und Johannes Voggenhuber (Grüne/FEA) sind die Gäste in einer vierteiligen Serie von Podiumsdiskussionen mit österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Die Serie wird vom gemeinnützigen und unabhängigen Verein „Wir sind Europa“ in Zusammenarbeit mit der Industriellenvereinigung und der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich veranstaltet und will unter dem Motto „Was Sie schon immer über das Europäische Parlament wissen wollten…“ die Rolle des Europäischen Parlaments deutlich machen und für ein besseres Verständnis in der Bevölkerung sorgen.

Eine Fernsehmoderatorin und ihre Zeit im Europäischen Parlament

Karin Resetarits, die ehemalige ORF-Redakteurin und Moderatorin, sitzt seit 2004 im Europaparlament, in welches Sie auf der Liste von Europarebell Hans-Peter Martin einzog. Kurz nach ihrer Wahl ins Europaparlament trat Karin Resetarits der ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa)-Fraktion bei, was zu einem starken Zerwürfnis mit ihrem Kollegen Hans-Peter Martin führte. Karin Resetarits spricht erstaunlich offen über ihre Arbeit als MEP. Eine Rolle spielt vielleicht dabei, dass sie (laut eigener Aussage) bei den nächsten Wahlen zum Europaparlament im Juni 2009 nicht mehr antreten wird. Sie bezeichnet ihre Zeit im Europäischen Parlament jedoch als „tolle Herausforderung“ und will die Erfahrungen, die sie dort gesammelt hat auch in Zukunft weiterkommunizieren. Sie spart auch nicht mit Kritik z.B. am monatlichen Wanderzirkus der sich von Brüssel nach Straßburg und wieder zurück bewegt. Da sich der offizielle Sitz des Parlaments in Straßburg befindet, müssen einmal im Monat alle Abgeordneten, ihre Assistenten aber auch die gesamte Kommission nach Straßburg pilgern um dort die Plenarwoche abzuhalten. Das geschieht mit Hilfe von 35 LKW-Zügen und verursacht jährliche Kosten von über 200 Mio. Euro. Abschaffen kann das Ganze nur der Europäische Rat, das Parlament hat dabei paradoxerweise kein Mitspracherecht.

Deutliche Aussagen von einer „kleinen Nummer

Und auch mit anderen Aussagen lässt die Europaabgeordnete aufhorchen. So bezeichnet Sie die Integration von in Europa lebenden Migranten als „eindeutig gescheitert“, genauso wie die Familienpolitik in Europa welche es bisher nicht geschafft hat die niedrige Geburtenrate auf dem alten Kontinent wieder anzuheben. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sieht sie kurz vor dem endgültigen Stillstand. Dies lastet sie hauptsächlich dem türkischen Premier Erdogan an, der, wie sie sagt, zwar einen großen Rückhalt in der türkischen Bevölkerung genießt aber diese Position nicht nützt, um die Verhandlungen voran zu bringen und auch in Zypern endlich die lang ersehnte Wiedervereinigung möglich zu machen. Eine gewisse Frustration ob all dieser Probleme und den sehr beschränkten Möglichkeiten eines einzelnen Abgeordneten schwingt deutlich in ihren Antworten mit. „Die großen Erfolgserlebnisse hab ich nicht gehabt“ sagt sie selbst, verweist aber auf österreichische Kollegen anderer Fraktionen die von solchen vielleicht eher berichten können. Der Vertrag von Lissabon würde da einiges ändern und dass dieser ständig gestoppt wird, bezeichnet Resetarits als „äußerst ärgerlich“. Eine damit verbundene Aufwertung des Parlaments wäre auch ein Motivationsschub für die Abgeordneten, denen so viel Mitspracherecht wie nie zuvor in den europäischen Entscheidungsprozessen zuteil würde. An der Unlesbarkeit des Vertrages für Nicht-Juristen lässt jedoch auch sie keine Zweifel. Die persönliche Zusage an einige Personen aus dem Publikum noch ein Dokument zu verfassen, das die wesentlichen Punkte des Vertrages für die Bevölkerung verständlich zusammenfasst, wirkt da etwas halbherzig und wenig seriös. Ist darauf denn von den 785 Abgeordneten aus 27 Ländern bisher noch niemand gekommen? Die wirklichen Probleme liegen wohl eher woanders...